Familienfest am 2. und 3. Oktober Große Ausstellung: Zeitungsmuseum zeigt „Papier von A bis Z“

Wadgassen · Ein guter Tipp fürs Wochenende: Das Zeitungsmuseum in Wadgassen lädt mit seiner großen Ausstellung „Papier von A bis Z“ zu einem Familienfest ein.

 Dieser Drache empfängt die Besucherinnen und Besucher zum Start der Ausstellung „Papier von A bis Z“. Gestaltet hat ihn die saarländische Künstlerin Catrin Raber –  mehr von ihr unter www.catrin-raber.de.

Dieser Drache empfängt die Besucherinnen und Besucher zum Start der Ausstellung „Papier von A bis Z“. Gestaltet hat ihn die saarländische Künstlerin Catrin Raber –  mehr von ihr unter www.catrin-raber.de.

Foto: Tobias Keßler

Nach dem Besuch dieser famosen Ausstellung wird man sein Briefpapier in ganz neuem Licht sehen. Seine Papiertaschentücher ebenfalls. Und sein Toilettenpapier auch. „Papier von A bis Z“ beleuchtet im Deutschen Zeitungsmuseum in Wadgassen jenen Stoff, mit dem wir jeden Tag unbewusst bis unachtsam umgehen: seine Geschichte, das Handwerk, das hinter ihm steht, und seine mindestens 1000 Einsatzmöglichkeiten. Kurator Sascha Boßlet, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zeitungsmuseum, hat ein dreiviertel Jahr lang die knapp 700 Exponate zusammengetragen.

Im zweiten Stock des Museums steigt man ein in die Ausstellung. Unter dem strengen Blick eines kunstvollen Drachens aus Pappmaché, gestaltet von der Künstlerin Catrin Raber, erzählen Exponate von der Historie des Papiers, das um das Jahr 105 herum in China erfunden wurde. Dessen Weg ins Abendland war überraschend lang: Als erster Papierbetrieb in Deutschland gilt die Nürnberger Hadermühle aus dem Jahr 1390, wobei der Begriff Hader auf den Stoff verweist, aus dem das Papier damals vor allem bestand: Lumpen. Holz und allerlei Zellstoffe kamen später. Wie wichtig damals das scheinbare Wegwerfprodukt bei steigender Papiernachfrage war, zeigt eine „Lumpenverordnung“ von 1794: Der Herzog zu Braunschweig-Lüneburg verbot deren Ausfuhr.

Gleich neben dieser Verordnung kann man etwas anfassen und raten, woran genau man hier seine Finger reibt: Da hängen Streifen etwa vom aalglatten Kopierpapier, dem zart hubbeligen Büttenpapier, dem rauen Karton – leicht zu identifizieren. Schwerer wird es bei überraschenden Papiersorten: aus Tabak, aus dem japanischen Maulbeerbaum und auch aus afrikanischem Elefantenmist. Dessen Papierbogen ist so stabil wie geruchsneutral.

 Sascha Boßlet hat die Ausstellung kuratiert.

Sascha Boßlet hat die Ausstellung kuratiert.

Foto: Deutsches Zeitungsmuseum Wadgassen

Die Treppe herunter geht es zum Herzstück der Ausstellung. Neben einem alten Postsortierschrank reihen sich gut gefüllte Flachvitrinen, von A bis Z geordnet, von „Alles aus Papier“ und „Briefe“ bis zu „XY ungelöst“ (mit alten Steckbriefen) und „Zeitung“. Da wird einem noch einmal klar, wie sehr Papier uns durch den Alltag begleitet, der ja meist mit einem Kaffeefilter beginnt. Mit Tintenfedern und Umschlägen wirft die Ausstellung einen nostalgischen Blick auf die schrumpfende Kultur des Briefeschreibens. Wird noch jeder der jungen Besucherinnen oder Besucher wissen, was und wofür eine Briefmarke gut ist?

Generell kann man hier enorm viel sehen: eine „Bravo“ aus den 1960ern, ein RAF-Fahndungsplakat aus den 1970ern, historische Verpackungen, ein Papierkleid, Lampions, Spielkarten, Geldscheine, kunstvolle Wasserzeichen-Apparaturen aus Draht und Dokumente, die man unter UV-Licht auf ihre Echtheit prüfen kann – und auch noch Pop-Up-Bücher im Foyer.

Papier kann viele Zutaten und Beigaben haben, wobei man die „Hackschnitzel“ links nicht falsch verstehen sollte.

Papier kann viele Zutaten und Beigaben haben, wobei man die „Hackschnitzel“ links nicht falsch verstehen sollte.

Foto: Tobias Keßler

Die Ausstellung widmet sich auch dem Papier als Umweltfaktor. Man erfährt, dass die Idee von neuem aus altem Papier schon im 18. Jahrhundert aufkam, wobei da Druckerschwärze mit Terpentinöl ausgewaschen wurde, was trotz Recycling nicht nach Umweltschonung klingt. Jährlich fallen laut Ausstellung in Deutschland mittlerweile rund 15 Millionen Tonnen Altpapier an – von denen werden dann um die 60 Prozent in neues Papier eingearbeitet. An einem Tisch können sich die Besucherinnen und Besucher verschiedene Verpackungen ansehen und lernen, welche tatsächlich wiederverwendbar sind und welche nicht – etwa wegen einer Beschichtung. Sinnvolles Wissen für den nächsten Einkauf.

Das Für und Wider der Papierproduktion wird in einer schönen Pro- und Contra-Ecke aufgeschlüsselt. Ja, Papier ist wichtig, schafft Arbeitsplätze, es wird viel recycelt – und doch ist der Einsatz von Chemikalien hoch. Und während in Deutschland der größte Teil der Wälder nachhaltig bewirtschaftet wird, importiert das Land fast 80 Prozent seiner Papierrohstoffe aus anderen Staaten, in denen Nachhaltigkeit keine Priorität ist. Passend dazu widmet sich eine Tafel der aktuellen Papierknappheit und der steigenden Preise – unter anderem mit der Warnung eines Lisdorfer Fast-Food-Ladens (fotografiert von Kurator Boßlet), dass es wegen Papierknappheit keine Pappbecher für die Getränke mehr gibt.

Fundstück beim Landeskriminalamt:    ein Pass aus dem „Königreich Atlantis“.

Fundstück beim Landeskriminalamt: ein Pass aus dem „Königreich Atlantis“.

Foto: Tobias Keßler

Nebenbei sieht man auch, wie kriminelle Energie und Papier zusammenfinden: Unter dem Stichwort „Fälschungen“ zeigt die Ausstellung Fundstücke vom Landeskriminalamt in Frankfurt: manche offenkundig nicht echt, etwa ein Reisepass von 2009 aus dem „Deutschen Reich“. Fast perfekt gefälscht ist eine Reihe von Fischerei-Scheinen, die allerdings wegen eines groben Fehlers auffielen und die kriminellen Angler dann doch auf dem Trockenen sitzen ließen: Die hatten sich eine Laufzeit des Dokuments auf Lebenszeit ausgestellt – das allerdings, erklärt der Kurator, gibt es nicht bei Fischereischeinen.

Im Erdgeschoss wartet das „Papierlabor“: Experimentierwillige können Papier schöpfen, es unter dem Mikroskop betrachten oder mit bizarr anmutenden Maschinen darauf hin testen, wie schwer es pro Fläche ist und wie reißfest. Auch eine Wasserwanne steht im Labor, in der man das „Seerosen-Experiment“ vollführen kann: Verschiedene Papiersorten liegen bereit, aus denen man eine Seerose falten kann. Wie werden die auf dem Wasser reagieren, je nach Saugfähigkeit? Welche Rose wird zart und zurückhaltend erblühen, welche flott – und welche wird schlicht absaufen? Papier ist ja geduldig, heißt es, aber nicht unsinkbar.

Kinderfest am Sonntag und Montag, 2. und 3. Oktober: mit Führungen, Papiertheater und Workshops. Infos unter www.deutsches-zeitungsmuseum.de
Die Ausstellung läuft bis bis 3. September 2023. Das Museum bietet für Schulklassen, Kindergartengruppen und alle anderen interessierten Gruppen ein zweistündiges Vermittlungsprogramm an. Informationen unter Tel. (0 68 34) 942 30 und buchung@deutsches-zeitungsmuseum.de.
Öffnungszeiten täglich 10 bis 16 Uhr, montags geschlossen.

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