Im Saarländischen Künstlerhaus Hintersinnige Reise an berühmte Gräber

Saarbrücken · Wie klingt‘s an den Gräbern von Komponisten? Ehrlich gesagt: nicht anders als sonst wo auch. Man vernimmt nicht immer definierbare Alltagsgeräusche, Verkehrslärm von Autos und Flugzeugen, Wind, Vogelgezwitscher und Stimmen; vielleicht noch Glockengeläut und das Stochern einer grabpflegenden Harke.

Das macht das Audio-Ritual „Am Grabe“ (benannt nach einem Werk Anton Bruckners) der beiden Klangkünstler Stefan Fricke und Alper Maral in gewisser Hinsicht beliebig – eine akzidentelle, dem Zufall geschuldete Willkür, die Fricke am Donnerstag bei seiner Leseperformance im Saarländischen Künstlerhaus, begleitend zur gleichnamigen Klanginstallation, auch einräumte: „Am Grabe“, sagte Fricke, „ist ein Work in Progress – eine nicht enden sollende Collage von Hommagen.“ Anders formuliert: Solange Tonkünstler sterben, lässt sich die Reihe wahllos fortsetzen.

Was die Performance dennoch besonders macht, ist der mal heitere, mal lakonische, mal trocken dokumentarische Tonfall, mit dem die Ergebnisse der Forschungen präsentiert werden. Seit einigen Jahren sucht das Duo einschlägige Friedhöfe auf und mischt die dort gemachten akustischen Moment-Aufnahmen mit authentischen Ton-Sprengseln aus dem verbalen Nachlass der Verstorbenen sowie mit eigenen und fremden Texten.

So entsteht, in Form einer mehrkanaligen Installation mit dezent kommentierender, kulturhistorischer Meta-Ebene, eine Klangort-Reise, in die neben Selbstzeugnissen, Anekdoten und Makaberem bislang etwa 50 Mikrofonierungen einflossen – gewonnen an den letzten Ruhestätten und aus dem Zitat-Erbe von B wie Bach, Beethoven und Berlioz bis W wie Anton Webern. Besonders John Cage kommt oft zu Wort.

Hören wollten das leider nur wenige Zuhörer, die sich im – thematisch passenden – unterirdischen Studio Blau versammelten, wo sie auf Klappstühlen zwischen 40-Liter-Säcken mit „gebrauchsfertig aufgedüngter“ Graberde hockten – hierin erschöpfte sich die visuelle Sensation. Dass die Lautsprecher zwischen den zu Haufen aufgetürmten Säcken versteckt waren, erwies sich als nicht optimal: Einige Membranen rieben sich an der Folie und ließen vor allem Standort-Ansagen vom Band verzerrt klingen. Unglücklich auch, dass Fricke, der wegen einer Erkrankung seines angekündigten Mitperformers Jim-Igor Kallenberg alleine las, mitunter sehr schnell und ausgerechnet oft dann viel Text vortrug, wenn die Geräuschkulisse gerade besonders laut war – da ging vieles unter.

Die hintersinnigen Anagramme aus Graberde und Grabrede, Komposition und Kompost immerhin drangen durch; ebenso, dass im Jahre 2016 ein unbekannter Verehrer die Inschrift „Hier ruht in Gott“ auf Pierre Boulez‘ provisorischem Holzkreuz mit Filzstift zu „Hier ruht ein Gott“ korrigierte. Auch die kolportierte Odyssee von Haydns Schädel hatte eine gewisse Komik.

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