Arvid Boecker-Schau in St. Wendel Ein Farbfeldspiel in Serie

St. Wendel · Das Museum St. Wendel zeigt eine außergewöhnliche Ausstellung zur Konkreten Kunst von Arvid Boecker.

 Blick auf eine Ausstellungswand im Museum St. Wendel mit den Werken von Arvid Boecker.

Blick auf eine Ausstellungswand im Museum St. Wendel mit den Werken von Arvid Boecker.

Foto: Bülent Gündüz

Gleich zwei Ausstellungen in einer vereint das Museum St. Wendel mit einer Übersicht über die Konkrete Kunst der vergangenen 15 Jahre im Mia-Münster-Haus. Da ist zum einen die Ausstellung mit 33 Werken von Arvid Boecker aus den vergangenen beiden Jahren. Aber der Maler ist auch eifriger Sammler und zeigt einige der gehorteten Preziosen aus seinem Depot. Boecker kauft die Arbeiten nicht, er tauscht sie mit anderen Künstlern, deren Arbeit er schätzt. So hat er sich in den vergangenen Jahren eine ansehnliche Sammlung zusammengetragen, die einen großartigen Einblick in die Arbeit von Künstlern ermöglicht, die nach ähnlichen Maßstäben wie Boecker arbeiten. Inzwischen betreibt der Wahl-Heidelberger außerdem einen nicht-kommerziellen Ausstellungsraum in seinem Wohnort, in dem Arbeiten von Künstlern aus seinem weltweiten Netzwerk zu sehen sind.

Arvid Boecker wurde 1964 in Wuppertal geboren, begann ein Chemiestudium, dann ein Studium der Kunstgeschichte in Trier und wechselte an die HBK Saar, wo er bei dem Maler Bodo Baumgarten, dem Konzeptkünstler Jochen Gerz und der Video- und Performance-Künstlerin Ulrike Rosenbach freie Kunst studierte. Die Lehrer prägten den jungen Künstler nachhaltig. Baumgarten kam aus der Konkreten Kunst, allerdings schuf er raumgreifende Objekte. Von Gerz und Rosenbach übernahm er vor allem das Konzeptuelle und die Hinterfragung des Kunstbegriffs.

Boeckers Kunst kann man der Farbfeldmalerei zuordnen, die sich 1950 aus dem Abstrakten Expressionismus entwickelte und sich durch großflächige, homogen gefüllte Farbfelder auszeichnet. Bei Boecker sind die mit Raute und Nummer betitelten Werke derzeit meist 50 mal 40 Zentimeter groß und in zwei vertikal ausgerichtete Felder unterteilt. Ein kluger Schachzug, weil es eine Assoziation mit Landschaften ausschließt. In einem prozesshaften Malakt schiebt der Maler mit dem Rakel Schicht um Schicht der Ölfarbe über die Leinwand und entfernt sie gelegentlich partiell. Unterschiedliche Trocknungszeiten sind dabei entscheidend und der richtige Moment wesentlich, sonst war die Arbeit umsonst. Mal ist das Farbfeld opak, dann wieder lässt es die unteren Schichten durchschimmern, ganz durchbrechen oder sich vereinen. Häufig ist der Entstehungsprozess durch die Schlieren erkennbar, manchmal sind grobmaschige Strukturen auffällig, bei denen Boecker Kunststoffnetze in die Farbe gedrückt hat. Ein anderes Mal ist die Farbe so pastos aufgetragen, dass sie Risse zeigt oder über den Rand des Bildes ragt.

Durch die geometrische Abstraktion enthebt Boecker das Bild jeglichen Inhaltes und macht es zum Objekt. Die Gemälde sind pure Malerei ohne gegenständlichen Bezug zur Wirklichkeit. Durch Harmonien und Disharmonien in Farbwahl und Farbauftrag entsteht ein räumliches Bildkonstrukt mit einem Davor und einem Dahinter. Im besten Falle beginnen die Farben ein Spiel miteinander und erzeugen in jedem Bild einen eigenen Rhythmus. Boecker arbeitet dabei stark seriell und meist an mehreren Bildern gleichzeitig. Malen wird bei ihm zum fortdauernden Prozess des Überlegens und Abwägens, des Malens und Übermalens, des Korrigierens und Vertiefens.

Im anderen Saal zeigt das Museum eine Auswahl von 46 Werken aus Boeckers Sammlung, welche die ganze Vielfalt der Konkreten und abstrakten Kunst aufzeigt. Malerei, Tuschezeichnungen, sogar ein paar skulpturale Arbeiten und eine mannigfaltige Auswahl an Techniken werden da gezeigt. Mal ist es ein Spiel mit der Form, dann mit dem Material und der Oberfläche. Das reicht vom zarten „Shift“, bei dem der US-Amerikaner Steven Baris mit Kunstharz geometrische Formen auf eine Folie aufbringt, über Deb Covells gefaltete Acrylfarbe bis zu Monika Radjoff-Trolls Objekt aus recycelten Plastikstreifen oder Jürgen Knubbens „Linze“, eine Linse aus Cortenstahl. Im Flur des Hauses zeigt Kuratorin Cornelieke Lagerwaard dann eine Gegenüberstellung von Boecker und einigen Arbeiten aus der Sammlung, die ein bisschen kurz gerät, was wohl dem Platzmangel des Museums geschuldet ist. Vorbildlich ist der kostenlose Eintritt, in dem sogar ein Katalog inbegriffen ist.

 Der Künstler Arvid Boecker

Der Künstler Arvid Boecker

Foto: Sabine Arndt

Ausstellung „Free – Breathe“, Museum St. Wendel, bis 18. August 2019

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