5. Urban Art Biennale Weniger ist diesmal tatsächlich mehr

Völklingen · Die Saisoneröffnung der Völklinger Hütte startet an diesem Wochenende mit der 5. Urban Art Biennale. Flaniert man durch die Ausstellung, fällt vor allem eines auf: Die Urban Art wird ernsthafter und nimmt inzwischen viele Impulse aus der „klassischen“ Kunst auf.

Weltkulturerbe Völklinger Hütte: UrbanArt Biennale wird am 14. April eröffnet
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„UrbanArt Biennale“ in der Völklinger Hütte wird am Sonntag eröffnet

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Foto: Weltkulturerbe Völklinger Hütte/Hans-Georg Merkel

Die Urban Art wird erwachsen. Was als revolutionäre Graffiti-Kunst in den Straßen von New York, London und Paris begann, hat sich längst zu einer weltweiten Kunstbewegung aufgeschwungen, die ernst genommen werden will. Das beweist die am Sonntag beginnende 5. Urban Art Biennale in der Völklinger Hütte deutlich.

 Längst haben sich viele Protagonisten von der Straße weitgehend verabschiedet und die Galerien erobert. Nicht nur, weil man hier Geld verdienen kann, sondern im Atelier den Limitierungen der Straße entgeht. Zwar bleiben urbanes Leben und die Sprühdose wichtige Elemente, doch Leinwand und Papier haben Mauern und Beton abgelöst, und auch die Sprühdose ist nicht mehr unbedingt bevorzugtes Material.

 Flaniert man durch die Ausstellung, fällt vor allem eines auf: Die Szene wird ernsthafter und nimmt inzwischen viele Impulse aus der „klassischen“ Kunst auf. Im Mittelpunkt stehen nicht mehr fröhlich bunte Schriftzüge als Rebellion gegen das Establishment, sondern die Höhen und Tiefen des Lebens, gesellschaftliche Themen, aber auch formale Fragen der Malerei werden wichtiger. Auffällig ist, dass sich weniger Künstler mit der Abstraktion beschäftigen und auch die sozialkritischen Motive immer seltener werden. Einer der wenigen in diesem Bereich ist der Spanier Pejac mit einer verstörenden Szenerie, in der Menschen einen brennenden Polizisten begaffen. Auch der Norweger Pøbel übt subtile Kritik, wenn er einen der letzten Fischer Norwegens porträtiert. Es ist ein Denkmal für ein untergehendes Handwerk und eine Region, die sich im Niedergang befindet.

 Zweifellos ist die diesjährige Urban Art Biennale deutlich besser als die letzte von 2017. Kurator Frank Krämer und Generaldirektor Meinrad Maria Grewenig stopfen die Möllerhalle nicht mehr vermeintlich wahllos voll, sondern legen erkennbar mehr Wert auf Qualität. Statt 150 hat man diesmal nur 120 Werke von 100 Künstlern gehängt. Diese Reduzierung ist kein Makel. Es lässt den Werken mehr Raum und dem Betrachter die Ruhe zum Schauen. Eine solche Biennale dauerhaft etablieren zu wollen, ist nicht ohne Risiko, denn der Kreis der Künstler von Weltrang ist begrenzt und damit die Gefahr der Wiederholung groß. Umso erstaunlicher ist es, dass keine Langeweile aufkommt. Auch wenn man Namen wie Jean Faucheur, MonkeyBird, Shepard Fairey und Mist jedes Mal sieht, ist es spannend, ihre Weiterentwicklung zu verfolgen und sie immer wieder in neuem Kontext zu sehen. Aber auch noch nicht gezeigte Künstler präsentiert Kurator Frank Krämer. Besonders stolz ist er auf ein Werk von Miss Van, die als eine der wenigen weiblichen Stars der Urban Art gilt. Im Cartoon-Stil bevölkern ihre skurrilen „leichten Mädchen“ in immer neuen Maskeraden urbane Räume und Landschaften. Zum ersten Mal dabei ist auch die Crew von „Rocco und seine Brüder“. Die Berliner erregten vor einigen Jahren Aufmerksamkeit mit einem nächtlich aufgestellten Wohn- und Schlafzimmer in einem U-Bahn-Tunnel. In Völklingen zeigen sie eine der alten Litfasssäulen Berlins, die gerade aus dem Stadtbild verschwinden. Auf der Säule leuchtet ein höhnisch grinsendes Icon, darunter verkündet die Gruppe: „Error 404 – Not found“.

 Die Biennale bietet in diesem Jahr mehr als einen Überblick über aktuelle Tendenzen. Martha Cooper und Nika Kramer zeigen den Film „Evolution of a Revolution“ und verfolgen die Entwicklung der Urban Art von 1978 bis 2018. Dazu passt ein Werk des inzwischen verstorbenen Rammellzee aus dem Jahr 1995, dessen verrückt-komische Performances legendär sind. Von Banksy-Freund Dran stammt eine Papierarbeit von 1998 mit einem etwas hilflos dreinschauenden Kind, das mit einer toten Ratte spielt. Viele Werke wurden wieder eigens für die Biennale geschaffen. Eine der schönsten Arbeiten hat Katre in einem kleinen Arbeitsraum auf dem Gelände des „Paradieses“ geschaffen. Der Franzose positioniert eine großformatige Fotografie eines Industrieraumes geschickt in einer Ecke und greift mit Leuchtstoffröhren und Holzstäben die perspektivischen Linien des Fotos auf. So überführt er das Bild in den dreidimensionalen Raum und verbindet es mit diesem.

 Mit dem Ausscheiden von Meinrad Maria Grewenig im Juni steht auch die Urban Art Biennale zur Disposition. Ob sein Nachfolger die Reihe weiterführen wird, ist ungewiss. Für Grewenig steht fest: „Die Urban Art passt wie kaum ein anderes Ausstellungsprojekt in die Völklinger Hütte und jeder, der sich dem verschließt, ist an der Zeit vorbeigegangen.“ Schon die hervorragenden Besucherzahlen der letzten Jahre dürften die neue Leitung von einer Fortsetzung überzeugen.

  Eine von mehreren Installationen des Berliner Künstlerkollektivs Mentalgassi im Weltkulturerbe Völklinger Hütte, hier eine Metallbrücke.

Eine von mehreren Installationen des Berliner Künstlerkollektivs Mentalgassi im Weltkulturerbe Völklinger Hütte, hier eine Metallbrücke.

Foto: Diverse
 Eine Installation des französischen Künstlers Katre.

Eine Installation des französischen Künstlers Katre.

Foto: Bülent Gündüz

 Die Urban Art Biennale startet am Sonntag um 10 Uhr im Rahmen der Saisoneröffnung in der Völklinger Hütte. Neben Musik und einer akrobatischen Tanzperformance (ab 15 Uhr) wird der spanische Urban-Art-Künstler SpY in einer pyrotechnischen Performance die Schlote der Völklinger Hütte wieder zum Qualmen bringen.

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