Adidal Abou-Chamat im Künstlerhaus Entlarvung statt Belehrung, Fragen statt Antworten

Saarbrücken · Das Saarländische Künstlerhaus zeigt einen spannenden Werküberblick der deutsch-syrischen Künstlerin Adidal Abou-Chamat.

 Eine der Arbeiten der Saarbrücker Ausstellung.

Eine der Arbeiten der Saarbrücker Ausstellung.

Foto: Adidal Abou-Chamat

Ist eine verschleierte Frau mit bloßen Brüsten eine Provokation? Als die deutsch-syrische Künstlerin Adidal Abou-Chamat vor einigen Jahren ein solches Foto in einer Berliner Galerie ausstellte, hagelte es Proteste. Die Besucher der nahegelegenen Moschee fühlten sich beleidigt und verlangten einen Abbruch der Ausstellung. Die Galerie verhängte daraufhin ihre Fenster.

Abou-Chamat möchte nicht provozieren um der Provokation Willen. Sie möchte aber schonungslos zeigen, worum es ihr geht. Die in Bayern lebende Künstlerin beschäftigt sich in ihren Fotografien, Videos, Zeichnungen und Installationen intensiv mit Fragen nach Identität und arbeitet sich am Rollenverständnis der Frau in der islamischen und der westlichen Welt ab. Sie hinterfragt die Stereotypen der Frau als Gebärmaschine, Sexualobjekt und Soldatin.

Etwa wenn sie zwei Frauen in Nikab und Abaya vollverschleiert Tango tanzen lässt. Verhüllte Erotik und Leichtigkeit des Tanzes erzeugen eine eigentümliche Spannung, die sich nicht auflösen lässt. Noch stärker ist „Dreaming of“, das als Fotoserie und Videoarbeit existiert. Abou-Chamat verschleiert eine Balletttänzerin und lässt sie klassische Ballettposen tanzen. Auch hier entsteht ein spannungsgeladener Eindruck aus der Verschleierung, den restriktiv-normierten Bewegungsabläufen und den femininen Posen.

Antrieb für Abou-Chamats künstlerische Arbeit ist ihre Biografie und ihr Grenzgängertum zwischen europäischer und arabischer Kultur. Doch sie arbeitet sich nicht an ihrer Biografie ab, sondern nutzt eigene Erfahrungen, um allgemeine Fragen aufzuwerfen. Das zeigt die Zeichnungs- und Collagenserie „Shifting Lines“: Versatzstücke, Gedanken und Bildfragmente auf Aluplatten.

Die Themen der Künstlerin sind geprägt vom Wandeln zwischen den Kulturen. In Deutschland als Tochter einer Deutschen und eines Syrers geboren, lebte Abou-Chamat mit ihrer Familie einige Jahre im Nahen Osten, bevor die Mutter genug von den gesellschaftlichen Restriktionen hatte, denen sie sich ausgesetzt sah. Die Familie kam zurück nach Deutschland. Abou-Chamat besuchte hier die Schule, machte Abitur, studierte Ethnologie und anschließend Bildende Kunst. Ihre Jugend war geprägt von der Auflehnung gegen den konservativen syrischen Vater und der Suche nach einer eigenen Identität zwischen den Kulturen. Das beschäftigt die Künstlerin bis heute.

So verwundert es nicht, dass ihre Arbeiten immer auch Reflexionen zu kultureller Identität und der Frage nach Fremdem und Vertrautem sind. Abou-Chamat seziert Formen von kultureller Dominanz, von Marginalisierung und Stigmatisierung, die ihre Protagonistinnen durch Herkunft, Hautfarbe, Habitus oder Kleidung erleben. Mechanismen der Ausgrenzung und Diskriminierung legt sie beharrlich offen.

In den Arbeiten prangert sie immer wieder Rassismus und Kolonialismus an und entlarvt gängige Klischees, ohne dabei belehrend zu werden. Etwa wenn sie ein eritreisch-stämmiges Mädchen aus einem bayrischen Dorf zeigt und es eine Kerze halten lässt, die Abou-Chamat auf einem Flohmarkt fand: die Figur einer schwarzen Frau, die mit knappem Höschen und leuchtendroten Lippen und Brustwarzen verführerisch dreinschaut. Was auf den ersten Blick lustig wirkt, lässt den Betrachter mit Beklemmungen zurück.

Bis 5. Januar – an diesem Tag gibt es um 16 Uhr ein Gespräch mit Abou-Chamat.

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