Neue Schau in Saarbrücken Saarlands Künstler vor ihrem Durchbruch

Saarbrücken · Nach 50 Jahren zeigen 18 ehemalige Studierende der Saarbrücker Werkkunstschule ihre Frühwerke in der Galerie der HBK Saar.

 Hätte man Volker Löschs Pläne umgesetzt, würde die Saarbrücker Bahnhofstraße heute so aussehen: Der Künstler erdachte sie 1970 autofrei, aber auch mit Sonnensegel, großem Wasserbassin und vielen Bäumen.

Hätte man Volker Löschs Pläne umgesetzt, würde die Saarbrücker Bahnhofstraße heute so aussehen: Der Künstler erdachte sie 1970 autofrei, aber auch mit Sonnensegel, großem Wasserbassin und vielen Bäumen.

Foto: Foto: Ingeborg Knigge/Ingeborg Knigge

Es ist ein ungewöhnliches Projekt: 18 ehemalige Studierende der Saarbrücker Werkkunstschule aus dem Jahrgang 1970 haben sich zusammengefunden, um ein halbes Jahrhundert nach ihrem Studienbeginn eine Ausstellung zu initiieren, die frühe Arbeiten vorstellt. Darunter sind die Künstler Werner Constroffer und Doris Hinzen-Röhrig, Designer und Architekt Jürgen de Giuli, Designer und Innenarchitekt Pierre Grün und 14 weitere Absolventen.

Es ist ein spannender Querschnitt geworden, der nicht nur die gestalterische und künstlerische Praxis in den frühen 1970er-Jahren beleuchtet, sondern auch die Fragestellungen in Kunst und Design jener Jahre darstellt und ein Stück Regional- und Designgeschichte.

Die Hochschule der Bildenden Künste Saar hat eine lange und abwechslungsreiche Geschichte. Alles begann 1924 mit der Staatlichen Kunst- und Kunstgewerbeschule, dann folgte nach dem Zweiten Weltkrieg die Staatliche Saarländische Schule für Kunst und Handwerk, die 1959 kurz in Staatliche Werkkunstschule umbenannt wurde. Legendäre Lehrer unterrichteten hier: Boris Kleint, Frans Masereel, Otto Steinert, Sofie Dawo, Siegbert Gölzer und Oskar Holweck. Immer wieder gab es in den 1950er- und 1960er-Jahren Pläne, die Schule zu schließen oder neu zu organisieren. 1970 kam dann das Aus für die Werkkunstschule. Das Institut wurde im folgenden Jahr als Fachbereich Design in die neue Fachhochschule des Saarlandes eingegliedert und erst 1989 wieder zur eigenständigen Hochschule für Bildende Kunst.

Die Werkkunstschulen besaßen keinen Hochschulstatus, waren aber anerkannte Institutionen, die für spezielle Berufsziele ausbildeten. Es gab Klassen für Grafikdesign, Innenarchitektur, Textildesign, Produktdesign und Fotografie. Die Ausstellung „Das Ende einer Ära“ in der Galerie der HBK Saar zeigt nun einen Querschnitt durch die Fachbereiche. Es beginnt mit der Grundlehre bei Oskar Holweck, die der legendäre Kunstpädagoge viele Jahre lehrte. Diese Grundausbildung in Gestaltungslehre mit Werk- und Materialkunde beeinflusste Generationen von Künstlern und Designern nachhaltig und führte dazu, dass sich viele Künstler an der Saar der Konkreten oder abstrakten Kunst zuwendeten. Eine ganze Wand ist in der Schau Holwecks Lehre gewidmet und zeigt seine Ideen besser, als es jedes Lehrbuch könnte. Hell-Dunkel-Kontraste und Farbstudien sollten die Studierenden zum „Sehen“ an- und zum Experimentieren verleiten.

Im Bereich Textildesign lehrte Sofie Dawo. Man bemerkt schnell, dass die Lehrerin mehr als Designerin war und den meist weiblichen Studierenden die malerischen und skulpturalen Möglichkeiten des Materials näherzubringen versuchte. Das alles wirkt erstaunlich modern, was vor allem daran liegen dürfte, dass Muster und Farben der 1970er Jahre gerade ein Revival erleben und so mancher Vorhang auch heute bei Ikea verkauft werden könnte.

Die Grafikklasse zeigt vor allem Illustrationen wie die noch ein wenig unbeholfen wirkenden Zeichnungen und Studien von Werner Constroffer, der heute zu den besten Künstlern des Landes gehört. Beeindruckend auch die technischen Reinzeichnungen, die außerordentlich präzise ausgeführt werden mussten. Beispielhaft wird eine Schraube mit der Berechnung der Maße gezeigt. Daneben Entwürfe von Plakaten, Briefmarken und Landkarten. Die Innenarchitekten zeigen Pläne und Möbelentwürfe.

Spannend ist ein Modell der Bahnhofstraße aus dem Fachbereich Produktdesign. Es belegt, wie schon Anfang der 1970er Jahre über eine autofreie Innenstadt diskutiert wurde. Volker Lösch machte die Bahnhofstraße zu einem liebenswerten Ort, der ein wenig an einen Safaripark erinnert. Ein riesiges Sonnensegel schützt die Passanten, die über einen breiten Weg flanieren. Ein großes Wasserbassin sorgt für Urlaubsatmosphäre, viele Bäume begrünen die Flaniermeile. Sechseckige Pavillons wuchern über die Straße und auf die Gebäude der Straßenschlucht. Eine Hängebrücke verbindet zwei gegenüberliegende Gebäude. Schön hätte es werden können.

  Marie-José Gamel entwarf damals Dekostoffe, die heute wieder modern anmuten.

Marie-José Gamel entwarf damals Dekostoffe, die heute wieder modern anmuten.

Foto: Marie-José Gamel
  Hans-Joachim Grötchel setzte beim Sitzen auf Funktionalität.

Hans-Joachim Grötchel setzte beim Sitzen auf Funktionalität.

Foto: HBK Saar

Ausstellung „Das Ende einer Ära“, noch bis zum 9. November; geöffnet dienstags bis freitags von 17 bis 20 Uhr, samstags von 12 bis 18 Uhr; zusätzliche Termine nach Vereinbarung.

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