Drogen-Hochburg Saarland Entsteht tödlicher Rausch bei Schichtarbeit?

Saarbrücken · Die Hiobsbotschaften für den Drogenbeauftragten der CDU/SPD-Landesregierung, Stephan Kolling (CDU), reißen nicht ab. Nachdem kürzlich zwei Studien dem Saarland bescheinigten, beim Amphetamin-Konsum europaweit Spitzenreiter zu sein, steht seit Mittwoch fest: Auch beim Anstieg der Zahl der Drogentoten ist das Saarland im Bundesvergleich trauriger Rekordhalter.

 Zoll und Staatsanwaltschaft präsentieren auf unserem Archivfoto einen großen Amphetaminfund in Trier.

Zoll und Staatsanwaltschaft präsentieren auf unserem Archivfoto einen großen Amphetaminfund in Trier.

Foto: dpa/Thomas Frey

Während in Deutschland die Zahl der Drogentoten 2018 im Vergleich zum Vorjahr stagnierte, nahm sie im Saarland 2018 im Vorjahresvergleich um knapp 30 Prozent auf 35 zu. Und Kolling weiß, dass diese Zahl auch über 40 Toten hätte liegen können, wenn nicht Ärzte im Saarbrücker Drogenhilfezentrum Abhängigen in Notsituationen Naloxon zum Abbau der Opioid-Konzentration im Körper verabreicht hätten. „Dieses Naloxon-Projekt ist auf das Drogenhilfezentrum beschränkt, weil dort die Konsumenten harter Drogen ankommen“. sagte Kolling der SZ. Man wolle Erfahrungen sammeln, das Projekt weiterführen und ausbauen.

Es gelte jedoch, die Drogen-Präventation in der Fläche über Saarbrücken hinaus auszubauen. So solle das Projekt Wiesel im Landkreis Neunkirchen, das Familien und Kindern von Drogenabhängigen hilft, auf andere Landkreise ausgeweitet werden, sagte Kolling. Die Suchtberatungsfachstellen in den Kommunen sollten ihr Leistungsangebot auf das Thema Amphetamin-Sucht im Arbeitsleben ausdehnen, meinte der Gesundheitsstaatssekretär aus St. Wendel. „Wir glauben, dass die Amphetamin-Problematik mit dem Leistungsdruck in der Arbeitswelt zusammenhängt“, betonte Kolling. Er wolle verstärkt mit den Arbeitgeberverbänden, der Handwerkskammer, der Industrie- und Handelskammer und den großen Industrieunternehmen versuchen, Lösungsstrategien zur Bekämpfung der Einnahme von Aufputschmitteln zu entwickeln. „Das ist ein Thema der Schichtarbeit, die wir in der Saar-Industrie haben“, sagte Kolling. Da müsse man fit und leistungsfähig sein. Studienergebnisse zeigten, dass es einen Zusammenhang gebe zwischen der Einnahme aufputschender Drogen und industrieller Schichtarbeit.

Ob unter der Drogentoten 2018 auch Schichtarbeiter gewesen sind, könne er noch nicht sagen. „Das müssen wir klären im Gutachten der Rechtsmedizin, das wir in Auftrag gegeben haben.“ Die Homburger Rechtsmedizin untersucht demnach 1600 Fälle von Saarländern, die in den vergangenen zwei Jahren mit Amphetamin im Blut aufgefallen sind. Das sei eine gigantische Arbeit. „Das Ergebnis wird Anfang nächsten Jahres vorliegen“, sagte Kolling.

Zur Neuaufstellung des Drogenhilfezentrums Saarbrücken erklärte Kolling, dass sich der Expertenbeirat, Vertreter der Saarbrücker Stadtverwaltung und des Gesundheitsministerium in einer Arbeitsgruppe getroffen hätten. Es gelte die Frage zu klären, ob es alternative Standorte gebe. Derzeit befindet sich das Drogenhilfezentrum in der Saarbrücker Brauerstraße in fußläufiger Entfernung zum Stadtzentrum an der Johanneskirche. Zudem solle festgestellt werden, welche zusätzlichen Hilfen für Familien, Alleinerziehende, Kinder und Ältere im Drogenhilfezentrums angeboten werden könnten. Dabei gehe es auch um Arbeitsmaßnahmen und Drogenersatzangebote.

Noch sei nicht entschieden, ob das Drogenhilfezentrum innerhalb Saarbrückens verlegt werde, erklärte Kolling. Im Januar hatte der Landesdrogenbeauftragte eingeräumt, dass es bei einer Standortverlegung mit großer Sicherheit zu Konflikten mit den neuen Anrainern kommen werde.

„Ich hoffe, dass wir bis Ende 2019 ein Ergebnis haben, wie es mit dem Drogenhilfezentrum weitergeht“, sagte Kolling.

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