Debatte über Bürgerversicherung Saar-Ärzte: Patienten werden aufgehetzt

Saarbrücken · KV-Chef Hauptmann warnt vor der Bürgerversicherung – und rechnet fest mit Apple und Amazon im Gesundheitswesen.

 Niedergelassene Ärzte erhalten von den privaten Kassen höhere Honorare als von den gesetzlichen. Hat das bald ein Ende? Die Kassenärzte im Saarland warnen vor einer einheitlichen Gebührenordnung und sehen die Gesundheitsversorgung in Gefahr.

Niedergelassene Ärzte erhalten von den privaten Kassen höhere Honorare als von den gesetzlichen. Hat das bald ein Ende? Die Kassenärzte im Saarland warnen vor einer einheitlichen Gebührenordnung und sehen die Gesundheitsversorgung in Gefahr.

Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Rechtzeitig zum Neujahrsempfang der saarländischen Ärzteschaft hat die Politik in Berlin ein Thema wieder auf die Tagesordnung gesetzt, das vielen niedergelassenen Medizinern sauer aufstößt: die Bürgerversicherung. Zwar wird die SPD in den Koalitionsverhandlungen ein Ende der Privaten Krankenversicherung nicht durchsetzen können. Doch CDU-Politiker bieten bereits an, als Kompromiss die Arzt­honorare von gesetzlichen und privaten Kassen zu vereinheitlichen.

Der Vorstandschef der Kassen­ärztlichen Vereinigung (KV) Saar, Dr. Gunter Hauptmann, warnt vor einer solchen Politik. Beim Empfang von KV und Ärztekammer forderte er am Mittwochabend in der Saarbrücker Congresshalle: „Hände weg von der Bürgerversicherung und der einheitlichen Gebührenordnung!“ Wenn sich die Politik „weiterhin nahezu ausschließlich auf Meinungen und Vorschläge sogenannter Berater verlässt, werden wir ohne Not unser weltweit einzigartiges Gesundheitswesen mit Zugang für jedermann zu jeder Leistung zur Disposition stellen – getreu dem Motto: Wenn es dem Esel zu wohl wird, dann geht er aufs Eis tanzen“.

Hauptmann beklagte, die Patienten seien in der Diskussion um eine angebliche Zwei-Klassen-Medizin „aufgehetzt“ worden. „Die Beschwerden, die uns seit Beginn der wieder geführten Diskussion erreichen, haben inzwischen einen Ton erreicht, der sehr zu wünschen übrig lässt.“ Es gebe abstruse Beschwerden, auf die dann auch noch die Presse aufspringe. „Die meisten Beschwerdebriefe enden zurzeit mit der Aufforderung, endlich die Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland zu beenden und es den Ärzten endlich mal zu zeigen“, sagte Hauptmann.

Er deutete beim Thema Wartezeiten und Terminvergabe aber Änderungen an. Die Politik erwarte von den Ärzten, dass sie dieses Thema „irgendwie abräumen“. Im Saarland gebe es Lösungen mit der dringlichen Überweisung und mit der Terminservicestelle der KV, erläuterte Hauptmann. Dies funktioniere. Jetzt müssten die Ärzte noch für die Fälle, die von diesen Regelungen nicht erfasst würden, eine angemessene Lösung überlegen. Er habe schon Vorstellungen, wolle die aber erst mit den Berufsverbänden und in den KV-Gremien diskutieren.

Eine andere Baustelle der niedergelassenen Ärzte ist die Sorge, dass nicht mehr jede Praxis nachbesetzt werden kann. Nach den Worten von Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) erreicht fast ein Drittel aller Vertragsärzte in den nächsten fünf Jahren das 65. Lebensjahr. Schon jetzt seien 33,5 zusätzliche Niederlassungen als Hausarzt im Saarland möglich, es fehlten jedoch Interessenten. Bachmann erinnerte an das Landarztförderprogramm des Landes (2017 sechs Förderungen) sowie an das Stipendienprogramm für Medizinstudenten, die sich als Hausärzte im Saarland niederlassen wollen (2017 vier Studenten).

Der Nachwuchsmangel wird auch Folgen für die Patienten haben: „Trotz aller gemeinsamer Anstrengungen müssen wir die Bevölkerung darauf vorbereiten, dass die Versorgung anders werden wird“, sagte Hauptmann. „Sie wird medizinisch zwar nicht schlechter werden, doch werden die Wege zur nächsten Arztpraxis weiter.“

Neue Herausforderungen sieht Hauptmann durch Amazon, Google, Facebook und Apple auf die Ärzte zukommen. Apple habe im August 2017 ein Patent für ein Smartphone angemeldet, das Blutdruck, Puls, Körperfettanteil, Sauerstoffsättigung des Blutes und Körpertemperatur messen sowie ein EKG durchführen könne. Amazon baue eine Gesundheitsplattform auf, die ganz einfach Zugang zu hochwertigen Online-Sprechstunden bieten werde. Zielrichtung seien zunächst junge Patienten, die für eine Vielzahl von gängigen Erkrankungen nicht mehr das Haus verlassen müssten, wenn sie zum Arzt gehen.

 KV-Chef Gunter  Hauptmann klagt über den Ton mancher Patienten- Beschwerde.

KV-Chef Gunter Hauptmann klagt über den Ton mancher Patienten- Beschwerde.

Foto: Peter Kerkrath

Hauptmann sagte, die deutsche Arztseele habe eine Eigenheit: „Alles Neue empfindet sie als Bedrohung und geht erst einmal auf Abwehr. Nach dem Motto: Egal was es ist, ich bin dagegen.“ Die Patienten hätten die neuen sozialen Medien dagegen längst für sich entdeckt und auch keine Berührungsängste. Hauptmann appellierte an seine Kollegen: E-Health könne auch eine Lösung sein, Ärzte zu entlasten und ihnen Freiräume zu verschaffen. Freiräume, die es ihnen ermöglichen würden, sich intensiver um schwer erkrankte Menschen zu kümmern.

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