Ringen um Altschulden beginnt

Saarbrücken · Der riesige Schuldenberg des Saarlandes verursacht Zinskosten, die eine Sanierung des Haushalts kaum mehr möglich machen. Die Regierung setzt auf einen Altschuldenfonds, doch Länder wie Bayern mauern.

Zwei Kennzahlen des saarländischen Haushaltes machen auf die Schnelle deutlich, warum der Schuldenberg von über 13 Milliarden Euro zu einem richtigen Problem geworden ist. Zum einen wird Finanzminister Stephan Toscani (CDU) in diesem Jahr 500 Millionen Euro für Zinsen zahlen, das Geld fehlt für dringend nötige Investitionen. Zum anderen muss er 436 Millionen Euro neue Schulden aufnehmen. Ohne die Altschulden und die daraus resultierenden Zinskosten sähe die Lage viel rosiger aus; manche Diskussionen über einen Verlust der Eigenständigkeit des Landes erübrigten sich.

Ein sogenannter Altschuldenfonds gilt in der Landespolitik inzwischen als Voraussetzung dafür, dass das Land die Schuldenbremse packen kann: einen ausgeglichenen Haushalt bis zum Jahr 2020. "Am Ende des Weges muss eine Lösung der Altschulden stehen", sagte Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) bei der Haushaltsdebatte des Landtages im Dezember. Finanzminister Toscani sieht darin nach dem Aufbau Ost "eine neue nationale Aufgabe". Es ist eine der wenigen politischen Fragen, bei der sich alle fünf Landtagsfraktionen weitgehend einig sind.

Bereits in der Föderalismus-Kommission II (FöKo), in der Vertreter von Bund und Ländern von 2007 bis 2009 die Schuldenbremse entwickelten, hatten sich die finanzschwachen Bundesländer wie das Saarland vehement für eine Altschuldenregelung eingesetzt. Ihr Argument: Solange große Teile der eigenen Einnahmen zur Bedienung der Zinsen aus den Altschulden aufgewendet werden müssten, sei ein ausgeglichener Haushalt nicht erreichbar. "Selbst wenn in meinem Bundesland kein Beamter mehr eingestellt, kein Theater mehr subventioniert und kein Museum mehr betrieben würde", sagte der damalige saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) am 13. September 2007.

Bei einem Altschuldenfonds geht es im Kern um eine Umverteilung der Schuldenlast und damit der Zinslast mit dem Ziel, die Schuldenberge der Länder zu reduzieren. Der Gedanke eines Fonds ist, dass alle Bundesländer (je nach Modell auch die Kommunen) ihre Altschulden in einem Fonds zusammenfassen, der dann - mit günstigeren Kreditkonditionen als die einzelnen Länder - die Zinszahlungen übernimmt. Nach den Vorstellungen der Saar-Regierung könnte für diese Zahlungen das Aufkommen des Solidaritätszuschlags genutzt werden, der bislang allein dem Bund zusteht. 2009 war eine solche Lösung in der FöKo II (noch) nicht möglich. Ein "nice try", also ein netter Versuch, sei die Forderung nach einer Beteiligung des Bundes in Form des "Solis", rief der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) etwas gereizt in die Runde. Der Bund müsse selber Schulden tilgen. "Als erstes wird immer nach dem Bund gerufen. Aber organisieren Sie das (. . .) doch erst einmal untereinander."

Doch auch eine Lösung unter den 16 Ländern ohne die Hilfe des Bundes scheiterte - vor allem weil finanzstarke Länder und Ost-Länder, die kaum Altschulden haben, abwinkten. "Wer selbst Schulden aufhäuft, muss sie auch selbst zahlen", erklärte 2008 der damalige Kurzzeit-Ministerpräsident Bayerns, Günther Beckstein (CSU). "Wir können und wollen Ländern, die mit unsolider Finanzpolitik durch eigenes Verschulden ihre Staatshaushalte ruiniert haben, die Konsolidierung ihrer Haushalte nicht abnehmen." Ähnliches war vor kurzem von Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) zu vernehmen.

Auch um solchen Argumenten den Wind aus den Segeln zu nehmen, hatte das Saarland 2008 in der FöKo II vorgeschlagen, nur solche Altschulden in den Fonds zu überführen, die nicht auf landespolitische Entscheidungen zurückgehen, sondern auf politisch kaum beeinflussbare strukturelle Ursachen wie hohe Soziallasten infolge des Strukturwandels oder geringere Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich wegen stark sinkender Einwohnerzahlen. Nach diesem Modell wäre gut die Hälfte der Schulden des Saarlandes in den Fonds geflossen. Die Folge wäre gewesen, dass die verbliebenen Schulden des Landes in etwa denjenigen der übrigen Ländern entsprochen hätten.

Ein dem saarländischen Vorstoß von 2008 ähnliches Konzept, das der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) 2012 in die Debatte einbrachte, macht den Politikern im Saarland nun wieder Hoffnung. Zudem haben Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag auf Bundesebene vereinbart, eine Föderalismuskommission III einzurichten, die bis Ende 2015 Vorschläge zu einer Vielzahl von Themen erarbeiten soll - auch für die Altschuldenfrage. Das Ringen um eine Lösung dürfte in nicht allzu ferner Zukunft beginnen.

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Auf einen BlickEin Altschuldenfonds könnte nach einem aktuell diskutierten Vorschlag des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) wie folgt funktionieren: Die Altschulden der 16 Bundesländer werden in einem Topf gebündelt. Der Bund übernimmt ab 2020 die Zinszahlungen für die Altschulden, indem er dafür den Solidaritätszuschlag (der 2019 eigentlich auslaufen soll) heranzieht. Für jedes Land wird ein verbindlicher Tilgungsplan ausgehandelt.Für das Saarland würde dies beispielsweise bedeuten: Die Zinskosten von rund 500 Millionen Euro übernähme der Altschuldenfonds. Im Gegenzug müsste das Land jährlich ein oder zwei Prozent seines Schuldenbergs von etwa 13 Milliarden Euro tilgen, also 130 oder 260 Millionen Euro. Unter dem Strich würde der Landeshaushalt also um 370 Millionen bzw. 240 Millionen Euro entlastet. Zur Einordnung dieser Summe: Das Land muss in diesem Jahr 436 Millionen Euro neue Schulden aufnehmen. kir

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