Kostbare Sammlung Von privat für das Land: ein eiserner Schatz

Dillingen · Beinahe wären die frühesten Eisenerzeugnisse des Saarlandes außer Landes gegangen. Jetzt bahnt sich eine Lösung an. Können die uralten Kaminplatten im Völklinger Weltkulturerbe gezeigt werden?

 Sammler Matthias Kremer vor den historischen Ofenplatten in seinem Garten in Dillingen-Pachten.

Sammler Matthias Kremer vor den historischen Ofenplatten in seinem Garten in Dillingen-Pachten.

Foto: Oliver Dietze

Der stabilste Teil einer Burg oder eines Schlosses ist der Kamin. Bei Zerstörungen in der Vergangenheit blieb er stehen samt der Kamin-  oder Takenplatten – klobige, dunkle, bleischwere Dinger, gusseiserne Bilder mit schwer lesbaren mythologischen oder heraldischen Motiven. Vor oder hinter ihnen brannte einst das Feuer. Weil zunächst Verfahren zum Einschmelzen fehlten, wurden die Platten zweckentfremdet, landeten als Abdeckvorrichtung auf lothringischen Jauchegruben oder an saarländischen Scheunen. Missachtung als Glück, denn deshalb sind sie heute noch da. Rund 2000 soll es im Saarland geben, doch die sagenhafte Zahl von 500 Stück besitzt eine Familie, verteilt auf zwei Häuser. Als wahrlich ausgefallene Gartendekoration finden sich 50 davon hinter dem Haus der Familie Kremer in Dillingen-Pachten, hängen Spalier an der Gartenmauer, lehnen – gestapelt –  an der Hauswand. Ästhetische Charmebolzen sind sie beileibe nicht, aber eine kleine Sensation, weil man in ihnen den wohl ältesten Gebrauchsprodukten des Industriezeitalters begegnet, die die Region zu bieten hat. Die älteste Platte stammt von 1510, aus der Zeit von Kaiser Karl V.

 „Ich bin mittlerweile weit und breit der einzige Sammler“, sagt Matthias Kremer (55), als Ingenieur bei der Dillinger Hütte tätig. Seiner Einschätzung nach besitzt seine Familie die größte Privatsammlung an Kaminplatten, die es in Deutschland gibt. Der Saarländische Museumsverband ist ebenfalls der Ansicht, dass die in drei Generationen gewachsene Sammlung besondere Bedeutung für das Land hat – und unbedingt professionell dokumentiert und auch gezeigt werden sollte, am besten in einem Museum für saarländische Eisenprodukte. Vor allem aber sollte die Sammlung überhaupt mal im Lande bleiben, mahnte der Verband. Letzteres war lange fraglich.

Seit etwa zwei Jahren verhandelte Kremer mit großen Museen über eine Komplett-Übernahme der Sammlung. Gedacht war an eine kostenfreie Übergabe, jedoch mit Auflagen. Die Sammlung sollte nicht im Depot verschwinden, sondern Teile davon müssen  dauerhaft gezeigt werden.

 Kremer wuchs zwischen den gusseisernen Riesen auf, erbte  die Liebe zu den historischen Platten von seinem Vater und der von seinem Vater. Die Familie fokussierte sich auf Fundstücke aus dem Saarland und Lothringen, deshalb bildet die Sammlung die Produktion aller Saar-Hütten ab, die Gusseisen herstellten, etwa bis ins Jahr 1900. Doch jetzt gibt es eine Zäsur. Denn Matthias Kremers Sohn folgt der Tradition nicht – was also wird aus dem eisernen Schatz, der neue Kapitel der Kultur- und Technikgeschichte des Saarlandes erzählen könnte? Zusammen mit Kremers Vater (82) erging die „Familienentscheidung“, sich davon zu trennen, damit die Komplett-Sammlung den nächsten Generationenwechsel überlebt. Ein schwieriges Unterfangen. „Das Hindernis einer Übernahme für die Museen war die Größe der Sammlung“, so Kremer. Also dachte man schließlich sogar an Teil-Veräußerungen bei Auktionen; manche Platte ist bis zu 5000 Euro wert. Doch jetzt zeichnet sich die Lösung ab, die der Familie am liebsten wäre, eine saarländische:  „Das sind Platten, die wurden von unseren Vorfahren gefertigt. Sie sollten im Saarland bleiben.“ Kremer ist mit dem Kultusministerium im Gespräch, hat sehr positive Signale. „Wir suchen nach einer Lösung“, sagt die für Industriekultur zuständige Referatsleitern Eva Backes-Miller der SZ. Doch sie  will sich zu Spekulationen nicht äußern, die Sammlung könnte womöglich im Völklinger Weltkulturerbe unterkommen. Im Wasserhochbehälter, der derzeit umgebaut wird, ergäben sich  räumliche Möglichkeiten. Allerdings ist vor geraumer Zeit ein erster Anlauf gescheitert, den der Museuemsverband in dieser Sache unternahm  - am Nein von Weltkulturerbe-Direktor Meinrad Maria Grewenig. Der wird  ab Juni aus Altersgründen nicht mehr im Amt sein. Eine neue Chance?

Grewenig sagt der SZ, eine offizielle Anfrage habe es nie gegeben. Als Argument gegen eine Übernahme führt er den hohen Arbeits- und Kosten-Aufwand für die Präsentation ins Feld. „Dafür hätten wir einen Spezialisten im Team gebraucht, den wir nicht haben.“ Auch müsse die Inszenierung bei derart spröde wirkenden Objekten besonders viel leisten. Genau das sagt auch Kremer, spricht von einer sehr anspruchsvollen museumspädagogischen Aufgabe: „Es genügt nicht, die Platten einfach an die Wand zu hängen.“ Selbst bei einer kostenfreien Übertragung muss das Land also richtig Geld in die Hand nehmen.

 Derweil erlebt Kremer die neue positive Wendung mit gemischten Gefühlen. „Es fällt nicht so schwer, die Platten herzugeben. Aber es fällt schwer, aufzuhören zu sammeln.“ Denn das ist der Preis, den er zahlen will und muss: Adieu  Hobby! 

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