Rettung auf Knopfdruck

Saarbrücken · Jeder fünfte Saarbrücker ist 65 Jahre oder älter. Für viele von ihnen wäre ein Hausnotruf sinnvoll. Doch die meisten richten den Hausnotruf erst ein, wenn bereits ein Unfall passiert ist.

 Eberhard Müller aus Saarbrücken ist froh, dass er den Hausnotruf hat. Foto: Iris Maurer

Eberhard Müller aus Saarbrücken ist froh, dass er den Hausnotruf hat. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Die Beine knicken ihm weg. Eberhard Müller (60) stürzt beim Aufstehen aus dem Bett auf den Boden seiner Wohnung und kann sich aus eigener Kraft nicht wieder aufrichten. Jetzt muss schnell Hilfe kommen: ein Griff zum Funksender, den er um den Hals trägt. Ein Druck auf dessen Knopf. Der Notruf ist ausgelöst. Aus der Basisstation neben seinem Fernseher ist nun eine Stimme zu hören, die fragt, was passiert ist. Müller antwortet. In fünf Minuten wird Hilfe da sein. Auch wenn Müller in seinem Badezimmer oder in der Küche gestürzt wäre, könnte der Mitarbeiter, der sich über die Basisstation meldet, seine Antwort hören.

Den Hausnotruf bekam Müller vor drei Jahren wegen einer Nervenkrankheit in seinen Beinen und Epilepsie. "Der hat mich schon fünf oder sechs Mal gerettet", erzählt Müller. Er ist einer von rund 3 000 Menschen, die nach Angaben der Rettungsleitstelle Saarbrücken, der Johanniter, der Malteser, des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) und des Deutschen Roten Kreuzes im Regionalverband einen Hausnotruf nutzen.

In Saarbrücken leben, so die Statistik der Stadt Saarbrücken, derzeit knapp 37 000 Personen im Alter ab 65 Jahren - jeder fünfte der insgesamt 180 000 Einwohner. Im Jahr 2030 werden es rund 45 000 Personen im Alter ab 65 Jahren sein, bei insgesamt 156 000 Einwohnern, schätzt das städtische Amt für Statistik. Also wäre dann schon jeder vierte Einwohner 65 Jahre oder älter.

Daniel Bialas von den Johannitern und Bernhard Roth vom ASB erläutern auf SZ-Nachfrage, dass der Altersdurchschnitt der Nutzer im Regionalverband, die einen ihrer Hausnotrufe benutzen, bei 83 Jahren liegt. Und es seien, so Roth, mehr Frauen als Männer, da Frauen in der Regel älter werden.

Auch die Nutzer der Hausnotruf-Angebote von Maltestern und Not-Ruf-Saar sind meist über 70-Jährige, bestätigen Karolina Kasprzyk (Malteser) und Lothar Karst (Not-Ruf-Saar).

Claudia Groetschel von der bundesweiten Initiative Hausnotruf ist besorgt: "Nur fünf Prozent aller Senioren sind in Deutschland mit einem Hausnotruf ausgestattet." Sabine Wilhelm, Erstberaterin bei der Verbraucherzentrale Saarbrücken, hat ebenfalls kein hohes Interesse festgestellt: "Ab und zu bekommen wir Anfragen, aber eher selten."

Anderes beobachtet Cornelia Gassen, Pflegeberaterin vom Pflegestützpunkt Saarbrücken: "Die Nachfrage ist gestiegen, denn es leben immer mehr Menschen allein." Die meisten Senioren oder ihre Angehörigen suchen aber erst dann Gassens Rat, wenn bereits etwas passiert ist. Wenn zum Beispiel jemand, der allein lebe, in der Dusche ausgerutscht ist oder einen schweren Asthma-Anfall hatte. Oft sind es dann Angehörige, die für ihre allein lebende Mutter oder den Vater nach mehr Sicherheit und schneller Hilfe suchen, erklärt Gassen.

Schwierigkeiten gibt es oft, wenn der Betroffene den Hausnotruf als unnötig empfindet. Viele Menschen hätten Angst, nicht mehr frei beweglich, ständig kontrolliert und weniger selbstständig zu sein, so Gassen.

Auch Berührungsängste vor dem fremden technischen Gerät gibt es. Pflegeberaterin Silke Kotterbach erzählt, dass viele Senioren ihren Wohnungsschlüssel nicht gern beim Hausnotruf-Anbieter oder einem Nachbarn hinterlegten. Aber wenn erst ein Schlüsseldienst kommen muss, um die Helfer in die Wohnung zu lassen, wird es teuer und kostbare Zeit geht verloren. Außerdem haben nicht alle Menschen einen Festnetzanschluss, an den der Hausnotruf angeschlossen werden kann, so Kotterbach.

So war es auch bei Eberhard Müller: "Ich habe mich zuerst gesträubt", erzählt der 60-Jährige. Aus Kostengründen hatte er bis dahin kein Festnetztelefon. Die Kosten für den Anschluss des Hausnotrufs hat seine Pflegekasse übernommen. Sie zahlt auch die monatlichen Gebühren. Bei Empfängern von Grundsicherung bezahlt diese Kosten oft das Sozialamt. Doch Kotterbach berichtet, dass viele Senioren, die ein geringes Einkommen haben, sich den Hausnotruf nicht leisten können oder wollen. "Denen rate ich, sich den Hausnotruf zu Weihnachten von ihren Kindern schenken zu lassen."

Eberhard Müller sagt heute, sein Hausnotruf sei "Gold wert", es gebe "nichts Besseres". Er fühlt sich durch ihn sicher. Von langem Zögern, ob ein Notruf auch wirklich gerechtfertigt ist, rät er ab: "Draufdrücken - dafür ist der Hausnotruf da."

Zum Thema:

Auf einen BlickAnbieter von Hausnotrufen sind im Regionalverband unter anderem der Arbeiter-Samariter-Bund, das Deutsche Rote Kreuz, der Malteser Hilfsdienst, der Not-Ruf-Saar, die Johanniter und die Arbeiterwohlfahrt (Awo). Hausnotrufe werden an ein Festnetz-Telefon angeschlossen und bestehen aus einer Basisstation mit einer Freisprechanlage und aus einem kleinen Funksender, den der Nutzer um den Hals oder ums Handgelenk trägt. Drückt er den Knopf am Sender, meldet sich über die Basis ein Mitarbeiter des Notfalldienstes. Er schickt dann Hilfe oder informiert Angehörige. Pro Monat kostet ein Hausnotruf laut Verbraucherzentrale zwischen 17,90 und 40,40 Euro. Mehr Informationen und eine Checkliste, die bei der Wahl eines Anbieters helfen soll, gibt es bei der Verbraucherzentrale Saarbrücken, umfassende Beratung übernimmt der Pflegestützpunkt. emvz-saar.depsp-saar.net

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