Retter für Velsen
Saarbrücken. Wenn die Linke das gewusst hätte! Jedenfalls war die für Montag angesetzte Podiumsrunde zur Zukunft des Erlebnisbergwerks Velsen sicher nicht dazu gedacht, dass die für die drohende Schließung Verantwortlichen von Land und RAG diese Plattform nutzen könnten, um sich als Retter feiern zu lassen. Zumindest besteht dazu, zumindest tendenziell, jetzt die Möglichkeit
Saarbrücken. Wenn die Linke das gewusst hätte! Jedenfalls war die für Montag angesetzte Podiumsrunde zur Zukunft des Erlebnisbergwerks Velsen sicher nicht dazu gedacht, dass die für die drohende Schließung Verantwortlichen von Land und RAG diese Plattform nutzen könnten, um sich als Retter feiern zu lassen. Zumindest besteht dazu, zumindest tendenziell, jetzt die Möglichkeit. Denn gestern platzte plötzlich der existenzbedrohende Problemknoten: Die RAG Deutsche Steinkohle AG kündigte gegenüber der SZ auf Nachfrage an, dass an eine Verfüllung des Lehrstollens nicht mehr gedacht werde. Man will vielmehr, so RAG-Pressesprecher Karlheinz Pohmer, das Bergwerk an den Trägerverein Erlebnisbergwerk Velsen e.V. verpachten, zu einem symbolischen Preis von einem Euro. Pohmer: "Wir sind an die Grenze des Machbaren gegangen." Über diesen Vorschlag wolle man am Montag, kurz vor der Velsener Veranstaltung, mit dem Vereinsvorstand sprechen. Pohmer sieht beste Erfolgsaussichten. Denn der Verein drängt darauf, den Stollen auf eigene Kappe als Besucherbergwerk weiterzubetreiben. Der Verein würde dann Nachfolger der TÜV Nord Bildung GmbH, die das simulierte Bergwerk bislang als Ausbildungs-Stätte nutzt und sie ab 1. Januar 2012 nicht mehr braucht."Wir wollten den Zeitdruck aus dem Kessel nehmen", sagt Pohmer. Der Pachtvertrag solle über keinen langen Zeitraum laufen, voraussichtlich nur bis zu dem Termin, da das Gesamtkonzept des Landes für die Bergbau-Flächen-Folgenutzung vorliege und man den Stellenwert von Velsen kenne. Jedenfalls, so Pohmer, könnten jetzt alle Beteiligten in einem systematischen Prozess über "langfristige tragfähige Lösungen" nachdenken. Gemeint ist damit vordringlich das Land, das im Hinblick auf die im Mai 2012 endende Bergbau-Ära die ehemaligen Bergbauflächen evaluieren lässt. Das Gutachten dazu ist aber noch nicht in Auftrag, und bevor es vorliegt, weigert sich die Landesregierung, Zusagen für Förderungen zu geben.
An dieser Haltung habe sich nichts geändert, erklärte gestern Wirtschafts-Staatssekretär Joachim Kiefaber (FDP) gegenüber der SZ. Die Pachtlösung sei allein eine Sache zwischen der Eigentümerin RAG und dem Verein und als "vorübergehende Lösung" gut.
Herauszuhören ist Skepsis gegenüber einer dauerhaften Privat-Trägerschaft. Doch genau die strebt der Verein an. Ein Szenario dafür wurde ebenfalls bereits entwickelt: Die RAG verlässt Velsen, ohne den Stollen zu verfüllen und zahlt dafür, wie rechtlich vorgesehen, eine "Sicherheitsleistung" an das Bergamt. Damit wäre das Basis-Risiko bei einem Scheitern des Vereins abgedeckt. Zugleich würde sich die RAG aber von allen weiteren Verpflichtungen frei kaufen, die sich durch versteckte Altlasten und Folgeschäden auftun könnten. Insofern dürfte es um die Höhe der Sicherheitsleistung einen mächtigen Poker zwischen RAG und dem Bergamt/Land geben. Diskutiert wird parallel, ob nicht vielleicht doch eine öffentliche Institution - die Stadt Saarbrücken, der Regionalverband oder ein interkommunaler Zweckverband - in die Haftung gehen könnte.
Doch eigentlich lautet die Devise des Vereins "Wir wollen es selber machen." Das sagt der Vereinsvorsitzende Volker Etgen. Das Schicksal der seiner Meinung nach aus dem Weltkulturerbe verdrängten Völklinger Initiative ist ihm eine Warnung: "So geht das mit uns nicht: Wir retten, und dann kommen die Manager und Politiker und bestimmen." Selbst die Betriebskosten will der Verein allein stemmen. Die TÜV Nord GmbH zahlt nach Etgens Angaben 30 000 Euro Pacht und 80 000 Euro für Strom, Heizung und Wartung. Doch Experten hätten berechnet, dass ein kaum beheiztes und beleuchtetes Erlebnisbergwerk mit rund 20 000 Euro (ohne Pacht) auskomme, auch sei man über Sachspenden von Strom im Gespräch. Etgen kalkuliert zudem mit 10 000 Besuchern (50 000 Euro). Schließlich liefen zur Zeit bereits nebenbei 5000 Führungen. Etgen will sie zunächst ehrenamtlich organisieren, später professionalisieren und bezahlen. Er ist sicher: "Wir brauchen kein Geld von der Politik." Welch eine ungewohnte Botschaft. > siehe auch Seite B 4
Meinung
Erkaufte Bedenkzeit
Von SZ-RedakteurinCathrin Elss-Seringhaus
Wie gerne würde man dem Trägerverein ein vorbehaltloses Glückauf zurufen. Jedoch fällt ungetrübte Euphorie schwer. Sicher, die "Selfmade"-Mentalität imponiert in Zeiten, da in der Regel "Papa Staat" bei jedem Problemchen zur Hilfe gerufen wird. Gleichwohl gilt: Inbetriebhalten und Führungen-Machen werden nicht ausreichen, will man in Velsen dauerhaft reüssieren. Wer den anspruchsvollen Museumskunden und den Velsener Stollen kennt, weiß, dass noch viel investiert werden muss, um ein konkurrenzfähiges Touristenziel aufzubauen. Zu befürchten ist, dass der Verein sich hier überschätzt. Trotzdem ist es großartig, dass er jetzt die Chance erhält, zu zeigen, dass Velsen zumindest mittelfristig zu halten ist. Die RAG hat ermöglicht, dass es diese Probe- und Bedenkzeit gibt. Fragt sich nur, warum diese vergleichsweise schlichte Lösung so lange Zeit brauchte.