Rechnungshof moniert teure Zugeständnisse

Losheim/Saarbrücken · Der Landesrechnungshof des Saarlandes hat massive Kritik am Gebaren der zuständigen Landesgesellschaften bei der Erschließung des Industrieparks Holz zwischen Niederlosheim und Nunkirchen geübt. Nach Ansicht der Prüfer kam die Erschließung etwa drei Millionen Euro zu teuer.

 Weitgehend ungenutzt liegen 30 Hektar Gewerbefläche im fertig erschlossenen Industriepark Holz da. Foto: Werner Krewer

Weitgehend ungenutzt liegen 30 Hektar Gewerbefläche im fertig erschlossenen Industriepark Holz da. Foto: Werner Krewer

Foto: Werner Krewer

Der 51 Hektar große Industriepark Holz wurde vor einigen Jahren mit großem Aufwand erschlossen, um den damaligen Expansionsplänen des Holzfaserplatten-Herstellers Homanit Rechnung zu tragen. Der Rechnungshof hält fest, dass das Unternehmen 2001 eine Betriebserweiterung angekündigt hatte, "welche sie mit einer Reihe von Forderungen verbunden hat, die letztlich die Erschließung des Industrieparks Holz und die Verlegung der B 268 notwendig machten". Die Realisierung aller Maßnahmen habe zehn Jahre gedauert und insgesamt etwa 20 Millionen Euro gekostet, heißt es in dem Bericht.

Nach Auffassung der Rechnungsprüfer seien die erheblichen Widerstände, die es damals in der Bevölkerung und bei Naturschutzverbänden gegen das Projekt gegeben habe, "durch großzügige finanzielle und materielle Zugeständnisse ausgeräumt" worden. "Infolge dieser Zugeständnisse und der weit über das notwendige Maß hinausgehenden Ausgleichsmaßnahmen haben die mit der Planung und Durchführung beauftragten Landesgesellschaften zirka drei Millionen Euro zu viel verausgabt", heißt es im Jahresbericht des Landesrechnungshofes, der unserer Zeitung vorliegt. Die Kritik richtet sich gegen die Landesentwicklungsgesellschaft Saarland (LEG) und die Saarland Bau und Boden Projektgesellschaft (SBB).

So habe die SBB "in großem Umfang Grundstücke aufgekauft, deren Erwerb für die Erschließung des Industrieparks Holz nicht zwingend notwendig war". Zudem seien den Eigentümern überhöhte Preise gezahlt worden: Statt des für Grünland üblichen Betrages von 1,53 Euro pro Quadratmeter habe die Landesgesellschaft 7,66 Euro hingeblättert - was auf Bauland-Preisniveau liege. Dadurch hätten die Grundstückseigentümer nach Auffassung des Rechnungshofes rund 1,6 Millionen Euro zu viel erhalten.

Noch einmal eine Million Euro kommt nach Überzeugung des Rechnungshofes einem einzelnen Landwirt und dessen Familie zu Gute, die "über nicht unerhebliche Flächen" im Gebiet des jetzigen Industrieparks verfügt habe. Diese Familie habe im Planungsverfahren anfangs Widerspruch gegen den Bebauungsplan eingelegt, "zu dessen Rücknahme sie sich erst im späteren Grundstücks-Tauschvertrag bereit erklärte". Diese Zustimmung ist nach Auffassung des Rechnungshofes regelrecht erkauft worden. So habe die SBB der Familie "ein weit außerhalb des Bebauungsplan-Gebietes liegendes Wiesengrundstück ohne erkennbare Notwendigkeit und zudem zum Baulandpreis statt zum Grünlandpreis abgekauft". Zudem habe die SBB Baumaßnahmen finanziert, die nach Auffassung der Rechnungsprüfer Sache des Landwirtes gewesen wären - zum Beispiel den Bau einer Unterführung unter der B 268 eigens für dessen Vieh. Im Bericht heißt es, dem Rechnungshof sei "kein Fall bekannt, bei dem eine Kommune oder das Land einem Landwirt eine Brücke errichtet hätte, damit dessen Vieh eine bestehende Bundes- oder Landesstraße überqueren konnte". Die Behörde moniert den materiellen Gewinn von rund einer Million Euro, den die Familie erzielt habe, auch angesichts der "Zwangslage, in der sich die SBB befand", als ungerechtfertigt.

Für die Erschließung des Industrieparks waren ökologische Ausgleichsmaßnahmen erforderlich, für die Grundstücke durch die Landesgesellschaft angekauft werden mussten. Der Rechnungshof hat laut Bericht "jedoch festgestellt, dass die Summe der durchgeführten Ausgleichsmaßnahmen weit über das notwendige Maß hinaus ging".

Grundsätzliche Kritik

Neben den überhöhten Kosten übt der Rechnungshof noch eine grundsätzliche Kritik am Industriepark: Dieser ist aus seiner Sicht keine "allgemeine Erschließungsmaßnahme" gewesen, sondern habe "den Charakter einer überwiegend einzelbetrieblichen Förderung". Will sagen: Die Erweiterung der industriell und gewerblich nutzbaren Fläche habe vorrangig den Expansionsplänen der Firma Homanit gedient - von denen diese nach der Ankündigung von Teilbetriebsverlagerungen und Personalabbau aber offenbar wieder abgerückt ist. Ministeriumssprecher Thorsten Bischoff erklärte auf Anfrage der SZ, sein Haus "teilt nicht die Auffassung des Rechnungshofes, dass bei der Erschließung des Industrieparks Holz Gelder in der angeführten Höhe verschwendet worden sind".

Zur Kritik an überhöhten Zahlungen für aufgekaufte Grundstücke, insbesondere in dem kritisierten Fall eines Landwirtes, heißt es vom Ministerium: "Die von der Landesgesellschaft erworbenen Grundstücke orientieren sich hinsichtlich des Kaufpreises an den Werten, die der Gutachterausschuss für die Grundstücke festgestellt hat." Gegenüber dem Rechnungshof hatte die Landesgesellschaft SBB zur Kritik an den Zugeständnissen für einen einzelnen Grundbesitzer erklärt, der Ankauf des weit entfernt liegenden Wiesengrundstückes sei "dem Pachtflächenverlust und der Rücknahme des Widerspruchs geschuldet gewesen".

Abweichende Einschätzung

Das Ministerium sieht auch die Frage der Kostenübernahme für den Bau einer Viehunterführung anders als die Prüfbehörde: "Die angesprochene Viehtrift ist Bestandteil des Bebauungsplans und wird dort den für den Eingriff in Natur und Landschaft vorzunehmenden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zugerechnet. Sie ist dadurch Bestandteil der Förderung und nicht den Aufgaben zuzurechnen, die der Landwirt selbst zu übernehmen hat."

Dass die ökologischen Ausgleichsmaßnahmen über das erforderliche Maß hinausgegangen sind, diesen Kritikpunkt teilt auch die Landesgesellschaft SBB. Sie sieht dafür jedoch die Gemeinde Losheim am See in der Verantwortung, die eine "diesbezügliche Entscheidung" getroffen habe, an welche die SBB sich gehalten habe.

Das Wirtschaftsministerium widerspricht auch der Einschätzung des Rechnungshofes, wonach der Industriepark vorrangig den Interessen eines einzelnen Betriebes gedient habe. Thorsten Bischoff: "Es war von Anfang an klar, dass die Firma Homanit auf eine Teilfläche des zukünftigen Industrieparks expandieren soll. Daneben wurden aber Flächen in erheblichem Umfang erschlossen, die für andere Betriebe vorgehalten werden sollen." Nachdem Homanit die für ihre Expansion vorgesehenen Flächen nicht mehr beanspruche, "werden diese durch den Bau von Stichstraßen parzelliert, um sie Ansiedlungsinteressenten anbieten zu können". Die bisher einzige Neuansiedlung in dem Gebiet ist eine Firma, die Handel mit Landmaschinen betreibt sowie deren Wartung und Reparatur vornimmt.

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StichwortDer Industriepark Holz zwischen Niederlosheim und Nunkirchen hat eine Größe von rund 51 Hektar, von denen 30 Hektar gewerblich nutzbar sind. Ursprünglich sollten rund 40 Hektar zur gewerblich-industriellen Nutzung zur Verfügung stehen, wovon 14 Hektar für die geplante Betriebserweiterung des Homanit-Werkes vorgesehen waren. Doch im Dezember 2012 kündigte der Holzfaserplatten-Hersteller an, einzelne Fertigungsbereiche nach Polen zu verlagern und mittelfristig 120 der etwa 360 Arbeitsplätze in Niederlosheim abzubauen. Damit waren die Expansionspläne ad acta gelegt. Doch die fertig erschlossene Industriefläche bleibt bestehen. Eigens dafür war die Streckenführung der B 268 geändert worden. Die Straße wurde 2009 auf einem Abschnitt von rund einem Kilometer Länge verlegt. cbe

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