Rathaus macht Wahllokale dicht

Keßlingen/Wochern · Bei der Bundestagswahl am 22. September bleiben die Wahllokale in Keßlingen und Wochern geschlossen. Die CDU kritisiert die Entscheidung des Perler Rathauses: Den Wählern werde die Stimmabgabe erschwert.

Wie viele Wahlberechtigte müssen in einem Wahllokal ihr Kreuzchen machen, damit das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt? "Es gibt keine Untergrenze", sagt Landeswahlleiterin Karin Schmitz-Meßner. Oberste Priorität hat nach ihren Aussagen das Wahlgeheimnis. Das sieht sie allerdings bei einer geringen Zahl an Wahlberechtigten in Gefahr. So wie im Falle von Keßlingen und Wochern. Die Wahllokale in den beiden Dörfern hat die Gemeindeverwaltung dichtgemacht.

"Eigenmächtige Entscheidung"

Sie folgte damit dem Rat, den Schmitz-Meßner ihr auf Anfrage gegeben hat. Folge: Die 108 Wahlberechtigten aus Wochern müssen nach Tettingen-Butzdorf, die 25 aus Münzingen und die 100 aus Keßlingen nach Oberleuken. Die Entscheidung der Gemeinde, bei der Bundestagswahl auf die Wahllokale in Keßlingen und Wochern zu verzichten, bringt die CDU in Rage. Die Christdemokraten monieren zum einen die Art, wie diese Entscheidung mitgeteilt wurde - par ordre du mufti, in einem Schreiben an die Ortsvorsteher, ohne diese vorher zu beteiligen. "Wir haben kein Verständnis für diese eigenmächtigen Entscheidungen", heißt es in der Stellungnahme der Christdemokraten.

Was CDU-Gemeindeverbandschef Harald Lahr auf die Barrikaden treibt: "Alle sprechen von niedrigen Wahlbeteiligungen und diskutieren über Möglichkeiten, wie diese gesteigert werden können." Anders in der Gemeinde Perl. Dort wird nach seiner Darstellung Teilen der Bevölkerung die Wahrnehmung des Grundrechtes "ohne Not unnötig erschwert". Zudem wird nach seinen Worten durch die Streichung der Wahllokale kaum Geld eingespart. Lahr befürchtet, dass ein Stück Identität in den Dörfern verloren gehe. "Die Wahl war oftmals ein Ritual - mit einem Gang durchs Dorf und einem netten Gespräch verbunden." Die Orte hätten sich durch eine hohe Wahlbeteiligung ausgezeichnet, argumentiert Ralf Uhlenbruch, CDU-Ortsverbandschef von Tettingen-Butzdorf. Auch hat es nach Worten von Gemeinderatsmitglied Irene Schuster nie personelle Probleme gegeben, die Wahllokale zu besetzen.

Bügerfreundlichkeit angemahnt

Die Christdemokraten wollen den Wählern Fahrdienste nach Tettingen-Butzdorf und Oberleuken oder Briefwahlen anbieten. Weiter fordern die beiden CDU-Ortsverbände Tettingen-Butzdorf/Wochern und Oberleuken/Keßlingen/Münzingen die Gemeinde auf, die Wahlbezirke in den beiden Ortsteilen - insbesondere aus Gründen der Bürgerfreundlichkeit - bei den kommenden Wahlen wieder einzurichten.

"Angesichts der geringen Zahl an Wahlberechtigten und Wählern vor vier Jahren habe ich zur Wahrung des Wahlgeheimnisses bei der Stimmabgabe empfohlen, die beiden Wahlbezirke mit benachbarten Wahlbezirken zusammenzulegen", sagt Landeswahlleiterin Schmitz-Meßner. Sie bezieht sich auf ein Schreiben aus dem Perler Rathaus, datiert auf den 27. Juni.

"Die Gemeinde hat angegeben, dass bei der Bundestagswahl 2009 im Wahlbezirk Keßlingen-Münzingen 127 Bürger wahlberechtigt waren." 97 Bürger hätten im Wahllokal ihre Stimme abgegeben, elf davon waren Briefwähler. Im Wahlbezirk Wochern habe man damals 109 Wahlberechtigte gezählt. Insgesamt hätten 73 Bürger gewählt, acht per Briefwahl. Diese Zahl ist - wenn auch geringfügig - zurückgegangen. Schmitz-Meßner sieht nach ihrer Darstellung die Gefahr, dass über die wenigen Bürger, die im Wahllokal ihre Stimme abgeben, im Ort Spekulationen ins Kraut schießen könnten, wem sie ihre Stimme gegeben haben - vor allem über Wähler von kleineren Parteien.

Dass die Schließung von Wahllokalen eine geringere Wahlbeteiligung zur Folge hat, befürchtet man im Innenministerium, zu dem die Landeswahlleitung zählt, nicht.

Grund: Briefwahlen ersetzten mehr und mehr den Gang ins Wahllokal.

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Auf einen BlickIn der Nachbargemeinde Mettlach ist man nach Aussagen von Bürgermeister Carsten Wiemann weit davon entfernt, Wahlbezirke zusammenzulegen. "Wir bleiben bei unseren 20 Wahlbezirken." Das Argument, dass in kleinen Wahllokalen das Wahlgeheimnis nicht gewahrt wird, zählt für ihn nicht. Als Beispiel nennt er die Halligen, auf denen nur eine Handvoll Leute leben. Und noch eines ist ihm wichtig: "Wir haben die Wahlen in unserem Haushalt berücksichtigt." Als einzigen Grund, Wahlbezirke zusammenzulegen, nennt er das Fehlen von freiwilligen Wahlhelfern in Wahllokalen. "Dann müsste ich zu viele Leute aus dem Rathaus für diesen Tag zwangsverpflichten." Zwar wird es nach Aussagen des Verwaltungschefs immer schwieriger, freiwillige Wahlhelfer zu finden. Doch bislang habe es immer funktioniert. mst

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HintergrundZuständig für die Einteilung der Wahlbezirke ist nach Darstellung des Innenministeriums die Gemeinde. Die Landeswahlleitung spreche auf Anfrage der Kommunen Empfehlungen aus, ob in einem Wahlbezirk genügend Wähler zur Urne gehen, damit das Wahlgeheimnis nicht in Gefahr geraten könne - wie im Falle Keßlingen und Wochern. Die Gemeindeverwaltung hatte die Behörde um eine Einschätzung gebeten. Warum es für Wahlbezirke keine Untergrenzen gibt, begründet das Innenministerium mit den unterschiedlichen Aufbau der Kommunen in den Bundesländern. Eine Obergrenze lege die Bundeswahlordnung fest. Gemeinden mit 2500 Einwohnern bildeten in der Regel einen Wahlbezirk. Lägen sie über dieser Zahl, werde ein zweiter Wahlbezirk eingerichtet. mst

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