Rat kappt OB Jungs Vergabemittel

St. Ingbert. Versteinerte Mienen in den Reihen der CDU, ein äußerlich völlig emotionsloser Oberbürgermeister: Die letzte Stadtratssitzung vor Weihnachten geriet gestern Abend so gar nicht adventlich-harmonisch. Der Rat stimmte mit knapper 22:20-Mehrheit für den Grünen-Antrag, dem Verwaltungschef in Sachen Finanzen die Daumenschrauben anzulegen

St. Ingbert. Versteinerte Mienen in den Reihen der CDU, ein äußerlich völlig emotionsloser Oberbürgermeister: Die letzte Stadtratssitzung vor Weihnachten geriet gestern Abend so gar nicht adventlich-harmonisch. Der Rat stimmte mit knapper 22:20-Mehrheit für den Grünen-Antrag, dem Verwaltungschef in Sachen Finanzen die Daumenschrauben anzulegen. Bislang durfte OB Georg Jung (CDU) ohne Zustimmung des Rates über eine Vergabe-Summe bis 20 000 Euro verfügen. In den letzten gut sechs Monaten seiner Amtszeit sind solche Verfügungsmittel auf 10 000 Euro beschränkt.Grünen-Fraktionssprecher Jürgen Berthold begründete den Antrag so: "Für die Jahre 2008, 2009 und 2010 haben wir noch keine Haushaltsjahresabschlüsse. Der amtierende Oberbürgermeister hat keine Entlastung. Für das Jahr 2011 gibt es keine Berichte über den Haushaltsvollzug. Von der Verwaltung hat es keine Konsolidierungsvorschläge für 2012 gegeben, wie von der Kommunalaufsicht gefordert." Von einer intransparenten Haushaltssituation sprach der Grünen-Vorsitzende. Deshalb solle der Rat in der Übergangszeit bis zur Amtsübernahme durch Hans Wagner "mehr Verantwortung übernehmen".

Markus Hauck und Alois Ohsiek von der CDU dagegen sahen in dem Vorstoß ein "Nachtreten" gegen Amtsinhaber Jung. Die Verwaltung habe wie von den Grünen gewünscht ihre Vergaben der vergangenen Jahre mit einer Tischvorlage offengelegt. Unregelmäßigkeiten zeigten sich dabei nicht, sagte Hauck und schloss: "Dieser Antrag ist dem Rat unwürdig." Ohsiek nahm die Grünen noch härter ins Gebet: "Der Antrag ist hinterhältig. Er trifft nicht nur den Oberbürgermeister, sondern die gesamte Verwaltung." Das Vorgehen halte er für schäbig. Zwar räumte auch die CDU ein, dass die fehlenden Jahresabschlüsse kein Ruhmesblatt seien, ein unredliches Arbeiten aber sei nicht zu erkennen. Mit Unverständnis reagierte auch SPD-Fraktionschef Thomas Berrang: "Es ist ein bisschen traurig, dass Jamaika hier seinen Rosenkrieg austrägt." Die Stadt brauche jetzt einen reibungslosen Übergang an der Verwaltungsspitze und keine Scharmützel. FDP-Sprecher Andreas Gaa sah keine Verdachtsmomente für eine ungerechtfertigte Vergabe von Aufträgen und wandte sich deshalb gegen den Vorstoß.

Unterstützung gab es dagegen von Oliver Kleiss (Linke) und Heinz Dabrock (Familien-Partei). Kleiss: "Andere Städte sind mit ihren Rechenschaftsberichten ran, mindestens bis 2010." Dabrock suchte etwas von der Schärfe aus der Diskussion zu nehmen.

Der Vorstoß sorge für mehr Einbindung des Stadtrates. Mit der finanziellen Einschränkung müsse auch der künftige OB leben. Der Rat stimmte geheim ab. Offensichtlich gab es auch Zustimmung aus den Reihen von CDU und SPD.

Hintergrund

In der Fraktion der Christdemokraten des St. Ingberter Stadtrates hat es eine personelle Veränderung gegeben. Am Montagabend hat sie ihren langjährigen Sprecher Markus Gestier als Vorsitzenden abgewählt. Markus Hauck hat in der Fraktion diese Funktion übernommen. mbe

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