Rätselstein gibt sein Geheimnis nicht preisErinnerung an eine denkwürdige Zeit

Tholey. "Inschriftenstein. Tholey, Abteibereich. Ungelesen", so steht es an einem Exponat im Museum Theulegium. Dort befindet sich das Stück seit Auflösung des Abteimuseums im Jahr 2006 etwas verschämt an der Seite. Woher es ursprünglich stammt, ist unbekannt, vermutlich irgendwo aus dem Bereich der Abtei Tholey

 Niko Leiß erläutert einer Besucherin des Museums den Rätselstein. Foto: Verein

Niko Leiß erläutert einer Besucherin des Museums den Rätselstein. Foto: Verein

Tholey. "Inschriftenstein. Tholey, Abteibereich. Ungelesen", so steht es an einem Exponat im Museum Theulegium. Dort befindet sich das Stück seit Auflösung des Abteimuseums im Jahr 2006 etwas verschämt an der Seite. Woher es ursprünglich stammt, ist unbekannt, vermutlich irgendwo aus dem Bereich der Abtei Tholey. "Ein Inschriftenstein, der nicht zu lesen ist, das kann nicht sein", sagte sich der Vorsitzende des Historischen Vereins zur Erforschung des Schaumberger Landes Tholey, Niko Leiß. "Entziffern, lesen, übersetzen, verstehen - was soll daran so schwer sein?" Aber schnell war klar: Der "Rätselstein" hat es in sich. Es fängt schon damit an, dass nicht genau zu erkennen ist, ob die Inschrift überhaupt vollständig ist. Links, rechts und unten sieht man die behauenen Kanten des Steins, oben vermutlich auch. Aber das ist nicht ganz eindeutig, vielleicht fehlen hier auch eine oder mehrere Zeilen. Insgesamt ist der 28 mal 28 Zentimeter große Sandstein recht gut erhalten, aber an einigen - leider wichtigen - Stellen ist er doch etwas beschädigt.Mehrere Lesarten Das macht es noch schwieriger, die gotischen Minuskeln zu entziffern. Diese mittelalterliche Schrift, in der die Buchstaben geschrieben sind, ist für das heutige Auge ohnehin nicht leicht zu lesen. Durch die Beschädigungen, insbesondere in der ersten Zeile, sind für manche Zeichen mehrere Lesarten möglich. Als wäre es dadurch nicht schon kompliziert genug, wurden bei Inschriften häufig einzelne Buchstaben oder ganze Silben ausgelassen oder zusammen geschrieben. Dadurch ist nicht einmal sicher, in welcher Sprache die Schrift verfasst wurde. Vermutlich ist es Latein, aber auch ein mittelalterliches Deutsch wäre möglich. Das einzig Klare scheint die letzte Zeile zu sein. "A.D. 1715" meint man da zu lesen. "Das stimmt aber nicht", erläutert Niko Leiß. "Das auf dem Kopf stehende gespiegelte L ist eine gotische 5, das A ohne Querstrich eine gotische 7. A(nno) D(omini) 1517 heißt es also richtig." Damit sind die Gewissheiten aber auch schon erschöpft. Es ist nicht einmal klar, ob es sich um einen Grabstein oder eine Bauinschrift handelt. Vielleicht ist es sogar ein Gedenkstein, wie es am Portal der Abteikirche aus derselben Zeit bereits einen weiteren gibt (siehe unteren Beitrag). Dann wäre die Inschrift vielleicht sogar mehrdeutig. Um das zu ergründen, müsste man sie aber erst lesen können. "Dazu muss man die Buchstaben zunächst einmal fehlerfrei entziffern. Hat man das geschafft, gilt es die Worte richtig zu lesen, etwa Abkürzungen und Verdopplungen korrekt zur ergänzen. Schließlich braucht man das Ganze nur noch richtig zu übersetzen und schon weiß man, was gemeint ist", sagt Leiß schmunzelnd. Eigene VorschlägeWeil der Verein dabei mit seinem Latein buchstäblich am Ende ist, sucht man nun professionellen Rat beim Institut für mittelalterliche Epigraphik (Inschriftenkunde) an der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Ob man dort etwas herausfindet, ist völlig offen. Bis dahin kann man sich den Stein im Museum Theuleugium schon mal anschauen und eigene Vorschläge machen. redÖffnungszeiten: Montag bis Freitag zehn bis zwölf und 14 bis 16.30 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertage 14 bis 16.30 Uhr.Tholey. Eine ähnliche auf den ersten Blick rätselhafte Inschrift befindet sich auf einem inzwischen verwitterten Gedenkstein unmittelbar links neben dem Haupteingang der Abtei Tholey (Foto: Niko Leiß). Dort steht "1525. Captus erat Gallus coeunt cum rure cohortes", was wörtlich übersetzt heißt "Gefangen war der Hahn, es stoßen zusammen mit dem Land die Kohorten". Mit Gallus (Hahn) ist der französische König Karl V. gemeint, der bei Pavia gefangen gesetzt war, während gleichzeitig in den deutschen Landen die Bevölkerung mit den Soldaten in den Bauernkriegen kämpfte. Die in bestimmtem Versmaß verfasste Inschrift enthält zusätzlich verschlüsselt die Jahreszahl 1525 und erinnert an jene denkwürdige Zeit. red

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