Serie Psychische Krankheiten – Teil 1: Depression Vom Kampf gegen das eigene Selbst

Depressionen sind den meisten Menschen ein Begriff, werden aber dennoch oft noch als Tabuthema behandelt. Eine Saarländerin berichtet über ihr Leben mit der Erkrankung.

 Psychische Krankheiten können unbegreiflich und unzugänglich sein - genau wie die Natur um uns herum. Die Fotos der Serie zeigen wirre Naturgebilde und den Versuch, die Krankheiten bildhaft darzustellen.

Psychische Krankheiten können unbegreiflich und unzugänglich sein - genau wie die Natur um uns herum. Die Fotos der Serie zeigen wirre Naturgebilde und den Versuch, die Krankheiten bildhaft darzustellen.

Foto: Robby Lorenz

Wache, freundliche Augen, ein herzliches Lächeln, das Auftreten selbstbewusst. Auf den ersten Blick wirkt Margit Zimmer (Name von der Redaktion geändert) wie das Gegenteil einer Depressiven. Mehr noch, sie wirkt unvereinbar mit den vielen Gesichtern der Krankheit: Antriebslosigkeit, Zurückgezogenheit, Freudlosigkeit. Eine Kluft, die auch Margit Zimmer, trotz der vielen Jahre, die sie schon mit der Krankheit lebt, immer noch wahrnimmt. In Krankheitsphasen, depressiven Episoden nennt die Medizin das, habe sie das Gefühl, „sich selbst nicht zu kennen“, sagt sie. Die Sonne, die sich an diesem Tag immer wieder am wolkenverhangenen Himmel hervorkämpft, wirkt wie ein Sinnbild für Margit Zimmer. „In normalen Phasen bin ich kommunikativ, kontaktfreudig“, sagt sie. Sie liebt es, andere Kulturen kennenzulernen, reist gerne. Sie habe eine „bestimmte Art – auch wenn ich manchmal damit anecke“, wie sie zugibt. In Krankheitsphasen ist sie zu erschöpft für all das, „das alltägliche Leben kostet dann viel Kraft“, sagt Zimmer. Wenn die dunklen Wolken der Depression  überhand nehmen, ist alles anders: „Man merkt es zuerst gar nicht“, sagt Zimmer, „doch dann geht es einem sukzessive schlechter“. Sie erzählt vom „Kampf gegen sich selbst“, von Gedankenkreisen, Appetitverlust, der Unmöglichkeit von Gesprächen und positiven Gedanken und der Unfähigkeit zu etwas Produktivem, während sich gleichzeitig keine Ruhe einstellen will. „Das wünscht man niemandem“, sagt Zimmer, „das ist schon sehr, sehr schlimm“.

Über die Hälfte der Depressiven erleidet mindestens einen Rückfall, so die grobe Schätzung seitens der Medizin. Auch Margit Zimmer musste in ihrem Leben schon mehr als eine depressive Episode durchstehen. Mit Hilfe von Medikamenten und ambulanter Therapie sei sie aber „vorher immer alleine rausgekommen“, erinnert sie sich. Doch beim letzten Mal war alles anders: „Ich bin immer tiefer reingerutscht“, sagt Zimmer. Sie habe nicht mehr arbeiten, nicht mehr die Hausarbeit wahrnehmen können, habe Löcher in die Wand gestarrt. Eine stationäre Behandlung wurde unumgänglich. Kein leichter Schritt für Zimmer. Denn Psychiatrie sei heute immer noch mit einem „Makel verbunden“, wie Zimmer sagt, auch für sie. Oder zumindest war sie das, bis sich Margit Zimmer auf Empfehlung in eine freiwillige stationäre Therapie in die Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der SHG-Kliniken Sonnenberg begab. Dort wurde ihr Bild einer psychiatrischen Klinik nachhaltig verändert. „Man ist froh, dass man Hilfe bekommt“, sagt sie heute, „man ist ja nicht verrückt, sondern krank – auch wenn viele das gleichsetzen“. Gespräche, Vertrauen, Rückhalt und viel Psychotherapie – all das fand sie auf dem Sonnenberg. „Genau das wollte ich“, sagt sie heute, „auch wieder eine Struktur zu haben war sehr wichtig“.

Heute ist Zimmer wieder voll berufstätig. Nach der stationären Therapie gehe sie bewusster mit ihrer Gesundheit um, habe gelernt, ihre Grenzen zu achten, auch mal Nein zu sagen. Etwas, das sie als leistungsorientierter Mensch vorher kaum konnte. Auch ihre Familie und Freunde seien ihr in der schweren Zeit eine große Hilfe gewesen – wenngleich nur ihre engsten Vertrauten Bescheid wissen. Denn sowohl im Freundeskreis, auf der Arbeit als auch in der Gesellschaft generell seien Depressionen oder psychische Krankheiten immer noch ein Tabuthema, sagt Zimmer. „Man weiß nicht damit umzugehen“, sagt sie, gerade auf der Arbeit höre man gerne schon einmal, „dass man sich mal ein bisschen zusammenreißen soll“.

„Man hofft, dass es nicht mehr kommt“, sagt sie, „dass man nicht mehr in eine Klinik muss“. Eine Garantie auf eine Zukunft ohne Depression gebe es allerdings leider nicht, sagt Margit Zimmer. Auch deswegen hegt sie einen großen Wunsch, eine große Hoffnung für die Zukunft: Die bessere Akzeptanz psychischer Erkrankungen in der Gesellschaft. „Ich würde mir wünschen, dass Depressionen irgendwann als etwas anerkannt werden, das vorbei geht – so wie ein Beinbruch oder eine Blinddarmentzündung“.

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