Freudenschrei im Zivilprozess Gericht weist Klage im Millionenprozess um St. Ingberter Bläse-Haus ab

Saarbrücken/St. Ingbert · Der frühere St. Ingberter Oberbürgermeister Hans Wagner muss keine 2,4 Millionen Euro Schadenersatz wegen Kostensteigerungen bei einem Bauprojekt in seiner Ägide an die Stadt zahlen. Nun will er selbst gegen die Stadt in die Offensive gehen.

Prozess um Bläse-Haus in St. Ingbert: Klage abgewiesen
Foto: Eric Kolling

Der frühere St. Ingberter Oberbürgermeister Hans Wagner (parteilos) konnte sich einen Freudenschrei nicht verkneifen: Das Landgericht Saarbrücken hat am Donnerstag eine Zivilklage gegen ihn in allen Punkten zurückgewiesen und folgte damit seiner Argumentation. Es besteht die Möglichkeit einer Berufung vorm Oberlandesgericht.

Bläse-Haus in St. Ingbert: Gericht sieht keine Pflichtverletzung

Die Stadt St. Ingbert hatte Wagner als früheren Vorsitzenden der Erich-Ferdinand-Bläse-Stiftung für Wohlfahrtspflege zusammen mit deren Ex-Geschäftsführer Michael Quiring auf 2,4 Millionen Euro Schadenersatz verklagt. Hintergrund waren Kostensteigerungen bei dem Bau des Bläse-Hauses in der St. Ingberter Kaiserstraße. Am Ende kostete es statt geplanten 2,2 fast 3,6 Millionen Euro. Die Stadt hat es unter dem aktuellen Stiftungsvorsitzenden Ulli Meyer (CDU), die Position hat immer automatisch der amtierende Oberbürgermeister inne, Ende 2021 für 1,2 Millionen Euro verkauft. Mit Millionenverlust. Geld, das sich die Stadt von Wagner und Quiring zurückholen wollte, denen man Pflichtverletzung vorwarf.

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Richter sieht kein Vorgehen nach „Gutsherrenart“

Doch das Landgericht sah das nicht erfüllt. So sei etwa, anders als beklagt, die Stiftungsaufsicht über Kostensteigerungen beim Bau informiert gewesen. Das habe eine Zeugenbefragung der Stiftungsaufsicht im Prozess ergeben. Auch sei der Stiftungsvorstand keineswegs umgangen, Entscheidungen nicht nach Gutsherrenart getroffen worden. Die Vorstandsmitglieder habe das Gericht befragt – einhellige Meinung: Alle seien stets gut informiert gewesen. Weiterhin wies das Gericht den Vorwurf zurück, Wagner und Quiring hätten alle Verträge ohne Einbindung des Vorstands geschlossen. Und den Vorstand auch in der Frage übergangen, überhaupt mit den rund 3,3 Millionen Euro der Bläse-Stiftung einen Neubau zu errichten. Denn ursprünglich sei die Renovierung eines Altbaus an gleicher Stelle vorgesehen gewesen.

Die Auffassung des Gerichts, so der Vorsitzende Richter Steffen Kaiser: Die Stiftung sei ja gerade durch ihren Vorsitzenden und den Geschäftsführer vertreten worden, wie dies die Stiftungssatzung vorsehe. Eine Pflichtverletzung sehe man daher nicht. Der Neubau eines Wohngebäudes, das „altengerechten und bezahlbaren Wohnraum“ schaffen sollte, sei ausdrücklich einer der Stiftungszwecke gewesen. Außerdem habe ein beratender Bauingenieur gewarnt, dass die Tragfähigkeit des Altbaus gefährdet, ein Neubau viel wirtschaftlicher sei. Dies zu ignorieren, so das Gericht, wäre stattdessen pflichtwidrig gewesen.

Das Stiftungskapital habe für den Neubau ausdrücklich investiert werden dürfen, ja müssen. Denn ohne Investitionen im Sinne der Stiftung hätte die Aberkennung der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt befürchtet werden müssen. Und dem Geld, das auf einem Konto der Bank1Saar gelegen habe, gleichzeitig die Schrumpfung. Nicht nur, dass angesichts der damaligen Null-Zins-Politik keine Zinsen hätten erzielt und das Kapital damit nicht hätte vermehrt werden können. Es habe sogar ein Verwahrentgelt gedroht.

Kostensteigerungen waren nicht absehbar

Zudem, so der Richter weiter, habe es, anders als von der Stadt nun beklagt, durchaus eine Wirtschaftlichkeitsberechnung gegeben. Auch das habe die Zeugenbefragung ergeben. Das Gericht wies den Vorwurf zurück, die Berechnung hätte früher, etwa vor Baubeginn, vorliegen müssen. Denn die für die Kostensteigerung maßgeblichen Punkte seien unvorhersehbar gewesen: die Notwendigkeit einer anderen Gründung für das Gebäude sowie Klagen der Nachbarn, die zu Bauauflagen geführt hätten. Wie aus der Begründung des Gerichts weiter hervorgeht, kam es auch zu verminderten Mieteinnahmen, weil eine Wohnung einem Gemeinschaftsraum für Feiern weichen musste und der Stiftungsvorstand einen Mietpreisdeckel beschloss.

Die Anwälte der Bläse-Stiftung erklärten zum Urteil: „Aus unserer Sicht handelt es sich um eine äußerst überraschende Entscheidung. Diese war aufgrund der Sach- und Rechtslage, allerdings auch aufgrund der Prozessführung, nicht erwartbar. Wir arbeiten die Entscheidungsgründe nunmehr auf, gehen aber bereits jetzt davon aus, empfehlen zu müssen, das Oberlandesgericht durch eine Berufungsschrift anzurufen.“

Nach der Urteilsverkündung zeigte sich Wagner angriffslustig. Er erklärte, seinerseits Meyer angezeigt zu haben – nach 2021 in der Sache gerade zum zweiten Mal. Damals hatte die Staatsanwaltschaft nicht ermittelt, ob sie es jetzt tut, wollte sie am Donnerstag nach dem Urteil weiter nicht kommentieren. Wagner indes erklärte, er habe neue Beweise. Vor allem seien die Wertermittlungen der Dekra vor dem Verkauf des Bläse-Hauses falsch gewesen. Der Stiftung sei nicht durch den Gebäudebau ein Schaden entstanden, sondern durch die Veräußerung des Bläse-Hauses.

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