Solidaritäts-Demo Samuel Koch protestiert für Markus Igel

Saarbrücken/Hamburg · Der gebürtige Saarbrücker Markus Igel ist an Armen und Beinen gelähmt. Er ist auf die Hilfe von Assistenten angewiesen. Doch für die muss er jetzt kämpfen. Prominente Unterstützer wollen für Igel am Donnerstag vor dem Landessozialamt in Burbach demonstrieren.

 Markus Igel braucht im Alltag viel Hilfe – unter anderem bei der Körperpflege, beim Kochen und beim Trinken.

Markus Igel braucht im Alltag viel Hilfe – unter anderem bei der Körperpflege, beim Kochen und beim Trinken.

Foto: Markus Igel/Hans-Jürgen Weber

Mit 31 Jahren ist Markus Igel rund um die Uhr auf fremde Hilfe angewiesen, um zu überleben. Igel, der in Saarbrücken-Dudweiler geboren wurde und mit neun Jahren in ein Heim der Diakonie nach Bad Kreuznach kam, ist Tetraspastiker. Er ist an Armen und Beinen gelähmt. „Ich brauche Hilfe beim Toilettengang, bei der Körperpflege, beim Essen anreichen, beim Kochen“, sagte Igel gestern der SZ am Telefon. Igel lebt seit etwa sechs Jahren allein in einer Wohnung in Bad Kreuznach und bekommt nach seinen Worten Hilfe von elf Assistenten. Die hat er selbst angestellt, die Kosten dafür betragen etwa 12 900 Euro im Monat.

Doch das Landessozialamt des Saarlandes, das für Igel zuständig ist, obwohl er in Rheinland-Pfalz lebt, will diese Kosten offenbar nicht mehr übernehmen. Nach Angaben von Igels Anwalt Oliver Tolmein von der Hamburger Kanzlei „Mensch und Rechte“ füllen die Akten der Gerichtsverfahren, die Igel mit dem Saar-Sozialamt führen musste, ganze Ordner. Derzeit laufe eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen ein Urteil des Sozialgerichts in Mainz, das Igel nur 7221 Euro zugesteht. „Die Lücke von gut 5500 Euro monatlich muss Igel selbst füllen“, erklärte Tolmein. „Das ist dramatisch für Herrn Igel“, betonte Tolmein. So ein Verhalten wie das des Saarlandes gegenüber dem schwerstbehinderten 31-Jährigen habe er in seiner Praxis noch nicht erlebt, sagte Tolmein.

Igel berichtete, dass er die Assistenten nur noch mit Hilfe von Geldsammlungen („Crowdfunding“) im Internet bezahlen könne, was jedoch eine höchst unsichere Grundlage sei. „Ich soll jetzt osteuropäische Pflegekräfte anstellen, weil die billiger seien, hat mir das Sozialamt aufgetragen“, sagte Igel. Das sei empörend.

Als genauso empörend empfindet es der junge Mann, wenn er zurück in ein Heim gehen müsste. „Man kann im Heim nicht aufstehen, zu Bett gehen und duschen, wann man will. Im Heim wird gegessen und getrunken, wenn die Pflegekräfte Zeit haben. Stellt euch vor, ihr müsst mit Leuten zwangsweise zusammenwohnen, mit denen ihr euch vielleicht noch nicht einmal versteht. Und alles wird vorgeschrieben, zum Beispiel, ob ihr euch rasiert oder nicht“, erklärte Igel. Er sieht durch die Restriktionen des Landessozialamts seine Menschenrechte verletzt.

Das sehen einige prominentere Menschen mit schweren Handicaps, Behindertenbeauftragte, Politiker und Verbandsbeauftragte ähnlich. Angeführt von dem Schauspieler Samuel Koch, an dessen Lebensweg seit seinem fatalen Unfall in Thomas Gottschalks ZDF-Show „Wetten, dass...?“ Millionen Anteil nehmen, und von Raul Krauthausen, dem Aktivisten von AbilityWatch, der am Montagabend in der ARD-Story über die Inklusion eine zentrale Rolle wahrnahm, wollen sie am Donnerstag um 11 Uhr vor dem Landessozialamt in Saarbrücken-Burbach gegen den „drohenden Heimzwang“ für Igel protestieren. Nach einer Pressemitteilung der Internet-Plattform change.org wollen die Teilnehmer knapp 52 000 Unterschriften an Stefan Funck (CDU), den Direktor des Landessozialamts, überreichen. Mit dabei sind neben Igel, Koch und Krauthausen noch Christa Maria Rupp (Saar-Landesbehindertenbeauftragte), Matthias Rösch (Landesbehindertenbeauftragter Rheinland-Pfalz), Corinna Rüffer (Grüne Bundestagsfraktion/Trier), Constantin Grosch (Vorstand Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke), Nancy Poser (Mitglied im Forum behinderter Juristinnen und Juristen) und Michel Arriens (Change.org).

Die Juristin Poser sagte demnach, dass es skandalös sei, von Igel zu verlangen, seine Assistenten in die Arbeitslosigkeit zu schicken und stattdessen Arbeitskräfte aus Osteuropa anzuheuern. „Markus’ Leben wird hier zerstört“, sagte Poser.

Das Saar-Sozialministerium wollte gestern Fragen der SZ zu der Kritik nicht beantworten und verwies auf ein Hintergrundgespräch dazu am Donnerstagmorgen im Landessozialamt.

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