Prävention als QualitätssiegelLSVS bietet Vereinen mit neuer Broschüre Hilfe an

Überall dort, wo sich Kinder Erwachsenen anvertrauen, suchen Menschen mit einer pädophilen Neigung nach Schwachstellen. Und den Sportverein haben sie schon lange als Einfallstor entdeckt, denn als Betätigungsfeld ist er geradezu ideal. Hier findet sich eine große Anzahl von Kindern, aus denen sie auswählen können. Im Training lassen sich Annäherungsversuche geschickt tarnen

 Trainer übernehmen Verantwortung in der Betreuung von Kindern, wie hier auf unserem Foto. Sportvereine können sich mit einer Art Qualitätssiegel von der Konkurrenz abheben, um zu unterstreichen, dass sie sich mit dem Thema Kinderschutz auseinandergesetzt haben. Foto: DOSB/dpa

Trainer übernehmen Verantwortung in der Betreuung von Kindern, wie hier auf unserem Foto. Sportvereine können sich mit einer Art Qualitätssiegel von der Konkurrenz abheben, um zu unterstreichen, dass sie sich mit dem Thema Kinderschutz auseinandergesetzt haben. Foto: DOSB/dpa

Überall dort, wo sich Kinder Erwachsenen anvertrauen, suchen Menschen mit einer pädophilen Neigung nach Schwachstellen. Und den Sportverein haben sie schon lange als Einfallstor entdeckt, denn als Betätigungsfeld ist er geradezu ideal. Hier findet sich eine große Anzahl von Kindern, aus denen sie auswählen können. Im Training lassen sich Annäherungsversuche geschickt tarnen. Auch können die potenziellen Täter gezielt Situationen herbeiführen, um ungestört mit den ihnen anvertrauten Kindern zusammenzutreffen. Dabei gibt es für sexuellen Missbrauch weder besonders gefährdete, noch besonders ungefährdete Sportarten. Auch das Gefühl "Bei uns im Verein ist das noch nie passiert, und es wird nicht passieren, weil wir die Guten sind und uns alle bestens kennen", ist sehr trügerisch."Sexueller Missbrauch hat viele Gesichter. Nur eines ist ganz selten: der fremde Mann, der das kleine Mädchen entführt und vergewaltigt. Kommt es zu Vorfällen in Vereinen, sind es oft die besonders Netten, die Engagierten. Sexueller Missbrauch wird nicht von schmuddeligen alten Männern in Regenmänteln begannen, sondern von Erwachsenen, die jeder kennt und die wohl nie jemand verdächtigen würde", sagt Barbara Freydag, Kriminalhauptkommissarin beim Landeskriminalamt Saarland. Aber wie lassen sich diese wenigen schwarzen Schafe aus der Masse der unbescholtenen Engagierten herausfiltern? Beispielfälle zeigen: Die Täter gehen zwar mit viel Geschick vor, jedoch die Mechanismen des Missbrauchs ähneln sich - und sind meist für jeden erkennbar. Doch dafür müssen sich Vereine mit dem Thema vertraut machen und eine Kultur des Hinsehens entwickeln.

Fakt ist: Kinder müssen besser vor Übergriffen geschützt werden. Gleichzeitig soll der Sport aber spielerisch und unbeschwert bleiben. Schwimmtraining in Neoprenanzügen kann keine Lösung sein. Auch sollten Übungsleiter das enttäuschte Kind in den Arm nehmen dürfen, um es über den Misserfolg hinwegzutrösten. Durch vier Mindeststandards können Vereine sich und die Kinder schützen. So sollten die Verantwortlichen von Jugendtrainern und Betreuern ein erweitertes Führungszeugnis verlangen. Schwere Sexualdelikte werden hier noch zehn Jahre nach Verbüßen der Strafe aufgeführt. Zweitens sollte der Verein mindestens einen Ansprechpartner benennen, der sich mit dem Thema Kinderschutz befasst. Als dritter Punkt hilft Wissen. In regelmäßigen Fortbildungen oder Schulungen sollten Trainer Präventions-Basiswissen erwerben. Auch Beratungsstellen wie "NELE" oder "PHOENIX" sollten bekannt sein. Viertens: "Man sollte gemeinsam ein schriftliches Regelwerk ausarbeiten, in dem steht, was im Verein erlaubt ist und was nicht", sagt die LKA-Beamtin Freydag: "So etwas wie einen Ehrenkodex, der von allen Übungsleitern unterschrieben wird. Das schafft Vertrauen. Ja, das ist sogar ein Qualitätssiegel."

Diese vier Maßnahmen umgesetzt - und Täter würden abgeschreckt. Ein solcher Verein wäre ihnen für ihr Vorhaben ganz sicher zu "heiß". Und den Eltern zeigt es: Hier haben sich die Verantwortlichen mit dem Thema kritisch und ernsthaft auseinandergesetzt. Hier wird die Gefahr auf ein Minimum reduziert, mein Kind gebe ich gerne in die Obhut dieser Leute. Denn auch die Rolle der Eltern ist in dieser Problematik sehr wichtig. Die vermehrte Frage nach "Habt ihr denn ein Kinderschutzkonzept? Habt ihr bestimmte Ansprechpartner im Verein?" baut einen Druck auf. Und diesem Druck müssten die Vereine schnell Rechnung zollen. Kann jemand 50 neue Kinder in seinen Trainingseinheiten begrüßen und ein anderer Verein keine, wird schnell deutlich warum, und der andere Verein müsste nachziehen. Die Umsetzung der vier Mindeststandards ist somit auch ein klarer Wettbewerbsvorteil.

Saarbrücken. Bei der Prävention sexualisierter Gewalt im Sport geht es nicht nur darum, die Kinder und Jugendlichen zu schützen. Auch die Vereine brauchen Hilfe, wie sie mit dem Thema umgehen. Und nicht zu vergessen die Übungsleiter, die gerne wissen möchten und wissen sollten, wie sie sich verhalten sollen.

Der Landessportverband für das Saarland (LSVS) hat dazu nun eine Informationsbroschüre herausgegeben. Ein Arbeitskreis, der sich aus Mitgliedern verschiedener Verbände zusammensetzte, hat unter dem Vorsitz von Udo Genetsch diesen 20-Seiter erstellt. Er behandelt Themen wie: Was mache ich, wenn im Verein ein Verdachtsmoment vorliegt? Wie kann ich sexualisierter Gewalt vorbeugen? Wie stärke ich Kinder, dass sie rechtzeitig "Stopp" sagen? Eine Mustervorlage für einen Ehrenkodex ist ebenso enthalten, wie der Antrag auf Ausstellung eines erweiterten Führungszeugnisses.

Alle Vereine und Verbände können diese Broschüre kostenlos beim Landessportverband für das Saarland beziehen. "Das Präventions-Thema wird beim LSVS nun auch in die Trainer-Ausbildung integriert. Alle Traineranwärter werden dazu in zwei Lehreinheiten geschult", sagt Udo Genetsch, der Vorsitzende der Saarländischen Sportjugend. Und: Beim LSVS wurde ein Telefondienst eingerichtet, unter der Nummer (06 81) 38 79 492 finden Ratsuchende Hilfe. blu

lsvs.de

polizei-beratung.de

Foto: pascal blum/privat

"Sexueller Missbrauch hat viele Gesichter. Nur eines ist ganz selten: der fremde Mann, der das kleine Mädchen entführt und vergewaltigt."

Barbara Freydag, Kriminalhaupt-

kommissarin beim Landeskriminalamt Saarland

Auf einen Blick

Beim Thema sexueller Missbrauch, egal, ob in Sportvereinen oder anderen Situationen, kostet Hilfe nur einen Anruf. Wichtig: Alles, was hier besprochen wird, geht weder an die Öffentlichkeit, noch an die Polizei oder den Staatsanwalt. Anlaufstellen für Betroffene und Hilfesuchende:

NELE - Verein gegen sexuelle Ausbeutung von Mädchen e.V., Dudweilerstraße 80, 66 111 Saarbrücken, Telefon (06 81) 3 20 43, E-Mail: nele-sb@t-online.de

PHOENIX - Verein gegen sexuelle Ausbeutung von Jungen, Adresse: Dudweilerstraße 80, 66 111 Saarbrücken, Telefon (06 81) 76 19 68 5, E-Mail: spnphoenix@lvsaarland.

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