Mehr Sprechstunden? Ärzte-Präsident geht mit Politik und Kassen hart ins Gericht

Saarbrücken · Die Forderung nach einer Ausweitung der Sprechstunden sei populistisch. Daneben bereitet auch der Ärztemangel den Medizinern große Sorgen.

 Dr. Josef Mischo, Präsident der Ärztekammer des Saarlandes

Dr. Josef Mischo, Präsident der Ärztekammer des Saarlandes

Foto: Robby Lorenz

Der Präsident der saarländischen Ärztekammer, Dr. Josef Mischo, hat die Beteiligten des Gesundheitswesens aufgerufen, sich stärker mit den tatsächlichen und weniger mit den gefühlten Problemen der Krankenversorgung zu beschäftigen. Zu den gefühlten Problemen zählt der Mediziner zum Beispiel die Klage über angeblich zu wenige Praxiszeiten der niedergelassenen Ärzte. Einen Vorstoß der gesetzlichen Krankenkassen zur Ausweitung der Sprechzeiten nannte Mischo gestern Abend beim Neujahrsempfang von Kassenärztlicher Vereinigung und Ärztekammer in der Saarbrücker Congresshalle „mehr als befremdlich“. r sei in der Bewertung hin- und hergerissen, ob diese Forderung als „Unverschämtheit oder Inkompetenz“ einzuschätzen sei. „Ich neige zu Letzterem.“ Die Bundesregierung hat den Vorschlag aufgegriffen und plant ein entsprechendes Gesetz.

Nach einer Forsa-Umfrage betrage die Sprechstundenzeit niedergelassener Haus- und Fachärzte in Deutschland bereits 29 Stunden pro Woche. Die Notfallversorgung in den Kliniken und Praxen funktioniere in unserem Land. Auch über die Weihnachts- und Neujahrstage hätten die Bereitschaftsdienstpraxen ebenso wie die Krankenhäuser die Versorgung zuverlässig und problemlos sichergestellt. Allen Ärztinnen und Ärzten, den medizinischen Fachangestellten und den Pflegekräften gebühre Dank und Anerkennung, so Mischo. „Das ist wichtiger, als unausgegorene und populistische Forderungen zu stellen.“

Ein tatsächliches und nicht nur ein gefühltes Problem sieht Mischo im Ärztemangel, der der Ärzteschaft „große Sorgen“ bereite. Viele Kliniken hätten Schwierigkeiten, offene Stellen für Assistenzärzte zu besetzen. Die seit Jahren stabilen Zahlen der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin reichten bei weitem nicht aus, die in den nächsten Jahren frei werdenden Hausarztpraxen wiederzubesetzen. Bei den niedergelassenen Fachärzten werde das Nachbesetzungsproblem mit kurzer Verzögerung folgen. „Wir vermissen ein Problembewusstsein für das Thema Ärztemangel“, sagte Mischo beim Neujahrsempfang, den auch Regierungs- und Landtagsvertreter besuchten. So könne von einer Erhöhung der Studienplätze keine Rede sein.

Mischo sagte, bei aller berechtigten Kritik an bestimmten aktuellen Entwicklungen könne man doch optimistisch die Aufgaben des neuen Jahres angehen. Der Befund des Ärzte-Präsidenten lautete vereinfacht gesagt: Die Realität ist oft besser als die gefühlte Situation. So gebe es im Saarland eine „bundesweit vorbildliche Versorgung in der ambulanten und stationären Palliativversorgung“. Und durch das Modellprojekt zur Verordnung des lebensrettenden Medikamentes Naloxon seien bereits nach kurzer Zeit mehrere Abhängige vor dem Drogentod bewahrt worden. Dieses Projekt werde bundesweit „sehr aufmerksam“ beachtet. Auch die Zusammenarbeit im Demenz-Netzwerk hob Mischo hervor.

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