Politischer Streit um 3300 Wähleradressen

St. Ingbert. Als Beispiel für einen intransparenten Führungsstil des jetzigen Amtsinhabers hat der im ersten OB-Wahlgang unterlegene Sven Meier nochmals den Vorwurf erhoben, Georg Jung habe für seine Wahlwerbung "rechtswidrig Meldedaten von Neubürgern genutzt"

St. Ingbert. Als Beispiel für einen intransparenten Führungsstil des jetzigen Amtsinhabers hat der im ersten OB-Wahlgang unterlegene Sven Meier nochmals den Vorwurf erhoben, Georg Jung habe für seine Wahlwerbung "rechtswidrig Meldedaten von Neubürgern genutzt". Seinen Vorwurf stützte der SPD-Mann nach seinen Angaben jedoch nicht auf selbst verwendete Daten, sondern auf Erkenntnisse der St. Ingberter Grünen. Deren Sprecher Christian Bohr hatte unmittelbar vor der OB-Wahl eine Pressemitteilung mit der Überschrift "Stadt erteilt gesetzeswidrig Auskunft über Neubürger und missachtet den Datenschutz" verbreitet.Konkret hatten die Grünen festgestellt, dass OB Jung neun Tage vor der Wahl mit Briefen gezielt Neubürger angesprochen hatte. Bohr: "Die Adressen, die der CDU und Jung für diese Anschreiben zur Verfügung stand, haben am folgenden Montag auch die Grünen im Rathaus angefordert und bekommen." Den entsprechenden Auszug aus dem Melderegister - rund 3300 St. Ingberter Adressen als Excel-Datei auf einer Diskette - konnten die Grünen wegen der Kürze der Zeit nicht mehr verwenden. "Wir hatten aber sofort den Verdacht, dass diese Liste gegen die Datenschutzbestimmungen im Meldegesetz verstößt", sagt Bohr.

Welche Daten das St. Ingberter Rathaus weitergeben darf, ist im Meldegesetz klar geregelt. In dessen Paragraf 35 heißt es: "Die Meldebehörde darf Parteien, Wählergruppen und anderen Trägern von Wahlvorschlägen im Zusammenhang mit allgemeinen Wahlen in den sechs der Wahl vorangehenden Monaten Auskunft aus dem Melderegister Daten von Gruppen von Wahlberechtigten erteilen, soweit für deren Zusammensetzung das Lebensalter bestimmend ist und die Wahlberechtigten dieser Auskunftserteilung nicht widersprochen haben." Die Vermutung der Grünen: Kriterium der Daten von Neubürgern war nicht das Lebensalter, sondern die Aufenthaltsdauer in St. Ingbert.

Wie Andrea Jung, Leiterin der Abteilung Bürgerservice im St. Ingberter Rathaus, auf Nachfrage der SZ mitteilte, habe sich die Stadtverwaltung jedoch streng an die gesetzlichen Vorgaben gehalten: "Die Adressdaten, die wir der CDU und dann auch den Grünen zur Verfügung stellten, wurden nach folgendem Schlüssel ermittelt: Zunächst wurde das Melderegister für die Jahrgänge von 1951 bis 1993 eingeschränkt, danach als weiteres Kriterium der Zuzug in den Stadt ab dem Jahr 2003 eingefügt." Ein solcher Datensatz, den mit erweitertem Korridor beim Lebensalter auch an Hans Wagner erhalten habe, entspricht nach Einschätzung der Stadt ebenso den gesetzlichen Bestimmungen wie Melderegisterauskünfte, die vier der OB-Kandidaten durch Auswahl allein nach dem Lebensalter zu Erstwählern sowie Georg Jung, Sven Meier und Hans Wagner auch zu Senioren bekommen haben.

Zur "Neubürgerliste" hat die Datenschutzbeauftragte im Saarland, Judith Thieser, mittlerweile ein Prüfverfahren eingeleitet. Sie werde die Stadt St. Ingbert förmlich anschreiben und zu dem Vorwurf anhören, um danach eine datenschutzrechtliche Bewertung abgeben zu können, kündigte Judith Thieser (Foto: Becker&Bredel) gegenüber der SZ an. Vorab wurde der Datenschutzbeauftragten in einem Telefonat mit der St. Ingberter Stadtverwaltung bereits zugesichert, das St. Ingberter Rathaus beabsichtige derzeit keine weitere Herausgabe solcher oder ähnlicher Listen. "Ich werde den Sachverhalt prüfen."

Judith Thieser,

Datenschützerin

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