70 Jahre Saarländischer Hebammenverband Pflegenotstand gibt es auch im Kreißsaal

Saarbrücken · Seit 70 Jahren setzt sich der Saarländische Hebammenverband für bessere Bedingungen in der Geburtshilfe ein. Sorgen macht den Frauen der Pflegenotstand.

 Eine Hebamme untersucht eine Schwangere. Viele haben die Geburtshilfe im Kreißsaal aufgegeben.

Eine Hebamme untersucht eine Schwangere. Viele haben die Geburtshilfe im Kreißsaal aufgegeben.

Foto: dpa/Matthias Hiekel

Gute Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung für alle Hebammen im Saarland: Dafür kämpft der Saarländische Hebammenverband (SHV) seit vielen Jahrzehnten. Am kommenden Samstag feiert die Interessenvertretung von rund 260 Hebammen im Land 70. Geburtstag. Zeit zum Ausruhen bleibt nicht. Denn: „In den vergangenen 30 Jahren wurden zwölf von 20 Kreißsälen geschlossen. Aber alle saarländischen Krankenhäuser haben in den vergangenen drei Jahren zunehmende Geburtenzahlen, womit niemand gerechnet hätte. Unsere Hebammen müssen bei gleichbleibendem Personalschlüssel in beengten Räumlichkeiten viel mehr Arbeit bewältigen. Den Pflegenotstand gibt es auch im Kreißsaal“, sagt SHV-Vorsitzende Anne Wiesen.

Was nur wenige wissen: Deutschland ist das einzige Land, in dem bei Geburten die Hinzuziehungspflicht einer Hebamme gilt. Auch bei Kaiserschnitt-Geburten. Die Hebamme kann eine Geburt selbstständig und ohne ärztliche Hilfe begleiten. Nur in Notfällen, etwa bei komplizierten Geburten, muss ein Arzt hinzugezogen werden. Doch obwohl sie bei Geburten dabei sein müssen, mangelt es in allen saarländischen Kliniken an Hebammen. Wiesen: „Viele Hebammen arbeiten seit Jahren freiberuflich in der Schwangeren- und Wochenbettbetreuung und gar nicht mehr in der Geburtshilfe. Ihnen fehlt die Routine im Kreißsaal.“ Das möchte der SHV ab Herbst ändern. Gemeinsam mit der Saarbrücker Hebammenschule bietet er Fortbildungen zum leichteren Wiedereinstieg in die Geburtshilfe an.

Angesichts des Hebammen-Nachwuchsmangels setzt sich der SHV auch für die baldige Einführung eines Bachelor-Studienganges für Hebammen im Saarland ein. „Dank eines solchen Studienganges ist die Aufnahme in den Beruf nicht mehr auf wenige Fachschulen für Hebammen beschränkt. Jede Interessentin kann sich für ein Studium bewerben und dadurch würden wir eine Steigerung der Ausbildungsplätze erreichen“, erklärt Wiesen. Die Einführung von Bachelor-Studiengängen für Hebammen in Deutschland ist eine EU-Vorgabe, die bis 2020 umgesetzt werden soll. Zuvor muss der Bundestag allerdings noch das Gesetz zur Hebammen-Ausbildung ändern.

Im Saarland, genauer in Saarbrücken, gab es übrigens 1747 die erste Hebammenordnung. Wie die aus Saarlouis stammende Historikerin Eva-Maria Labouvie erforschte, war die Geburtshilfe schon im Mittelalter ein hoch demokratisches Ereignis, das den damaligen Frauen sogar das Wählen ermöglichte: „Dieses einzige öffentliche Recht der Frauen, das Recht zur Wahl ihrer Hebemutter, bildete ein festgefügtes Ritual der Frauengemeinschaft. Sie versammelten sich entweder alljährlich zu einem bestimmten Termin, um die alte Hebamme in ihrem Amt zu bestätigen, oder sie trat dann zusammen, wenn es galt, die Hebammenstelle neu zu besetzen“, schreibt Labouvie.

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