Der große Pflegereport 101 000 Saarländer pflegen zu Hause Angehörige: Ihre Sorgen, ihre Wünsche

Saarbrücken · Eine große Pflegestudie hat untersucht, wie viele Saarländer zu Hause Angehörige pflegen. Sie zeigt außerdem ihre körperliche, seelische und finanzielle Belastung. Der Überblick.

 Von den 68 000 pflegebedürftigen Menschen im Saarland werden 56 000 zu Hause betreut. In der Regel übernehmen Familienangehörige diese Aufgabe. Für die meisten ist das eine große Selbstverständlichkeit.

Von den 68 000 pflegebedürftigen Menschen im Saarland werden 56 000 zu Hause betreut. In der Regel übernehmen Familienangehörige diese Aufgabe. Für die meisten ist das eine große Selbstverständlichkeit.

Foto: Getty Images/wanderluster

Im Saarland werden von den 68 000 pflegebedürftigen Menschen 82 Prozent zu Hause betreut. In der Regel übernehmen Angehörige die Pflege. Diese Pflegepersonen lassen sich jedoch zu selten beraten oder kennen die Beratungsangebote gar nicht, die zum Beispiel die unabhängigen Pflegestützpunkte in jedem saarländischen Landkreis und im Regionalverband Saarbrücken anbieten.

Ohne Beratung holen sich Pflegende viel seltener Unterstützung

Pflegende Angehörige, der keine Beratung erhalten, nehmen jedoch deutlich weniger Unterstützung bei der Pflege in Anspruch. Ohne Beratung wird zum Beispiel eine Tagespflege nur von 17 Prozent der Angehörigen zur Entlastung beantragt, mit Beratung von 83 Prozent. Ähnlich sieht es bei anderen Unterstützungsleistungen wie Haushaltshilfe, Pflegegeld oder ambulanten Pflegediensten aus.

Das sind Ergebnisse der größten deutschen Pflegestudie, die die Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Hochschule Osnabrück erstellt hat. Professor Dr. Andreas Büscher, der das Projekt leitet, präsentierte die Ergebnisse für das Saarland jüngst in Saarbrücken beim „1. saarländischen Betreuungsforum“.

 Professor Dr. Andreas Büscher von der Hochschule Osnabrück leitet die größte deutsche Pflegestudie.

Professor Dr. Andreas Büscher von der Hochschule Osnabrück leitet die größte deutsche Pflegestudie.

Foto: HS Osnabrück

Im Saarland werden rund 56 000 Menschen zu Hause gepflegt

Die Krankenkasse Barmer ist in einer Analyse zu dem Ergebnis gekommen, dass die Zahl der Privatpersonen, die an der Pflege ihrer Angehörigen beteiligt sind, etwa doppelt so hoch ist wie die Zahl der gepflegten Personen. Im Saarland werden derzeit rund 56 000 Menschen zu Hause gepflegt. Neun Prozent dieser Pflegebedürftigen steht allerdings keine Privatperson als Pfleger zur Verfügung. Dennoch sind rund 101 000 Familienmitglieder in die Pflege einbezogen, also etwa zwölf Prozent aller Saarländer.

Laut Barmer werden 35 Prozent der saarländischen Pflegebedürftigen zu Hause von einer Privatperson versorgt, 26 Prozent von zwei Personen, 16 Prozent von drei Personen und 14 Prozent von vier oder mehr Privatpersonen. Die Osnabrücker Pflegestudie zeigt, dass mit steigendem Pflegegrad mehr Familienmitglieder in die Pflege eingebunden sind.

Vor allem Kinder sind es, die ihre Eltern pflegen

Im Saarland sind es vor allem die Kinder (47,8 Prozent aller Pflegepersonen), die ihre pflegebedürftige Mutter oder ihren pflegebedürftigen Vater zu Hause betreuen. Viele Kinder (8,4 Prozent) pflegen ihren Schwiegervater oder ihre Schwiegermutter, 3,4 Prozent einen Onkel oder eine Tante. Oft übernehmen Ehepartner und Lebensgefährten (21,8 Prozent) die Pflege. Zudem pflegen Eltern (12,8 Prozent) einen Sohn oder eine Tochter, und einige Saarländer (zwei Prozent) kümmern sich um pflegebedürftige Freunde oder Nachbarn.

Das Osnabrücker Forscherteam hat ermittelt, aus welchen Gründen Familienangehörige die Pflege übernehmen. 76 Prozent sagen: „Weil es selbstverständlich ist“.

Das Verhältnis zwischen Pflegenden und Pflegebedürftigen

Die pflegenden Angehörigen wurden auch nach ihrer Beziehung zur pflegebedürftigen Person befragt.

  • 53 Prozent erklärten: „Wir haben ein gutes Verhältnis“
  • 51 Prozent: „Es besteht große Zuneigung“
  • 25 Prozent: „Es gibt häufig Spannungen“
  • 21 Prozent: „Ich fühle mich abhängig“
  • 19 Prozent: „Unser Verhältnis hat sich durch die Pflege nicht verändert“
  • 18 Prozent: „Unsere Beziehung ist intensiver geworden“
  • 14 Prozent: „Es gibt Schuldgefühle“
  • zehn Prozent: „Die Pflege wird nur ungern angenommen“
  • neun Prozent: „Es kommt oft zu Aggressionen“.

Pflege belastet die Pflegepersonen körperlich und seelisch oft stark. Der Sozialverband VdK Saarland berichtet, dass fast 70 Prozent von ihnen über Stress klagen und die Hälfte mit körperlichen Beschwerden zu kämpfen hat. 13 Prozent der Familienangehörigen im Saarland, die pflegen, geben laut Pflegestudie an, die Pflegesituation sei „sehr gut zu bewältigen“, 52 Prozent sagen, sie sei „noch zu bewältigen“. Für 30 Prozent ist sie „nur unter Schwierigkeiten zu bewältigen“ und für 4,5 Prozent „eigentlich gar nicht mehr zu bewältigen.“

Pflegende im Saarland wünschen sich mehr Unterstützung

So verwundert es nicht, dass sich die Pflegepersonen im Saarland mehr Unterstützung wünschen, unabhängig davon, ob sie bereits professionelle Hilfe in Anspruch nehmen oder nicht. 81 Prozent wollen mehr Unterstützung, wenn sie erkrankt oder im Urlaub sind (Verhinderungspflege), 80 Prozent wollen mehr Kurzzeitpflege, jeweils 76 Prozent mehr Unterstützung im Haushalt sowie bei der Betreuung, 58 Prozent mehr Tages- und Nachtpflege und 55 Prozent mehr Unterstützung durch einen Pflegedienst.

Die Pflegestudie nennt Gründe, warum diese Wünsche oft nicht in Erfüllung gehen. 55 Prozent der Befragten verzichten darauf, „weil wir selbst zu viel dazu bezahlen müssten“. Knapp die Hälfte gab an, die Anbieter vor Ort hätten keine freien Kapazitäten, und rund 20 Prozent wollen der pflegebedürftigen Person nicht zumuten, stärker von Fremden betreut zu werden. Etwa jeder Vierte befürchtet, dass weniger Pflegegeld übrig bleibt, das für Leistungen gebraucht wird, die die Pflegeversicherung nicht oder nur teilweise übernimmt. Dazu zählen Taxifahrten, nicht verschreibungspflichtige Medikamente, besondere Pflegeprodukte, Inkontinenzversorgung oder spezielle Ernährung. Nicht zuletzt verzichten viele auf eine Verhinderungspflege, weil das Antragsverfahren zu kompliziert ist (18 Prozent) oder zu lange dauert (sechs Prozent). Das gilt auch für eine Kurzzeitpflege: zwölf Prozent und 14 Prozent.

Nehmen die pflegende Angehörige Unterstützungsleistungen in Anspruch, so ist es im Saarland laut der Pflegestudie am häufigsten Pflegegeld (84 Prozent). 35 Prozent entfallen auf einen ambulanten Pflegedienst, 39 Prozent auf die Verhinderungspflege, 32 Prozent auf eine Haushaltshilfe, 20 Prozent auf Kurzzeitpflege, zehn Prozent auf Betreuungsdienste, sieben Prozent auf Tages-/Nachtpflege und fünf Prozent auf eine 24-Stunden-Betreuung. Sechs Prozent nehmen keinerlei Unterstützung in Anspruch. Von den Saarländern, die professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, sind die meisten sehr zufrieden: mit dem Pflegedienst zu 88 Prozent, der Tages-/Nachtpflege zu 90 Prozent, der Verhinderungspflege zu 87 Prozent, der Kurzzeitpflege zu 73 Prozent, der Haushaltshilfe zu 80 Prozent, der Betreuung zu 95 Prozent und der 24-Stunden-Betreuung zu 90 Prozent.

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