Perecs berückender "Formzwang" im KuBa

Saarbrücken. "Formzwang", das gewiss schönste Wort der Welt entstammt der "Werkstatt für potenzielle Literatur", kurz "Oulipo". Am 24. November 1960 trafen sich ein paar französische Autoren, vornehmlich der Sprachartistik zugeneigt, um fortan monatlich einander ihre Werke vorzutragen

Saarbrücken. "Formzwang", das gewiss schönste Wort der Welt entstammt der "Werkstatt für potenzielle Literatur", kurz "Oulipo". Am 24. November 1960 trafen sich ein paar französische Autoren, vornehmlich der Sprachartistik zugeneigt, um fortan monatlich einander ihre Werke vorzutragen.Auf den Tag genau 50 Jahre später trafen sich Menschen in der von nun an die Hörkunst ehrenden HörBar des Kuba am Eurobahnhof, um sich diesmal in Zusammenarbeit mit SR2-Kulturradio an einem Text eines famosen Oulipoten, des 1982 mit gerade einmal 46 Jahren verstorbenen Georges Perec zu erfreuen. Der war ein Meister des Formzwangs. Was so viel heißt wie, Spracherweiterung durch formale Zwänge. Dabei werden mit Absicht Barrieren und Verbotsschilder aufgestellt, die dazu zwingen, sich neue Wege in die Welt der Sprache und des Schreibens zu suchen. So verhält es sich auch bei dem Angestellten, der seinen Chef um eine Gehaltserhöhung bitten will. Georges Perec hat seine im Nachlass entdeckte Schrift "Über die Kunst seinen Chef anzusprechen und ihn um eine Gehaltserhöhung zu bitten" wie ein Organigramm, ein Schaubild organisiert. Damit hat er auf Grundlage einer mathematischen Formel ein Hohelied auf das Entweder-Oder verfasst, das seinen Helden in immer schrägere Denk- und Handlungswege verschlungenenwegs in die Rundablage, sprich Papierkorb, hineintreibt. Sein Ziel war die "vollständige Unlesbarkeit" zu erreichen, ließ Perec-Übersetzer Tobias Scheffel in seiner kundigen wie kurzweiligen Einführung in die Oulipo-Welt wissen. Das mag unlesbar sein, aber es ist gut zu sprechen und noch besser zu hören, was Tobias Scheffel und Sprecher Marcel Hinderer vollgültig bewiesen. Das gilt pfeilgrad ohne Wenn und Aber. sg

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