Patrick Stoll drillt die Komparsen"Hilflos" hat die Latte hoch gelegt

St. Wendel. "Links, zwo, drei, vier", ruft Patrick Stoll. Im Laufschritt begleitet er 18 Soldaten, die in Zweierreihen über das Pflaster der ehemaligen Tritschler-Kaserne in St. Wendel rennen. Rund elf Jahre nach dem Abzug der französischen Garnison hat nicht die Bundeswehr die Gebäude bezogen, sondern das SR-Tatort-Team hat dort am vergangenen Mittwoch gedreht

 Eine der in St. Wendel gedrehten Szenen zeigt die Reservisten im Laufschritt. Fotos: B & K

Eine der in St. Wendel gedrehten Szenen zeigt die Reservisten im Laufschritt. Fotos: B & K

St. Wendel. "Links, zwo, drei, vier", ruft Patrick Stoll. Im Laufschritt begleitet er 18 Soldaten, die in Zweierreihen über das Pflaster der ehemaligen Tritschler-Kaserne in St. Wendel rennen. Rund elf Jahre nach dem Abzug der französischen Garnison hat nicht die Bundeswehr die Gebäude bezogen, sondern das SR-Tatort-Team hat dort am vergangenen Mittwoch gedreht. Der Arbeitstitel des Films lautet "Heimatfront" und soll Anfang 2011 in der ARD laufen. Da die Krimimacher keine Drehgenehmigung für eine Bundeswehrkaserne bekommen haben, mussten sie einen anderen Ort finden. Die Wahl ist auf die ehemalige Kaserne in St. Wendel gefallen.Den Vorschlag dort zu drehen, hat Patrick Stoll gemacht. Der Alsweiler restauriert nicht nur historische Militärfahrzeuge, sondern er hat mit anderen die Firma "Military Film and Movie Service" gegründet. Das Unternehmen bietet Dienstleistungen für Filmemacher an, die einen Streifen mit militärischem Hintergrund drehen wollen. "Ich spezialisiere mich auf die Wehrmacht und die Bundeswehr", sagt Stoll. Da es beim jüngsten SR-Tatort um vier Bundeswehrsoldaten geht, die aus Afghanistan heimkehren und Probleme haben, in ihr altes Leben zurückzufinden, sind die Dienste von Stolls Firma gefragt gewesen. Auf dem Gelände der Tritschler-Kaserne stehen fünf ehemalige Bundeswehr-Fahrzeuge: zwei MAN-Laster, ein Kleintransporter, ein Mercedes-Zweitonner mit einem Maschinengewehr auf dem Dach sowie ein Mercedes Benz 250 GD Wolf. Auch wenn Stoll zurzeit ausschließlich Wehrmacht-Wagen besitzt, verfügt er über gute Kontakte in die Militaria-Szene. "Die Fahrzeuge habe ich in Frankreich und im Saarland organisiert", sagt Stoll."Herr Oberfeldwebel, machen Sie bitte die Schnürsenkel weg", ruft Stoll und zeigt auf die Stiefel von Robert Obermair. Lacher des Film-Teams schallen über das Gelände, während der Regie-Assistent die Schnürsenkel in die Knobelbecher fummelt. Warum tragen Obermair oder der zweite Regieassistent Philip Christen Uniformen? "Die wollen auch beim Tatort mitspielen", sagt Hubert Georg Flachhuber, der nach Statisten für den Tatort gesucht hat. Rund 40 Bundeswehr-Reservisten und verkleidete Zivilisten mimen den militärischen Alltag in einer Kaserne. Während die 18 Soldaten mit Stoll vorbeilaufen, gehen die SR-Kommissare Stefan Deininger (Gregor Weber) und Franz Kappl (Maximilian Brückner) an ihnen vorbei. Wenig später unterhalten sich die Polizisten mit einem Major, den Schauspieler Torsten Michaelis darstellt. Mehrere Male wird die Szene geprobt und wiederholt, bevor Regisseur Jochen Alexander Freydank mit den Aufnahmen zufrieden ist. "Ein Teil der Statisten war bereits um sieben Uhr früh hier", erzählt Flachhuber. Soldaten-Darsteller hätten in Reih und Glied vor dem Wohnwagen der Maske gestanden, um sich darin die Haare auf "Bundeswehr-Länge" schneiden zu lassen. Der andere Teil der Statisten ist um 8.30 Uhr an den St. Wendeler Drehort gekommen. Vor den Aushilfsschauspielern liegt ein langer Tag. Laut Drehplan gehen die Filmaufnahmen bis 18.15 Uhr. Auch wenn über das Gelände der ehemaligen Kaserne ein kalter Wind weht und das Wiederholen der Szenen Ausdauer von den Film-Profis und -Amateuren verlangt, ist Patrick Stoll mit Eifer dabei. "Mir macht es Spaß", sagt der ehemalige Zeitsoldat. Bei der Bundeswehr war er unter anderem Ausbilder bei der Jägertruppe. Deshalb weiß er, welcher Ton auf dem Kasernenhof herrscht. Und als militärischer Berater des SR-Tatort-Krimis bringt er auch Zug in die Statistentruppe. Als ihm eine Begrüßung der Soldaten zu lasch war, schrie er noch lauter: "Guten Tag, Fallschirmjäger". Und die Statisten schmetterten zurück: "Guten Tag, Herr Major." Ein paar Grad über Null, eisiger Wind und stundenlanges Drehen im Freien - steht das Filmteam an so einem Tag kurz vor einem Lagerkoller?Maximilian Brückner: Warum Lagerkoller? Die Stimmung ist entspannt, es läuft super. Aber es liegen tatsächlich 20 harte Tage hinter uns.Gregor Weber: Es zeichnet ein professionelles Team aus, auch mit Spannungen umgehen zu können. Wir arbeiten manchmal elf, zwölf Stunden am Tag. Dafür werden wir aber auch mit einem guten Ergebnis belohnt.Wie hat sich der saarländische Tatort verändert, seitdem es das Kommissar-Duo Kappl/Deininger gibt?Weber: Er ist natürlich besser geworden (lacht). Brückner: Der Tatort musste sich erst einmal einschaukeln. Es braucht Zeit, bis man weiß, welche Geschichte passt. Weber: Bei einem kreativen Prozess muss man Geduld haben. Die Münchner Kollegen haben mir erzählt, dass sie auch erst ein paar Dinge ausprobieren mussten, bis sie zufrieden waren.Brückner: Und unsere beiden ersten Fälle waren ja nicht unbedingt so toll. Aber unser jüngster Tatort, "Hilflos", hat die Latte sehr hoch gelegt - darunter läuft nichts mehr.Haben Sie einen Lieblings-Tatort-Ermittlerteam?Weber: Ich mag die Münchner und die Kölner. Wenn auch bei den Kölnern die Geschichten etwas nachlassen, so mag ich doch die Schauspieler. Brückner: Dazu kann ich nichts sagen; ich kucke nicht viel fern. Lieber gehe ich ins Kino. Was ist das Besondere am Saarbrücker Tatort?Weber: Natürlich wir! Es gab bisher in jedem Tatort eine Szene, in der ich den Max schlagen darf. Auch das finde ich toll. Jetzt aber im Ernst. Ich denke, wir beide haben eine Spielweise, die sich stark unterscheidet von anderen Kommissaren.Brückner: Ich denke, das Besondere ist die starke Realitätsnähe.Sie wohnen beide in Bayern, jetzt sind Sie vier Wochen am Stück im Saarland, jetzt zwei Tage in St. Wendel. Bleibt Zeit, sich hier etwas anzuschauen?Brückner: Ich mag das Saarland. Leider kommt man zu wenig zum Genießen. Ich gehe morgens aus dem Hotel und abends zurück. Aber abends auf dem St.-Johanner-Markt zu sitzen, das bedeudet für mich Genießen. Nur leider klappt das zu selten. Von St. Wendel habe ich außer diesem Kasernengelände gar nichts gesehen. Weber: Ich weiß, wie schön St. Wendel ist. Aber heute habe ich nichts davon gesehen. Keine Zeit!

 Patrick Stoll beim Dreh in St. Wendel.

Patrick Stoll beim Dreh in St. Wendel.

 Gregor Weber (links) und Maximilian Brückner zeigten sich sehr entspannt beim Interview. Immer wieder scherzten und lachten die beiden Schauspieler.

Gregor Weber (links) und Maximilian Brückner zeigten sich sehr entspannt beim Interview. Immer wieder scherzten und lachten die beiden Schauspieler.

Auf einen BlickDie Firma "Military Film and Movie Service" möchte eine Casting-Datei aufbauen. Deshalb sucht das Unternehmen "junge Männer", die in der Bundeswehr gedient haben sollten, und die bei Filmdrehs dabei sein möchten. Zudem will die Firma am 15./16. Mai einen Promo-Film drehen. "Hierzu bräuchten wir zirka 30 Männer", sagt Patrick Stoll. Info-Telefon: 01 77 8 40 13 41 (bitte abends anrufen). mic

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