"Oh Gott, was ist das?!"

Saarbrücken. Zusammen sind sie etwa 1800 Jahre alt. Im Schnitt sind die 18 Frauen und neun Männer, die sich einmal pro Woche im Musikraum der Ganztaggrundschule Rastpfuhl treffen, etwa 70. Da ist schon das ein oder andere Gebrechen zu beklagen. Wenn diese Senioren an Ärzte denken, fallen ihnen allerdings nicht zuerst Internisten, Kardiologen oder der Hausarzt ein

Saarbrücken. Zusammen sind sie etwa 1800 Jahre alt. Im Schnitt sind die 18 Frauen und neun Männer, die sich einmal pro Woche im Musikraum der Ganztaggrundschule Rastpfuhl treffen, etwa 70. Da ist schon das ein oder andere Gebrechen zu beklagen. Wenn diese Senioren an Ärzte denken, fallen ihnen allerdings nicht zuerst Internisten, Kardiologen oder der Hausarzt ein. Bei Ärzten denken die Frauen und Männer vom Heart-Chor an eine Rock- und Punkband mit diesem Namen.

"Junge" heißt ein Song der Ärzte, den der Chor im Programm hat. Da geht es um die ewigen Vorwürfe, die die Alten den Jungen machen. Zurzeit arbeiten die Rock-Rentner am "Skandal im Sperrbezirk" der Spider Murphy Gang. "Und draußen vor der großen Stadt steh'n die Nutten sich die Füße platt", wird da geschmettert.

Axel Egler grinst. Von Damen und Herren seines Alters erwarte man vermutlich eher "Am Brunnen vor dem Tore", sagt der 66-Jährige. "Bei mir kribbelt es aber, wenn ich Ramstein singe", sagt er. Rammstein, sagt Helmuth Bock, sei für ihn bis vor Kurzem ein Ort in der Pfalz gewesen. Dass er sich jetzt - mit 70 - auf die Band Rammstein einlässt und "Gott weiß ich will kein Engel sein" singt, hätte er vor gut zwei Jahren noch nicht gedacht.

Im August 2008 hat der Verein Denkwerkstadt den Heart-Chor initiiert. Im Mai dieses Jahres hat sich der Senioren-Rockchor als Verein selbstständig gemacht. An der Außenwirkung hat das nichts geändert. "Die Leute sind alle erstaunt", sagt Helga Münchow, die stellvertretende Vorsitzende des Vereins. Wie viele der Heart-Chor-Mitglieder singt sie seit Jahrzehnten in Chören. Aber das hier sei "etwas ganz anderes", sagt die 71-Jährige.

Wer die Jungen noch überraschen kann, bleibe selbst jung, sagt Egler. Und dass bei einem Auftritt im Gefängnis die "schweren Jungs" begeistert mitgeklatscht haben, hat ihn beeindruckt und beflügelt.

Nicht nur im Gefängnis, auch in der Grundschule haben die Senioren überzeugt. Vor einem Auftritt mit den Schulrockern der Füllengartenschule habe man sich zu einer kurzen gemeinsamen Probe getroffen, erzählt Helmuth Bock. Man habe den Kindern angesehen, was sie dachten, als sie die alten Herrschaften kommen sahen: "Oh Gott, was ist das?!" Das Entsetzen sei schnell der Begeisterung gewichen. Die Schüler fanden sie cool, diese Alten.

Auf einen Blick

Das neue Buch zur "Saar Rock History" soll Mitte April nächsten Jahres erscheinen. Einen Monat später, am 15. Mai, wird im Historischen Museum Saar am Saarbrücker Schlossplatz eine Ausstellung zur saarländischen Rockmusikgeschichte eröffnet. Sie dauert voraussichtlich bis Oktober 2011.

Musiker und Bands, die im Buch erwähnt werden wollen oder interessante Ausstellungsgegenstände als Leihgabe fürs Museum haben, melden sich bei der Landeshauptstadt Saarbrücken, Norbert Küntzer, Telefon (06 81) 9 05-19 09, Fax (06 81) 9 05-19 03, E-Mail info@saarrockhistory.de

Die SZ begleitet den Weg zum Buch und zur Ausstellung mit einer Serie. Wer Anregungen hat, Geschichten zu erzählen hat, meldet sich bei Martin Rolshausen , Tel. (06 81) 5 02-22 79, E-Mail m.rolshausen@sz-sb.de

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