Nur die Weihnachtsstimmung bleibt auf der StreckeVon Höflichkeitsfloskeln und Schimpfwörtern

Mittlerweile bin ich aus Argentinien zurück. Doch längst habe ich an dieser Stelle noch nicht von all meinen Erlebnissen berichtet. Hier ein Bericht einer internationalen Begegnung. Seit einem Jahr kann meine argentinische Organisation, die evangelische Kirche am Rio de la Plata (IERP), auch wenige Argentinier im Rahmen eines Freiwilligenjahres nach Deutschland entsenden

Mittlerweile bin ich aus Argentinien zurück. Doch längst habe ich an dieser Stelle noch nicht von all meinen Erlebnissen berichtet. Hier ein Bericht einer internationalen Begegnung. Seit einem Jahr kann meine argentinische Organisation, die evangelische Kirche am Rio de la Plata (IERP), auch wenige Argentinier im Rahmen eines Freiwilligenjahres nach Deutschland entsenden. Ich hatte die Ehre, an deren Vorbereitungsseminar teilzunehmen und konnte viele Eindrücke mitnehmen.

Dieses Seminar wurde kurzfristig in "Intercambio" umbenannt, was so viel heißt wie internationaler Austausch. Aber warum gerade "Intercambio"? Das hatte einen ganz einfachen Grund: Bei diesem Treffen waren nicht nur die zukünftigen zwei Deutschlandfreiwilligen zugegen, sondern ebenfalls die drei gerade aus Deutschland zurückgekehrten argentinischen Erstvolontäre der IERP. Zudem wurde das Seminar durch zwei deutsche Freiwillige (mir und einer weiteren) ergänzt, die zu diesem Zeitpunkt in Buenos Aires ihren Freiwilligendienst absolvierten. Wir waren also eine internationale Gruppe. Doch was bedeutet der Begriff eigentlich? Wann kann man sagen, dass es sich um ein sogenanntes "intercambio" handelt? Der Begriff meint alleine nichts anderes als `internationaler Austausch. Es stellt sich also die Frage, ob ein "internationaler Austausch" nicht schon dann beginnt, wenn Menschen fremde Länder besuchen oder dort arbeiten, dabei die fremde Kultur kennenlernen, etwas von ihrer eigenen Kultur mit einbringen und wiederum etwas zurück in ihre Heimat mitnehmen und sei es letztendlich "nur" die Sprache? Aber im Allgemeinen nimmt man ja doch mehr mit! Oder muss es ein "Hin und Her" sein, um es als "intercambio" bezeichnen zu können? Dies würde bedeuten, dass Menschen aus beiden Ländern die Erfahrung gemacht haben müssten, das jeweils andere Land kennengelernt zu haben. Nein! Ich denke, dass Ersteres bereits zutrifft. Sicherlich hat es seine Vorteile, belebt und bereichert den Austausch, wenn Erfahrungen von beiden Seiten zusammen kommen. So, wie es nun endlich seit einem Jahr zwischen Argentinien und Deutschland im Rahmen der Freiwilligendienste der Fall ist!

Da jeder von uns das Land des anderen kennengelernt hatte, bekam dieses "Vorbereitungsseminar" einen eigenen Charakter. Es war spannend, verschiedene Sichtweisen über Alltägliches aus seiner Heimat mit anderen Augen kennenzulernen - aus der Sicht von Menschen, die dieser vor einem anderen Hintergrund gegenübertraten, sie aus einer anderen Perspektive betrachten konnten. Es hat sehr viel Spaß gemacht, sich über die unterschiedlichen Kulturen und die bereits gemachten Erfahrungen intensiver austauschen und auseinandersetzen zu können, diesmal mit jungen Menschen, die aus demselben Anlass die Heimat des anderen besuchten. So war es nicht nur für die Freiwilligen, die gerade zurück aus Deutschland kamen oder die Deutschen, die bereits seit sieben Monaten in Argentinien lebten, ein spannender Austausch, sondern vor allem auch für die zwei jungen Frauen, deren Weg direkt nach diesem Treffen nach Deutschland führen sollte. Sie lernten ihre Heimat auf Zeit bereits vor der Abreise kennen. Von einigen vergleichbaren sowie gegensätzlichen Erfahrungen möchte ich berichten:

Das gesamte Jahr eines Freiwilligen besteht aus Höhen aber auch aus Tiefen, das Jahr verläuft wie in einer Sinuskurve. Ist es für die einen der Tiefpunkt, kann es für die anderen ein Hochpunkt sein. Ein heikles Thema spielen immer die Feiertage. Weihnachten in einem anderen Land, ohne die eigene Familie, kann zur Traurigkeit führen. Zudem kommt bei den meisten Freiwilligen im konträren Klima keine richtige Weihnachtsstimmung auf: Für die Deutschen ist es seltsam, bei warmen Temperaturen Weihnachten zu feiern, ohne die Gemütlichkeit, die man auch mit der Kälte verbindet - und für die Argentinier bedeutet es, Weihnachten bei Kälte und Schnee zu begehen, wo man doch hochsommerliche Temperaturen gewöhnt ist. Genau dasselbe zu Ostern. Zu Ostern beginnt die Natur in Deutschland zu blühen und grün zu werden, während in Argentinien der Herbst Einzug hält.

< Wird fortgesetzt.

Kontakt zur Autorin: KajaKlinkeinArgentinien@gmx.de

Infos zu FSJ und DJiA gGmbH sowie Brot für die Welt im Internet:

djia.de

brot-fuer-die-welt.de

Abgesehen vom konträren Klima, hält ein solches Jahr noch Unmengen an weiteren Erfahrungen bereit. Man lernt eine neue Sprache kennen und setzt sich mit neuen Sitten auseinander, die einem zunächst vielleicht befremdlich erscheinen. Viele kennen bestimmt die Aussage: "Die Deutschen Menschen sind kühl!"

Doch die ehemaligen Freiwilligen aus Argentinien erzählen, dass es vielleicht im ersten Moment so erscheinen mag, doch letztendlich seien die Deutschen auch sehr freundlich und herzlich. Während man sich in Argentinien beim ersten Kennenlernen zur Begrüßung bereits sehr herzlich und freundschaftlich ein Küsschen auf die Wange gibt, reicht man sich in Deutschland "steif" die Hand.

In einer Gruppe, ob auf der Arbeit oder aber mit Freunden, trinkt man in Argentinien in geselliger und unkonventioneller Runde den Mate-Tee, während man in Deutschland zum Kaffee eingeladen wird. Selbst bei Begegnungen auf der Straße finden Begriffe wie "mi amor" (mein/e Liebe/r) oder aber "mi corazón" (mein Herz) in argentinischen Konversationen ihren Platz - und sei es nur, dass man von wildfremden Personen nach dem Weg gefragt wird. Genauso frei heraus geschieht allerdings auch der Umgang mit Schimpfwörtern wie "boludo", "hijo/a de la puta", die man in Deutschland als beleidigend empfinden würde. Daher würde einem so etwas in Deutschland nur in Auseinandersetzungen und heftigen Prügeleien begegnen, weshalb uns Deutschen dieser Umgangston seltsam und äußerst unhöflich erscheint. Doch selbst unter Freunden/Kumpels gehört es meist zum normalen Gespräch dazu. So habe ich auch einen argentinischen Film gesehen, in welchem ich immer wieder diese Ausdrücke ausmachte. In dieser Hinsicht könnte man uns Deutsche dann ebenfalls wieder als "steif" bezeichnen. Im Gegensatz dazu sind die höflichen Begriffe wie Danke und Bitte fest im deutschen Sprachgebrauch integriert und verankert. So gestand einer der ehemaligen Freiwilligen Gäste, der aus Argentinien kam, dass er genau diese höflichen Umgangsformen der Deutschen vermissen werde. Man sieht, Freundlichkeit, Offenheit und die Umgangsformeln sind in unterschiedlichster Weise und Form in Argentinien und Deutschland ausgeprägt. "Man setzt sich mit neuen Sitten auseinander."

Kaja Klinke

"Das Jahr eines Freiwilligen besteht aus Höhen, aber auch aus Tiefen, es verläuft wie in einer Sinuskurve."

Kaja Klinke

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