Nicht druckreife Flüche für den Freiheitskämpfer

Na, was macht denn dein Willi? Das ist die tägliche Ferien-Frage. "Bin schon auf Seite 94" grummelt missmutig der Nachwuchs. Es folgen nicht druckreife Flüche über das, was er da lesen muss. Der "Willi" und all die anderen Herrschaften um ihn herum gehen dem Schüler auf den Zeiger

Na, was macht denn dein Willi? Das ist die tägliche Ferien-Frage. "Bin schon auf Seite 94" grummelt missmutig der Nachwuchs. Es folgen nicht druckreife Flüche über das, was er da lesen muss. Der "Willi" und all die anderen Herrschaften um ihn herum gehen dem Schüler auf den Zeiger. Ich versuche mit blumigen Worten Friedrich Schillers Ehre zu retten, lobpreise seine wuchtigen Verse, das literarische Ausnahmetalent, das sich nicht nur im Wilhelm Tell-Drama widerspiegelt. Es nutzt alles nichts. "Warum muss man sich so was reinziehen?", fragt ungehalten der junge Mann, der es mit dem Lesen nicht so hat. "Mein Sohn", sagt ich, "das Schillersche Werk und andere Klassiker gibt es leider noch nicht in der Sprechblasen-Version." Und Abhandlungen über Donald Duck und seine quietschfidelen Freunde sind nicht Gegenstand des Unterrichts. Also lies!Meine Gedanken schweifen ab zu dem, was uns in der Schule vorgesetzt wurde. Gedicht-Interpretationen, pfui Teufel. "Ich sitze am Straßenhang. Der Fahrer wechselt das Rad. Ich bin nicht gern, wo ich herkomme. Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre. Warum sehe ich den Radwechsel mit Ungeduld?" Dieses Werk von Bertolt Brecht - wir sollten es interpretieren. Ich weiß bloß noch, dass mir dazu nichts einfiel und ich dafür flugs die Quittung bekam. Doch bis heute will ich nicht einsehen, warum ich mir über rätselhafte Äußerungen den Kopf zerbrechen soll.

Dann doch lieber den Wilhelm Tell. Da schlägt die Liebe zur Freiheit hohe Wellen, die Unterdrückten wehrten sich gegen die Willkür der Obrigkeit. Dem Nachwuchs schwärme ich davon vor. Steigere mich hinein in das heldenhafte Epos, das bis heute Aktualität genießt. Doch es bringt nichts. Erholung von der Weltliteratur ist jetzt angesagt. Am PC - wo sonst.

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