Vorlesetag in Neunkirchen Lieber lesen als Schokoküsse essen

Neunkirchen · Eine Projektgruppe der Ottweiler Anton-Hansen-Schule besucht zum bundesweiten Vorlesetag die Neunkircher Stadtbibliothek.

 Zum Vorlesetag ist eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern in die Neunkircher Bibliothek im Kult gekommen, hat sich dort umgeschaut, in Bücher reingeschnuppert und beim Gruppenfoto auch mal dem Vordermann Eselsohren gemacht.

Zum Vorlesetag ist eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern in die Neunkircher Bibliothek im Kult gekommen, hat sich dort umgeschaut, in Bücher reingeschnuppert und beim Gruppenfoto auch mal dem Vordermann Eselsohren gemacht.

Foto: Michael Beer

Es ist eine wuselige Truppe, die da in den Bibliotheksgängen unterwegs ist mit ihren Rallye-Zetteln. In größeren und kleineren Gruppen knacken die Schüler verschiedene, teils knifflige Fragen, deren Antworten in den Bücherwänden zu finden sind. Den Titel „Spitze! Von Ballet bis HipHop“ sollen sie genauso ausfindig machen wie das Buch „Frustschutzmittel“, Zeitschriften zu Sport und Bewegung auftreiben oder den Namen eines Buches über sein Bücherei-Kürzel herausfinden. Manche machen es sich einfacher: „Frau Zimmer, was bedeutet Kürzel?“ Lehrerin Annabell Zimmer, die mit den 32 jungen Leuten der Ottweiler Anton-Hansen-Schule an diesem Freitagmorgen in die Bibliothek im Neunkircher Kulturzentrum Kult gekommen ist, dient als Anlaufstelle, wo die Wege in der Bücherei zu lange erscheinen. Auf alle Fälle: Es ist etwas los im Saal der großen und kleinen Literatur.

Der 15. November ist bundesweiter Vorlesetag. An vielen Orten lesen bekannte und weniger bekannte Menschen an diesem Freitag vor. Auch im Kreis machen viele Lesestunden auf die Freuden einer guten Lektüre aufmerksam. Die Anton-Hansen-Schüler gehen diesmal einen anderen Weg mit ihrem Besuch in Neunkirchen. Deutschlehrerin Annabell Zimmer: „Wir haben in den vergangenen Jahren Vorleser in der Schule gehabt oder sind in die Buchhandlung Köhler bei uns in Ottweiler oder zu Bücher König nach Neunkirchen gefahren. Dieses Jahr haben wir eine Projektgruppe über die Klassenstufen gebildet, um in die Bibliothek zu kommen.“ Astrid Lorig vom Bücherei-Team hat den jungen Leuten die Räume und das Angebot vorgestellt. Jetzt schwärmen alle aus, um den Fragenzettel ihrer Lehrerin abzuarbeiten. Was es als Preis gibt, wollen drei Mädchen wissen. „Gummibärchen und Schokoküsse“, antwortet Zimmer. Eine junge Dame verzieht das Gesicht. Sie will keine Süßigkeiten. „Dann lese ich lieber“, sagt sie.

Klar, nicht alle sind ganz nah am Thema des Vormittags. Ein Junge lümmelt sich in der Sitzlandschaft der Bibliothek, ein anderer sagt auf den Projekttag angesprochen, es sei schön, keine Schule zu haben und mal etwas rumlaufen zu können. Es sind Schüler der Klassenstufen fünf bis sieben, die an diesem Vormittag mit nach Neunkirchen gekommen sind, erläutert die Lehrerin. Wenn es auf die Pubertät zugeht, steht das Lesen nach ihrer Erfahrung doch eher im Hintergrund.

Schüler lesen nicht? Weit gefehlt. Jaimy, 13: „Ja klar, ich habe drei Bücherregale daheim. Wenn mir langweilig ist, lese ich lieber, als einen Film zu schauen.“ Ihre Mutter habe ihr von klein an vorgelesen, erzählt Jaimy, und sie damit „angesteckt“. Zoe sagt, sie habe über 60 Bücher daheim. Aktuell liest sie „Neben der Spur, aber auf dem Weg“ von Mina Teichert. Ein Buch zu Aufmerksamkeitsstörungen. Joe schießt sofort los, was es mit ADS und ADHS auf sich hat und wie interessant es ist, darüber etwas zu erfahren. „Die Wahrheit über Ivy“ und „Candy“ sind weitere Titel, die die Zwölfjährige direkt empfehlen möchte. Das Lesen braucht ihr sicher niemand näherzubringen. Jannis (13) und Christian (14) haben nicht einen so ausgeprägten Zugang zu Lesestoff. „Ich habe vier mal die Woche Fußball-Training“, sagt Jannis, er lese selten. Christian macht es von der Lektüre abhängig. Wenn ein Buch interessant sei, dann schon, aber insgesamt sind PC-Spiele schon mehr sein Ding. Für Gianna (14) steht fest: „Mädchen lesen mehr.“ Romane und Erzählungen, das sei etwas für ihresgleichen, Jungs tendierten zu Sport und Zeitschriften, Romane aber „auf gar keinen Fall“.

Die bange Frage des Vorlesetages: Lesen junge Leute immer weniger? Bücherei-Leiterin Gabriele Essler: „Es wird weniger gelesen, das stimmt. Aber dass das Buch verschwindet, das ist nicht so.“ In der Bibliothek gingen neben dem klassischen Buch aus E-Books, Hörbücher, Filme und Spiele gut. Wobei die konventionellen Brettspiele gleichermaßen ihre Freunde hätten wie die Konsolen-Spiele. Das Freizeitverhalten habe sich verändert, von einem Kulturpessimismus wolle sie aber nicht das Wort reden.

Wichtig sei neben öffentlichen Aktionen wie dem Vorlesetag und der Beschäftigung mit dem Lesen in den Bildungseinrichtungen insbesondere das Verhalten in der Familie. Wenn Eltern ihren Kindern Bücher näher brächten, sei dies der entscheidende Schritt. Alles in allem eine kontinuierliche Aufgabe. Für die Lehrerin Annabell Zimmer in der Ottweiler Schule eine Bücherei aufbaut. Denn das Lesen soll schließlich nicht aussterben – auch nicht unter Jungs.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort