Quilt-Ausstellung in Neunkirchen Wo einfache Stoffe zu Kunstwerken werden

Neunkirchen · Hunderte Besucher genossen die 10. Patchwork- und Quiltausstellung der Turmquilterinnen in der Christuskirche.

Was haben eine atemberaubende Skyline, Urenkel  und ein bizarr geformter Agaven-Baum namens Joshua Tree gemein? Bei allen handelt es sich um Motive, die große Zierdecken bei der Jubiläums-Patchwork- und Quiltausstellung in der Christuskirche schmückten. „Das ist so inspirierend“, strahlte Besucherin Anne Schmidt, die mit Kindern und Freundin aus Oberthal her gepilgert war und die ganze Pracht akribisch fotografierte. „Das verpassen wir nie.“ Noch weiter hatten es einige der sieben Aussteller, die unter anderem aus Tschechien, dem Odenwald und Schwäbisch Hall anreisten, die Autos voller Kisten mit „Stöffchen“, aus dem Quiltträume gemacht sind.

Aller zwei Jahre ist die evangelische Kirche am Unteren Markt Mekka für Näh-Enthusiastinnen und Menschen, die handgemachte Dinge schätzen. Viel mehr Handarbeit und Liebe als in einen Quilt stecken geht nämlich fast nicht. Das wird klar, wenn man sich mit Inge Werner, Leiterin der gastgebenden Turmquilterinnen, unterhält. Zweieinhalb Jahre hat sie an dem Bibel-Quilt, der nun dauerhaft eine der Kirchenwände schmückt, geschafft – ohne Nähmaschine, nur von Hand, versteht sich. Eine unbezahlbare Arbeit, „man rechnet pro Quadratzentimeter drei bis vier Euro“, verrät die 78-jährige Organisatorin. Da kommt man schnell aufein paar tausend Euro. Aber das nur nebenbei.

32 Frauen im Alter von 21 bis 84 Jahren treffen sich jeden dritten Mittwoch im Monat im Turmstübchen, um sich auszutauschen und dazu zu
lernen. Angefangen hat alles vor 50 Jahren mit einem Bastelkreis, in dem
man auch die berühmt-berüchtigten Klopapierrollen umhäkelte, erinnert sich Inge Werner lächelnd. Zu Beginn der 90-er Jahre baute ihr Ehemann eine Berufsschule in Afrika mit auf. „Dort hat er schöne Stoffe gesehen und mir mitgebracht.“ Um das „Wie“ zu lernen, besuchte sie Patchwork-Kurse „bei Amerikanerinnen in Grünstadt“. 1993 gründete sich die Turm-Gruppe, die 1999 die erste Quilt-Ausstellung im Saarland auf die Beine stellte. Wenn heute Frauen neu dazu stoßen, dann meistens, um Taschen zu nähen. „Denen erzähle ich dann immer vonden Amish People“ – einer kleinen, höchst konservativen Religionsgemeinschaft in der Tradition der Wiedertäufer, die im 18. Jahrhundert wegen religiöser Verfolgung aus Süddeutschland, dem Elsass und der Schweiz nach Amerika aussiedelten. Die so genannten Quilting-Bees, bei denen jeder jedem half, haben sich in der Neuen Welt bis heute gehalten. „Bee“ (Biene) steht für emsige Quilterinnen, die bei ihren Treffen gemeinsam auf große Rahmen gespannte Stoffteile quilten. Dabei entstehen etwa Überdecken fürs Bett, auf denen sich Freundinnen zum Plauschen niederlassen. Und spätestens da erwacht dann regelmäßig der Ehrgeiz der Anfängerinnen, „das will ich auch“. Langeweile hat man ab diesem Moment jedenfalls keine mehr. Schwer sei Patchwork übrigens überhaupt nicht, „man muss nur die Technik können“. Zusätzlich zu den regelmäßigen Treffen bietet Inge Werner Projekte an: „Zwei ganze Samstage, das freut die Frauen immer, da bringt jeder was zu essen mit. Das ist für die immer ein richtig schöner Urlaubstag.“ In diesem Herbst wird es um einen „Bücherregal“- Qulit gehen, der schon in der Rohfassung für viele Ahs und Ohs sorgte. Die geballte Frauenpower war es auch, was Susanne Kreuz bei ihrem „ersten Mal“ als Ausstellerin in der Christuskirche begeisterte. „Die kreativen Frauen, die gläserne Augen kriegen, wenn sie die Stoffe sehen und angreifen.“ Im Oktober hat sie ihre „Stofferia JaJoMA“ in Bliesen eröffnet. Quilten liegt ihr nicht, „dafür bin ich zu ungeduldig“, aber Nähen ist ihr großes Ding: „Das hat Suchtcharakter, ich kann nicht aufhören damit.“ 2020 wäre sie gern wieder dabei. „Die Location hier ist schon irre.“ Für Inge Werner könnte das der letzte Einsatz als „Chefin“ sein: „In zwei Jahren werde ich 80, dann ist Feierabend.“

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