Wie Landrat Günther Schwehm in den Ruhestand kam

Kreis Neunkirchen. Es ging um einen schulischen Einsatz, genauer, um einen Aufsatz. In der Wemmetsweiler Grund- und Hauptschule hatte Konrektorin Marlene Woll im Deutschunterricht anno 1985 dazu aufgefordert, einen Aufsatz über "Sitz- und Setzwörter" zu schreiben. Jörg Hahn, damals zwölf Lenze jung, kaute an seinem Dauerschreiber

Kreis Neunkirchen. Es ging um einen schulischen Einsatz, genauer, um einen Aufsatz. In der Wemmetsweiler Grund- und Hauptschule hatte Konrektorin Marlene Woll im Deutschunterricht anno 1985 dazu aufgefordert, einen Aufsatz über "Sitz- und Setzwörter" zu schreiben. Jörg Hahn, damals zwölf Lenze jung, kaute an seinem Dauerschreiber. Vater Helmut schaute besorgt nach dem Filius, der ihm die schwierige Situation schilderte. Beide überlegten gemeinsam. Filius Hahn warf den Begriff "Landsitz" in die Debatte. Daraus aber machte Vater Helmut, aus aktuellem Anlass, das Wort "Landratsitz". Denn im Ottweiler Witwenpalais stand damals ein Wechsel an. Die Mehrheit im Kreistag hatte sich anders "gesetzt", um beim Aufgabenthema zu bleiben. Sie war von der schwarzen zur roten Seite gewechselt. Das war nicht gut für den "schwarzen Landrat" Dr. Günther Schwehm. Und prompt wollten die Roten mit ihrer Mehrheit und der Hilfe von zwei Grünen den altgedienten Landrat loswerden. Einer aus den roten Reihen sollte die Geschicke des Kreises lenken. Das wiederum setzte voraus, dass der brave Günther Schwehm abgesetzt werden musste. Die Aufsatzschreiber in der Wohnstube des Hauses in der Straße "Zum Stried 15" in Wemmetsweiler machten sich umgehend ans Werk, die hochaktuelle Version der Landratsabwahl ins rechte Licht zu setzen. "Während der letzten Sitzung des Kreistages erfuhr der Landrat von seiner Versetzung in den Ruhestand. Schon bei seiner Einsetzung wusste er, dass sein Sitz kein Hochsitz, sondern ein Schleudersitz war. Er hatte gut gesessen, aber jetzt war er abgesetzt. Er verließ seinen Landratssitz, setzte sich auf seinen Autositz und fuhr auf seinen Herrensitz. Ab heute kümmert sich der Landrat nur noch um seine Setzlinge im Garten, schreibt Aufsätze und spielt mit seinem Setzkasten. Gesetz ist Gesetz." Bei diesen wohlgesetzten Sätzen saßen die Ideen. Mit ihren treffenden Sätzen hatten Jörg und Helmut Hahn auch noch die gesamte Problematik des in den Ruhestand versetzten Landrats Günther Schwehm skizziert. Am gleichen Tag, als die SZ über den "Sitz- und Setz-Aufsatz" berichtete, informierte sie ihre Leser darüber, dass "sich der Kreistag mit 19:13 Stimmen in geheimer (!) Abstimmung für die Abwahl von Schwehm ausgesprochen hat". Die rot/grüne Mehrheit hatte sich, um im Wortspiel zu bleiben, "durchgesetzt". Fast zeitgleich setzte sich der Pädagoge Rudolf Hinsberger als SPD-Kandidat in der Nachfolge Schwehms durch. Im Oktober 1986 kürten die Roten Hinsberger mit ihrer Mehrheit zum Nachfolger von Schwehm, der damals 60 Jahre alt war.

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