Interpretationsspielraum Wenn Omas Rente „Stütze“ braucht

Kreis Neunkirchen · Altersarmut – so sehen die Zahlen in unserer Region aus. Aufgabe auch für die Kommunen.

 Christoph Faber, Chef des Kreissozialamtes.

Christoph Faber, Chef des Kreissozialamtes.

Foto: Thomas Seeber

Drückende Geldnot im Alter – darauf weisen auch aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes hin. So haben etwa Frauen über 65 ein erhöhtes Armutsrisiko (SZ vom 9. November). Und die Ersteller des Schuldneratlas 2017 sehen einen Trend steigender Altersverschuldung (SZ vom 10. November). Altersarmut ist dabei nicht nur ein bundespolitisches Thema. Probleme schlagen immer ganz konkret vor Ort auf. Das hat Awo-Landesvorsitzender Marcel Dubois jüngst wieder betont und gefordert: Kommunen müssen sich zunehmend gegen Altersarmut wappnen. Geld sei nur ein Problem. Bedürftigkeit gehe oft mit Rückzug aus dem Sozialleben einher. Was also muss zum Thema auf die kommunale Agenda?

„Die kommunale Seite kann, was die finanzielle Absicherung der Menschen betrifft, keinen Beitrag leisten“, heißt es auf SZ-Anfrage von der Pressestelle der Stadt Neunkirchen. „Wir können als Stadt über den Städtetag und in politischen Gremien nur an den Gesetzgeber appellieren, dass das Rentenniveau nicht noch stärker absinken darf, eventuell auch noch mal nachgebessert wird.“ Nach der Reform des Sozialrechts seien einmalige Beihilfen weggefallen. Auch hier müsse nachgebessert werden. Zudem brauche es kostenlose/preiswerte Angebote im Bereich Bildung und Kultur. Was gehört zu kommunalen Hilfen? Tafel, Sozialkaufhaus, Kreiskarte, Kulturschlüssel, Spendenfonds Neunkircher in Not, Mehrgenerationenhäuser mit kostenlosen Angebote oder auch Stadtteilarbeit mit kostenlosen Angeboten, zählt die Stadt auf - Projekte und Einrichtungen, die den Auswirkungen von Bedürftigkeit - in jedem Lebensalter - entgegenwirken wollen.

Altersarmut ist ein Aufregerthema. Wobei der Begriff statistisch einigen Interpretationsspielraum lässt. Gemäß der Definition der Europäischen Union ist von Armut bedroht, wer mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Bevölkerung auskommen muss. Diese Definition benutzt auch der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband. Laut seinem Armutsbericht 2017 (Datenmaterial aus dem Mikrozensus 2015) lag die Armutsquote bei 15,7 Prozent. Die Quote bei Rentnern, die auf öffentliche Unterstützung angewiesen sind, schnellte hoch: in zehn Jahren von 10,7 auf jetzt 15,9 Prozent. Berücksichtigt wird allerdings nur Einkommen, nicht etwa Immobilien-Besitz.

Die Fakten im Landkreis Neunkirchen können eine steigende Altersarmut in der Region derzeit nicht dokumentieren. „Die Zahl der Menschen, die nach dem Renteneintrittsalter Grundsicherung beziehen, ist bei uns ein relativ konstanter Wert in den letzten Jahren. Einen Anstieg, von dem viel zu lesen und zu hören ist, gibt es bei uns derzeit definitiv nicht. Er zeichnet sich auch nicht für das laufende Jahr ab“, stellt Christoph Faber, Leiter des Kreissozialamtes, auf Anfrage unserer Zeitung fest. Und weiter mit Blick auf die Frauen, die ein höheres Risiko für Armut im Alter tragen: „Auch die Zahl der Frauen im Grundsicherungsbezug nach Renteneintritt geht zur Zeit im Landkreis Neunkirchen nicht nach oben.“

Im Oktober waren 953 Personen nach Renteneintritt in der Grundsicherung (siehe „Hintergrund“) – (393 Männer/560 Frauen). Faber: „Es mag immer eine Dunkelziffer geben von Menschen, die einen Anspruch haben, ihn aber nicht einfordern.“ Wie lässt sich der Nicht-Anstieg im Kreis Neunkirchen erklären? Faber: „Eine Erklärung könnte sein, dass wir hier einen ländlich geprägten Raum haben. In Großstädten und Ballungszentren mag das anders sein. Im ländlichen Raum wird die kleine Rente der Oma wohl eher von der Familie aufgefangen. In unserer Region liegt zudem die Eigenheimquote hoch. Wenn jemand mit der kleinen Rente im eigenen, abbezahlten Häuschen wohnt, entlastet das seine monatlichen Ausgaben deutlich, anders in einer Mietwohnung in der Großstadt.“

Die Kreisstadt Neunkirchen rechnet perspektivisch allerdings mit steigenden Zahlen von Menschen, die im Rentenalter auf Sozialhilfe angewiesen sein werden. Und erinnert „aus der Praxis“, dass auch viele Senioren, die mit ihrem Einkommen gerade über dem Sozialhilfesatz liegen, zunehmend Probleme hätten, ihren Lebensunterhalt zu bewältigen. Man denke dabei nur an Zusatzkosten für Medikamente, eine neue Brille, neue Zähne oder auch Taxikosten, wenn Wege nicht mehr zu Fuß zurückgelegt werden können.

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