„Nie wieder Hass“ Wenn das Herz vor Trauer zu zerreißen droht

Elversberg · Die deutsch-syrische Theatergruppe Schams bewegte mit ihrem Stück „Nie wieder Hass“ die Zuschauer in der Glückauf-Halle

Vorlesungszeit an der Uni: Endlich mal wieder ein unbekanntes Krankheitsbild, freuen sich der Professor (Johannes Becher) und seine Medizinstudenten. „Schmerzen überall“ plagen den vor Angst panischen Patienten (Mwoloud Daoud), der vorgeführt wird wie ein Zirkustier. Man ahnt: Da zittert ein Flüchtling. Nach eingehender Untersuchung liegt der Fall ziemlich klar: Gedanken kreisen unaufhörlich im Kopf des Mannes. Im Bauch hat sich eine Riesenwut aufgestaut und das Herz droht zu zerreißen vor Trauer. So fühlt es sich also an, wenn man fort muss aus der Heimat und alles zurück lässt, was man kennt und liebt.

Niemand weiß das besser, als die jungen Schauspieler der multinationalen Theatergruppe Schams („Sonne“) aus St. Ingbert, die am Sonntag in der Glückauf-Halle ihr selbst entwickeltes Stück „Nie wieder Hass“ aufführten. Es waren 60 höchst intensive Minuten, in denen sich die Querschnitte vieler Flüchtlingsbiographien zu einem allgemeingültigen, nach wie vor tagesaktuellen Drama verdichteten. Umgesetzt wurde das in einzelnen prägnanten Spielszenen wie der Verhaftung durch Militärpolizisten oder dem Schippern übers Mittelmeer. Mit der eindringlichen Bitte „Begrabt euren Hass“ endete das Stück, für das sich das Publikum mit stehenden Ovationen bei dem 30-köpfigen Ensemble bedankte.

Leichte Kost war das nicht, das war Fadi Hawali anzusehen. „Traurig“ habe es ihn gemacht, und „schlechte Erinnerungen“ geweckt. Trotzdem sei es gut und „wichtig“, das Alles zu zeigen. Gebürtig in Latakia, lebt der frühere Maler und Dekorateur mit seiner Frau und den drei Kindern (2, 6 und 13 Jahre) im Haus von Regina Louis, die die Familie auch an diesem Abend begleitete. Vor einem Jahr kamen die Hawalis hier her. „Sie haben wenig Kontakt zu Deutschen“, bedauert ihre Gastgeberin. In der Schule gibt es Gruppenbildungen, Deutsche und Syrer bleiben unter sich. „Dagegen müsste die Lehrerin etwas tun.“

Unter den Zuschauern waren auch 150 Schüler der Gemeinschaftsschule. Während sie am Anfang noch fleißig tuschelten, wich die Unruhe später einer allgemeinen Aufmerksamkeit: „Es war gut“, meinte Lennart (13) im Anschluss, aber auch „traurig, wie da geschossen wurde“. „Ganz interessant und manchmal richtig krass“, urteilten Jenny (15) und Rebecca (15). Für sie ist das Thema damit nicht vom Tisch. Mit einem Besuch der beiden Regisseure Daoud und Becher startete am Montag die Nachbereitung in den Klassen 8, 9 und 10, münden wird sie in ein Schauspielprojekt der Theater-AG. „Wir haben 50 syrische Kinder an unserer Schule“, berichtete Susanne Gebauer, die das Projekt zusammen mit Marion Kaschek betreut. Kulturell bedingte Konflikte bleiben da nicht aus, die zu bewältigen das Projekt helfen soll.

Als emotionale Tortur erwies sich die Aufführung für Abdullah Aldabbas, der sie unter Tränen verfolgte. „Ich habe das alles selbst erlebt“, verriet der 25-Jährige: die Studentendemonstrationen in Damaskus, die Verhaftung auf Grund eines Verrats – sein Freund hatte unter Folter mehrere Namen preisgegeben, darunter den von Abdullah, die Flucht und die Probleme hier vor Ort. Was ihm auf der Seele brennt: „Es gibt noch hunderttausende Leute im Gefängnis. Ich bin jetzt in Freiheit, aber die sind noch in der Hölle.“ Viele junge Syrer würden fliehen, um nicht eingezogen zu werden und später auf Landsleute schießen zu müssen. „Wir kommen nicht wegen Geld oder Arbeit.“ Wenigstens für ihn scheint es ein Happy End zu geben. Wurde er doch von Silke Reitz begleitet, die strahlend meinte: „Wir sind das erste deutsch-syrische Pärchen.“

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