Wenn es der Verdauung zu viel wird Statt Völlegefühl: Gebt der Verdauung Bitteres

Spiesen · Was sind Bitterstoffe, wie wichtig sind sie für unsere Ernährung, was muss man wissen? Rund ums Thema Bitterstoffe spricht diesen Freitag Marie-Luise Spettel.

Bitterstoffe helfen bei Verdauungsproblemen
Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Man kennt das und weiß schon: Rund um die Feiertage muss man vermutlich wieder damit rechnen. Zu fettes Essen ist an diesen festlichen Tagen geradezu Standard. Meist fühlt man sich danach alles andere als gut. Vor allem zur Weihnachtszeit können der fettige Braten, das üppige Essen und Süßigkeiten zu Verdauungsproblemen führen. Wer seiner Verdauung etwas Gutes tun möchte, sollte regelmäßig Bitterstoffe zu sich nehmen.

Die große Stärke der Bitterstoffe liegt in ihrer positiven Wirkung auf den gesamten Verdauungsapparat, erklärt Spettel. Eine Vorspeise mit Chicorée, Löwenzahn oder Endiviensalat hilft den Speichelfluss anzuregen, die darin enthaltenen Enzyme helfen dabei, das Essen aufzuspalten oder vorzuverdauen. Alternativ kann man etwa Bittertropfen eine halbe Stunde vor dem Essen einnehmen. Der Magen beginnt nun bereits mit der Produktion von Magensaft; kommt das Essen dort an, kann er mit der Verdauung sofort losgehen. In der Leber wird vermehrt Gallenflüssigkeit produziert, die bei der Fettverdauung hilft. Auch Bauchspeicheldrüse und Darm werden angeregt und können so bessere Verdauungsarbeit leisten.

„Nach dem Genuss fettiger, schwer verdaulicher Nahrung können ein bitterer Kaffee oder Bittertropfen helfen, Völlegefühl zu vermeiden und die Fettverdauung anzuregen. Bitterstoffe sind wahre Alleskönner“, sagt Spettel. Sie können nämlich noch mehr. Die Insulinproduktion wird angekurbelt, der Cholesterinspiegel gesenkt und Blähungen, Magensäuremangel, Verstopfung, Völlegefühl und sogar Reizdarm oder Gastritis kann vorgebeugt werden.

Bei anhaltenden Verdauungsbeschwerden empfiehlt sich eventuell sogar eine Bitterkur. Vier Wochen werden vor allen drei Mahleiten Bitterstoffe eingenommen, empfiehlt die Heilkräuterexpertin.

 Kräuterexpertin Marie Luise Spettel gibt Tipps.

Kräuterexpertin Marie Luise Spettel gibt Tipps.

Foto: Ute Born-Hort

Nimmt man mit dem Essen zu wenige Bitterstoffe zu sich, kann das zu Verdauungsbeschwerden führen. Die Darmflora gerät aus dem Gleichgewicht. Neuste Untersuchungen sehen eine mögliche Beteiligung bitter-armer, moderner Ernährung an Zivilisationskrankheiten wie Allergien, Diabetes oder Übergewicht.

Bitterstoffen wird nachgesagt, allgemein stärkend auf den Organismus zu wirken, Fieber zu senken, Entzündungen zu bekämpfen und zu entspannen. Bitterstoffe sollen auch auf das Herz-Kreislaufsystem eine positive Wirkung haben.

Gut erforscht sind die sogenannten Senfölglykoside, die beispielsweise Meerrettich oder Brokkoli eine herbe Note verleihen. Leichte Harnwegs- oder Atemwegsinfektionen werden hiermit behandelt oder es wird ihnen vorgebeugt.

Auch bei Hautproblemen können Bitterstoffe helfen, da sie die Bildung von Fettstoffen auf der Haut anregen können, die die Haut vor Austrocknung und Umwelteinflüssen schützen.

Aber was genau sind Bitterstoffe? Dabei handelt es sich, erklärt Spettel, um sehr wirkungsvolle Pflanzenstoffe, die bitter schmecken, ihre einzige Gemeinsamkeit ist denn auch dieser bittere Geschmack. Das bedeutet, dass die mehr als 200 bekannten Bitterstoffe chemisch unterschiedlich zusammengesetzt sind.

 Ja, ja, die Weihnachtsgans. Fettes Essen und zu viel Süßes, das hat um Weihnachten Tradition. Wie Bitterstoffe bei der Verdauung helfen können, was Bitterstoffe überhaupt sind, worin sie enthalten sind und vieles mehr, das erfährt man in einem Vortrag beim Kneipp-Verein Spiesen.

Ja, ja, die Weihnachtsgans. Fettes Essen und zu viel Süßes, das hat um Weihnachten Tradition. Wie Bitterstoffe bei der Verdauung helfen können, was Bitterstoffe überhaupt sind, worin sie enthalten sind und vieles mehr, das erfährt man in einem Vortrag beim Kneipp-Verein Spiesen.

Foto: gms/Katharina Klink

Der bittere Geschmack galt unseren Vorfahren als Warnung vor giftigen Pflanzen. Diese schützen sich durch ihren bitteren Geschmack vor Fressfeinden. Bitter wird häufig als unangenehm empfunden: ein natürliches Warnsignal. Bei Kindern ist diese Abneigung noch stärker ausgeprägt, da Gift ihren Körper stärker fordern oder angreifen würde. Besser also, das potenzielle Gift gar nicht erst zu schlucken. Die Besonderheit hier: Bitter wird vom Menschen auch schon in kleinen Mengen als unangenehm empfunden, anders als salzig oder süß etwa. Nicht alle Menschen nehmen bitter gleich stark wahr. Es heißt, je größer die Abneigung, desto eher braucht der eigene Körper die Bitterstoffe.

Beispiele für sehr bitterreiche Pflanzen sind Wermut, Schafgarbe, Tausendgüldenkraut, Wegwarte, Orangenschalen sowie Löwenzahnblätter und -stängel. Als bitterste Pflanze gilt der gelbe Enzian. Bitterstoffe in Lebensmitteln findet man in Radicchio, Endivie, Rosenkohl, Aubergine, Kumquat, Grapefruit oder Artischocken. Kräuter und Gewürze, die Bitterstoffe enthalten, sind beispielsweise Lavendelblüten, Ingwer, Zimt, Hopfen oder Salbei.

Genießer wird es freuen: Grüner Tee, herbes Pils, Rotwein und Kaffee enthalten ebenfalls wertvolle Bitterstoffe. Trotzdem gilt natürlich: Genuss in Maßen ist angesagt.

Allerdings, so sagt Spettel, gilt es auch in Sachen Bitterstoffe einiges zu beachten. „Viele Bitterstoffe wurden nicht ohne Grund weggezüchtet. Schmecken Zucchini oder Kürbis, Gurken oder Melonen aus dem eigenen Garten bitter, zeigt dies das hitzebeständige, sehr giftige Cucurbitacin an. Schon geringe Mengen führen zu Übelkeit und Erbrechen. Auch das bittere Solanin, das etwa in unreifen, grünen oder bereits gekeimten Kartoffeln zu finden ist, ist giftig und nicht zum Verzehr geeignet“, warnt Spettel. „Symptome sind Benommenheit, Herzrhythmusstörungen und Krämpfe.“

Oftmals sind industriell hergestelle Lebensmittel stark gesüßt, fettig und salzig. Bitteres wurde bewusst herausgezüchtet oder weggeschnitten. „Bittere Wildpflanzen wie Löwenzahn, Wegwarte oder Schafgarbe stehen nicht mehr auf unserem Speiseplan oder werden gar nicht erst erkannt“, sagt Spettel. „Wir sind nicht mehr an den bitteren Geschmack gewöhnt.“ Die gute Nachricht: Die Geschmacksnerven können umtrainiert werden. „So wie der erste Kaffee sicher sehr bitter schmeckte, nun aber von vielen täglich getrunken wird, verhält es sich auch mit Bitterstoffen“, weiß die Heilkräuterexpertin. „Stehen bittere Lebensmittel wieder auf unserem Speiseplan, gewöhnen wir uns wieder an diese fast vergessene Geschmacksrichtung und bitter wird zunehmend als wohlschmeckend empfunden.“

Es für viele leichter machen wird, sich an den bitteren Geschmack zu gewöhnen: Bitterstoffe sind auch Abnehmhelfer. Durch die Zufuhr von Bitterstoffen können Heißhungerattacken vermieden werden, indem bestimmte Hormone freigesetzt werden, die den Appetit hemmen. Weniger Heißhunger-Attacken und eine bessere Fettverdauung können wiederum zu einem Gewichtsverlust führen. Bitterstoffe sind verdauungsfördernd, und sobald die Verdauung in Gang kommt, lässt das Hungergefühl nach. „Beim nächsten Hungergefühl, am besten zuerst Bitterstoffe konsumieren, der Heißhunger ist so weniger ausgeprägt“, rät Spettel.

Bitterstoffe können in Form von Tropfen, Sprays, Pulver, Säften, Tees oder Kapseln eingenommen werden. Kapseln können zwar nicht direkt im Mund wirken, docken jedoch an Bitterrezeptoren im Magen an. Diese Bitterrezeptoren kommen übrigens im ganzen Körper vor: Darm, Lunge, Gehirn und Haut reagieren auf Bitterreize, was eine ganze Kette von komplexen, positiven Reaktionen auslöst. Der Körper „schmeckt“ quasi mit. Hier steht die Forschung noch am Anfang, weiß Septtel. In der Lunge wirken Bitterstoffe antientzündlich und immunregulierend, in den Bronchien etwa gegen Asthma.

Wer unter Sodbrennen leidet, der sollte die Bitterstoffe allerdings im Blick halten. Denn Sodbrennen wird gemeinhin mit zu viel Magensäure in Verbindung gebracht, eine Anregung derselben durch zu viele Bitterstoffe kann das Problem noch verschärfen. Sodbrennen kann jedoch auch durch zu wenig Magensäure verursacht werden, da die zu wenig verdaute Nahrung im Magen zu gären anfängt und in die Speiseröhre aufsteigt. Hier gilt es, auf seinen Körper zu hören und die Bitterstoffaufnahme zu reduzieren.

Wie alles, können auch Bitterstoffe Nebenwirkungen mit sich bringen. Entgiftungsreaktionen wie Kopfweh, Bauchschmerzen oder Durchfall können auftreten. Da der Mensch oftmals Bitterstoffe nicht mehr gewohnt ist, gilt es, sich langsam ranzutasten und im Zweifelsfall einen Arzt zu konsultieren. Bei Vorerkrankungen wie Magengeschwüren oder Gallensteinen ist von einer Einnahme abzuraten. Auch Wechselwirkungen mit Medikamenten sind nicht ausgeschlossen.

Am Freitag, 18. November, um 18 Uhr beginnt der Vortrag in den Räumen der ehemaligen Kneipe Wilbertstock in der Hauptstraße 261 in Spiesen. Der Eintritt ist frei.

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