Zuwanderer in der Kita Ein Leitfaden für die Kita

Neunkirchen · Sechssprachiger Kita-Leitfaden der Diakonie hilft zugewanderten Eltern wie auch den Mitarbeitern der Betreuungseinrichtungen.

Die Kleiderkisten im Flur sind mit Namen wie Deniz und Loresa, Rama und Hayam, Nisa-Nur und Cereen beschriftet. 21 unterschiedlichen Nationalitäten gehören die kleinen Besucher der Evangelischen Kindertagesstätte Arche Noah an. 93 der 125 Mädchen und Jungen besitzen einen Migrationshintergrund. Als Laie kann man nur ahnen, vor welcher Mammut-Integrations-Aufgabe Leiterin Petra Hübchen und ihr Team tagtäglich stehen. Im Moment haben sie jedoch allen Grund zur Freude: Der Anlass dafür besitzt A5 Format, ist 24 Seiten dick und trägt den Titel „Willkommen in der Kita“, Untertitel „Kindertageseinrichtungen einfach erklärt“. In sechs verschiedenen Sprachen führt die von der Diakoniestiftung an der Saar realisierte Broschüre zugewanderte Eltern an die Thematik heran.

„Dieser Leitfaden war überfällig“, betont Initiatorin Diemuth Hock-Forth, Fachberaterin im Referat der Diakonie Saar. „Kitas und Träger fühlen sich mit dem Thema alleingelassen.“ Wie sie beim Pressegespräch oben unterm Dach der „Arche“ informiert, fehlte es die ganze Zeit an konkreten Handlungshilfen. Seitens der Behörden wurde auf diesen Bedarf „nicht wirklich reagiert“. Dabei herrscht allgemeiner Konsens darüber, dass Kinder vom Besuch einer Tagesstätte profitieren, insbesondere, wenn sie aus einem anderen Kulturkreis stammen. „Kitas sind Bildungseinrichtungen!“ Davon unabhängig dienen sie Neubürgern nicht selten als „Anlaufstelle für alles“, sagt Petra Hübchen. Doch gerade Nichteuropäer überfordert das. Institutionelle Betreuungsangebote für Kinder kennen sie aus ihrer Heimat nicht. „Im Arabischen gibt es gar keinen Begriff für Kita.“ Also gelte es erst mal aufzuklären, Missverständnisse aus dem Weg zu räumen und dadurch Eltern Ängste zu nehmen. „Die Kinder werden bei uns zu nichts gezwungen“, weder zum christlichen Gebet noch dazu, ihren Teller leer zu essen. Oder das Beispiel Kinderrechte: Was in Mitteleuropa normal ist, nehmen Menschen gerade aus dem arabischen Raum als bedrohlich war. Da kursieren zum Teil Gerüchte, dass Kinder weggenommen werden bei Verstößen. Nicht so gern gesehen wird etwa auch die frühe Selbständigkeit: „Mein Kind ist überfordert“, hört Petra Hübchen immer wieder. Von wegen: Der Kleine kann unmöglich schon selbst Butter aufs Brot streichen. Konfliktpotential sieht die Kita-Leiterin auch in der Autonomie-Erziehung. „Da befürchten Familien, ihren Einfluss zu verlieren.“

Bei der Konzeption des Leitfadens waren zugewanderte Eltern sowie Kita-Leitungen beteiligt. Als spannende Frage erwies sich die nach den notwendigsten Sprachen. „Das Ergebnis hatten wir so nicht erwartet“, kommentiert Diemuth Hock-Forth die Entscheidung für Russisch, Türkisch, Rumänisch, Bulgarisch, Arabisch und Englisch. Letztlich setze man mit der Infobroschüre in der Sprache der Neubürger auch ein Zeichen – ein Zeichen der Wertschätzung. „Wir signalisieren: Ihr seid willkommen“.

„Wir möchten die Familien dabei begleiten, ihre Kinder in Kitas gut aufgehoben zu wissen“, ergänzt Diakoniepfarrer Udo Blank. „Der Leitfaden soll eine Praxishilfe sein, die den Bildungs- und Erziehungsauftrag in Kitas veranschaulicht und gleichzeitig dem Austausch mit Eltern dient.“ Zugewanderte Familien möchte man damit ermuntern, ihre Kinder in der Kita anzumelden. Wobei er gleich noch mit einem weit verbreiteten Irrtum aufräumt: „Muslime haben kein Problem mit kirchlichen Einrichtungen.“ Im Gegenteil, oft suchen sie explizit einen religiösen Träger. Wie Blank verriet, gibt es schon Anfragen anderer Träger und aus anderen Regionen Deutschlands, die die vom Bund bezuschusste Infobroschüre gern nutzen würden – schnellstmöglich.

Der Leitfaden ist erhältlich beim Referat Kindertageseinrichtungen der Diakonie Saar, Telefon (06 81) - 7 70 74.

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