Schulpsychologischer Dienst Landkreis Neunkirchen Das „System Schule“ im Ausnahmezustand

Kreis Neunkirchen · Stress-Faktoren in Pandemie-Zeiten spiegeln sich auch wider in der Beratungsarbeit mit Familien und Schulen im Kreis.

 Schule unter Corona-Bedingungen – eine belastende Situation für Schüler, ihre Familien und auch die Schulen.

Schule unter Corona-Bedingungen – eine belastende Situation für Schüler, ihre Familien und auch die Schulen.

Foto: dpa/Matthias Balk

Sie sind Ansprechpartner für Schüler, Eltern und Lehrkräfte – die Experten vom Schulpsychologischen Dienst des Landkreises Neunkirchen. Doch Corona schlägt auch auf ihre Arbeit durch. Die SZ sprach mit dem stellvertretenden Abteilungsleiter Marc Hoffmann.

Welche Fragen stehen jetzt in Panemiezeiten bei Ihnen im Fokus?

Hoffmann: Nach Phasen des „Homeschoolings“ wurden erwartungsgemäß Fälle häufiger, in denen es Probleme beim „Neustart“ des Präsenz-Schulbesuchs gab und gibt, sprich: Schulängste oder Schulverweigern. Während der „Homeschooling-Phasen“ gab es vermehrt Anfragen, weil Kinder und Jugendliche Schwierigkeiten hatten, sich für schulisches Lernen zu motivieren oder sich im Arbeitsablauf zu strukturieren und zu organisieren. Auch Ängste im Zusammenhang mit Online-Unterricht kamen vor. Schulen fragen auch, wie sie belastete Schülerinnen und Schüler aufgefangen und sie und ihre Familien unterstützen können. Und auch Anfragen, welche Handlungsmöglichkeiten eine Schule in Krisen-Fällen hat, nehmen derzeit zu.

 Wie schlagen die Corona-Bedingungen durch?

Hoffmann: Diese „Einschläge“ in unseren normalen Alltags- und Lebensablauf waren und sind gerade auch für Familien mit Kindern im Schulalter oft eine enorme Herausforderung und Erschwernis. Zunächst einmal gibt es Schülerinnen und Schüler, bei denen aufgrund der schwierigen Umstände des letzten Jahres Leistungsrückstände entstanden sind oder bei denen sich vorher schon bestehende Leistungsprobleme verschärft haben. Zu den vielfach schon als sehr belastend erlebten Alltagseinschränkungen, den Sorgen um die Gesundheit inklusive der Konfrontation mit möglichen Covid-Erkrankungs- und Todesfällen kommen möglicherweise weitere elementare Sorgen hinzu, wie zum Beispiel Gefährdung des Arbeitsplatzes der Erziehungsberechtigten und finanzielle Sorgen. Gerade in Familien, in denen zuvor schon erhöhte Belastungen oder erhebliche Nöte bestanden, können sich all diese Aspekte unter Umständen verschärfend oder auch weiter destabilisierend auswirken.

Und konkret Schule?

Hoffmann: Natürlich ist auch das „System Schule“ selbst seit Monaten in einem Ausnahmezustand. Lehrkräfte und Schulleitungen mussten und müssen sich auf ständig wechselnde Bedingungen einstellen. Das „Unterrichten“ virtuell und auf Distanz musste quasi von heute auf morgen „erfunden“ und konzeptualisiert werden. Der Präsenzunterricht konnte und kann nur unter aufwändigen zusätzlichen organisatorischen Regelungen und Rahmenbedingungen erfolgen. Durch Abstands- und Hygienemaßnahmen oder jetzt zum Beispiel auch durch die Antigen-Schnelltests in Schulen müssen Schulleitungen und Lehrkräfte umfangreiche zusätzliche organisatorische Aufgaben fernab des „Kerngeschäfts“ Unterricht stemmen. Ferner lastet auf den Lehrkräften auch der Druck, einerseits der uneinheitlichen individuellen Lernsituation der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden, anderseits fernab von den Leistungsaspekten ihren Schützlingen wieder ein „Ankommen“ im „Lebensraum Schule“ und ein Stück mehr Alltagsnormalität zu ermöglichen. Und dies womöglich vor dem Hintergrund eines erhöhten eigenen gesundheitlichen Risikos.

Also Stress…

Hoffmann: All diese Faktoren erzeugen an vielen Stellen Stress bei Personen und im System und das spiegelt sich auch deutlich in unserem Beratungsaustausch mit Familien und mit Schulen in den letzten Monaten wider.

 Diplom-Psychologe Marc Hoffmann (42).

Diplom-Psychologe Marc Hoffmann (42).

Foto: Marc Hoffmann

Mit welchen Folgen?

Hoffmann: Mittlerweile zeigen auch bereits wissenschaftliche Studien, so zum Beispiel die in den Medien schon verschiedentlich rezipierte COPSY-Studie der Forschungsabteilung Kindergesundheit am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, dass die Pandemiesituation mit einem hohen Belastungs- empfinden bei Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern, mit dem Gefühl einer geminderten Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen, mit einer Verschlechterung ihres Gesundheitsverhaltens sowie mit einer deutlichen Erhöhung der Anzahl von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Auffälligkeiten verbunden ist.< folgt Teil 2: So wirkt die Pandemie auf die inhaltliche und organisatorische Arbeit

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