Schulstreik Mit Pappschildern gegen Klimakollaps

Neunkirchen · Erste Fridays-for-Future-Demo in Neunkirchen: Über 200 Schüler gehen für andere Politik auf die Straße.

 Am Freitag demonstrierten über 200 Schüler aus Neunkirchen in der Stadt für ein besseres Klima. Und gegen die aktuelle Klimapolitik.

Am Freitag demonstrierten über 200 Schüler aus Neunkirchen in der Stadt für ein besseres Klima. Und gegen die aktuelle Klimapolitik.

Foto: Michael Kipp

Die Ansage kommt deutlich: Die Freitagsproteste der Schüler sollen weiter wachsen. Und das so lange, „bis die Politik aufwacht“. So äußern sich mehrere junge Leute bei der ersten Fridays-for-Future-Demo in Neunkirchen. Eine bessere, engagiertere Klimapolitik fordern über 200 Jugendliche an diesem Freitag in der Kreisstadt. Sie haben sich am 9 Uhr auf dem Mantes-la-Ville-Platz gesammelt, ziehen von dort mit Transparenten und vielen kleinen Pappschildern über den Oberen Markt durch die Gustav-Regler-Straße in die Lindenallee und biegen auf den Lübbener Platz ab. Ganz schön kalt ist es an diesem Morgen. Aber die Hochnebelfelder reißen auf, als sich der Protestzug von Polizei begleitet Richtung Blies bewegt. Sind es viele, sind es wenige, die sich der noch jungen Kampagne anschließen? Einige Beobachter am Rande hätten mit mehr gerechnet, Santino Klos von der lokalen Fridays-for-Future-Gruppe dagegen ist stolz auf die, die gekommen sind. Er habe vielleicht 50 bis 100 Schüler erwartet, sagt er. Und das sehen auch die anderen Sprecher so, die sich auf dem Lübbener Platz vor die jungen Menschen stellen und teils locker und professionell, teils mit deutlich Lampenfieber ein paar Sätze ins Mikrofon sprechen.

„Hopp, hopp, hopp, Kohlestopp“, oder „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“ skandiert der Zug auf dem Weg zum Lübbener Platz. Auch ein paar Eltern sind im Demo-Zug zu sehen. Rune Becker, 51, aus Dudweiler von Parents-for-Future gehört dazu. „Dein Papa hat noch nix fürs Klima getan, jetzt trägt er wenigstens dieses Plakat“, steht auf seinem Schild geschrieben. Marie-Claire Salesse, 52, hat frei und vertritt quasi ihren Sohn: „Ich finde das wichtig“, sagt sie mit französischem Slang.

Drei junge Frauen führen die Demonstration an, geben übers Megafon Input für die Gruppe. „Das Klima, aussichtsloser als mein Mathe-Abi“, hält ein Mädchen in die Höhe. Ein paar Meter weiter ist zu lesen: „Auf dieser Titanic fehlt noch die Panic.“ Eine Ordnerin sammelt auf dem Weg runter an die Blies auf der Wiese noch etwas Plastikmüll zusammen. Schüler, auf ihre Motivation angesprochen, bleiben auch nicht nur beim Klimaschutz, sie greifen weiter aus: Kleidung, Essen, der Umgang mit sich selbst und seinem Umfeld. Die jungen Leute kommen unter anderem von der Ganztagsgemeinschaftsschule Neunkirchen, von den beiden Gymnasien Krebsberg und Steinwald und der Maximilian-Kolbe-Schule.

Shayan, 16, ist in der Neunkircher Aktionsgruppe. Bis die Politik wach werde, sagt er, müssten die Streiks weitergehen. Die meisten von denen, die mitgingen, seien wirklich der Sache wegen dabei und nicht, um die Schule zu schwänzen. Lucy und Lea wissen, dass es bei künftigen Aktionen während der Schulzeit Fehlstunden geben wird. „Wir machen trotzdem weiter.“ Und sie glauben, die Bewegung werde weiter wachsen. Noah, 16, sieht die Notwendigkeit, Druck auf die Politik aufzubauen. Mit oder ohne Entschuldigung, das sei völlig egal. Maxima, 16: „Das ist eine sehr wichtige Sache. Wofür lernen wir? Es ist unsere Zukunft.“ Felix, 14, denkt, es müsse sich vieles ändern. Gesünder leben, weniger Abfall, weniger Abgase, keinen Plastikmüll ins Meer. Elias, 15, ärgert es, wenn die jungen Klima-Aktivisten von Erwachsenen nicht ernst genommen werden. Allerdings dürften die Streikenden nach der Demo auch nicht gleich in den nächsten Fastfood-Laden oder zum Shoppen von Plastik-Klamotten laufen, setzt er den Protest in den großen Zusammenhang.

Auf dem Lübbener Platz springt Susanne Speicher auf einen Betonklotz. Die Sprecherin von Fridays for Future greift das Mikro, spricht von deutschlandweit mittlerweile 400 Gruppen, von Schulstreik an diesem Freitag in 65 deutschen Städten und weltweit 68 Ländern. Speicher: „Uns wird vorgeworfen, wir seien radikal, wenn wir die Schule schwänzen. Radikal ist, was die Politik mit unserer Zukunft macht.“ Künftige Generationen sollen auch gut leben können, fordert sie und bekommt viel Applaus. Bei der Demo ist auch die grüne Jugend und der Jugendverband der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) dabei. Politische Vereinnahmung der Friday-for-Future-Kampagne? Das sieht Dieter Schwang von der MLPD ganz und gar nicht. Was zähle, seien die Argumente. Die Leute organisierten sich selbst, die eigene Jugendbewegung wolle ein Teil davon sein. Santino Klos von der Neunkircher Fridays-for-Future-Ortsgruppe geht am Mikro auf die Verkehrspolitik ein. Die Fahrt von Neunkirchen nach Saarbrücken mit dem Zug koste nur unwesentlich weniger als ein Flugticket im Billigflieger von Luxemburg nach Berlin. Die Preise im Nahverkehr seien unverschämt, das müsse die Politik ändern.

 Stopp der Kohleverstromung war eine der Forderungen der Schüler bei der Fridays-for-Future-Demo in Neunkirchen.

Stopp der Kohleverstromung war eine der Forderungen der Schüler bei der Fridays-for-Future-Demo in Neunkirchen.

Foto: Michael Kipp
 Susanne Speicher, Sprecherin Friday-for-Future Saarland.

Susanne Speicher, Sprecherin Friday-for-Future Saarland.

Foto: Michael Kipp

Die Kundgebung ist nach ein paar Redebeiträgen schnell zu Ende. Santino Klos macht sich auf den Weg zurück zur Schule. Er ist zufrieden, die Ortsgruppe will weitermachen: Demos in anderen Städten begleiten, selbst aktiv einen weiteren Schülerstreik vorbereiten, eventuell im Juni, kündigt er an.

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