Auf dem Rad nach Istanbul Durch sieben Länder an den Bosporus

Landsweiler-Reden · 1800 Kilometer und jede Menge Eindrücke: Tim Kaufmann aus Landsweiler hat sich mit dem Fahrrad nach Istanbul aufgemacht.

 Geschafft: Tim Kaufmann ist mit seinem Begleiter in Istanbul angekommen und hat die Hagia Sofia im Rücken.

Geschafft: Tim Kaufmann ist mit seinem Begleiter in Istanbul angekommen und hat die Hagia Sofia im Rücken.

Foto: Tim Kaufmann

Nun gut, die Tour de France war mit über 3500 Kilometern in diesem Jahr streckentechnisch schon noch eine andere Hausnummer, aber dafür hat Tim Kaufmann ja auch 40 Kilogramm unter dem Gesäß befördert, auf seinen immerhin gut 1800 Kilometern, die ihn vor ein paar Wochen von Landsweiler nach Istanbul gebracht haben. Mit einem guten Freund – Sebastian Dörr, ein Neunkircher, der in Insbruck lebt – hat sich der 26-Jährige in den Sattel geschwungen und einige Länder durchfahren, die nicht jeder auf dem Urlaubszettel stehen hat. Kaufmann ist nach dem Jura-Studium in Berlin derzeit wieder im Saarland, macht hier gerade sein Referendariat.

Der Start in die Tour war bis Insbruck eine Mischung aus Bahn- und Radfahren, erläutert Kaufmann. Das will er als fairer Sportsmann nicht unterschlagen. Ab Insbruck wurde es dann ernst. Slowenien, Kroatien, Bosnien, Serbien, Bulgarien, Türkei. Das alles in rund drei Wochen mit einem Tag Pause in Sofia. Da es unterwegs teilweise Temperaturen von an die 40 Grad Celsius gab, fuhren die beiden morgens schon zwischen sechs und sieben Uhr los. Nach 11 Uhr ließ es sich im Sattel dann kaum noch aushalten. Erst am Nachmittag ging es weiter bis in den Abend hinein. Sechs bis neun Liter Wasser liefen trotz langer Pause während der heißesten Stunden durch den Körper, sagt Kaufmann. Die Nächte verbrachte das Rad-Duo im Zelt, bevorzugt an Flüssen. Lauschige Plätze gab es genug, schöne Campingplätze auch. Stress wegen Wildcampen hingegen keinen: „Wenn Leute uns gesehen haben, waren sie total freundlich. Ein serbischer Bauer hat uns Himbeeren geschenkt. In Bulgarien haben wir an einem Fluss zwei Fische geschenkt bekommen. Es war immer total entspannt.“ Kaufmann hatte das Gefühl, die Menschen freuten sich, wenn er davon erzählte, dass die beiden Saarländer quer durch ihr Land fuhren. Sie empfanden es wohl als Wertschätzung, dass jemand ihre Welt erkundete. Hier und da gab es einen Schnaps mit den Einheimischen am Abend. So freundlich wie Kaufmann die Menschen erlebt hat, die Balkan-Kriege in den 1990er Jahren haben Spuren hinterlassen, die auch heute noch zu spüren sind. Kaufmann: „Ich war selten in einem Land, wo so viele Nationalflaggen wehen wie in Bosnien und Serbien.“ An der Grenze zwischen den beiden Ländern, am Perucacsee, erzählten die Leute von einem Massaker und beschimpften die jeweils andere Seite als Verbrecher.

Die vielen Kilometer auf dem Rad gingen ohne Platten oder Speichenbruch über die Bühne. Es sei eben auch eine besondere Art des Reisens auf dem Fahrrad, sagt Kaufmann: „Was ich so daran mag, ist das Spontane. Wir waren mit Zelt, Schlafsack und Kocher unterwegs. Ein Dreibein-Stuhl war ein großer Luxus.“ Unangenehm hat der junge Mann lediglich die Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei in Erinnerung. Dort wurde ihm klar, was es bedeutet, ein Flüchtling zu sein. Von dubiosen Gebäuden mit EU-Flaggen berichtet der Landsweiler. Von „megahohen Zäunen mit Stacheldraht“ obenauf. „Mir wurde sehr deutlich, wie privilegiert wir sind.“ Nach dem Grenzübergang in Edirne war es in der Türkei zunächst auch stressig. Kaufmann: „Da waren viele Lkw unterwegs. Wir wurden oft angehupt. Aber auch in der Türkei gab es danach keine Probleme. Wir haben nie Probleme gehabt.“ Dann, am Ziel der Reise, die 13-Millionen-Metropole Istanbul: „Das war schon ein Kulturschock. Unser Hostel lag 800 Meter von der Hagia Sofia entfernt.“ Neben der überbordenden Lebensfülle gab es aber auch dort fast idyllische Situationen wie einen Sonnenuntergang auf einer Brücke über den Bosporus. Den Weg zurück aus der Metropole nahmen die beiden Männer mit dem Flugzeug.

 Dieses Bild ist bei einer Fahrpause in Slowenien entstanden. Die Radtour nach Istanbul war von großer Hitze begleitet, Pausen am Wasser waren deshalb fast ein Muss.

Dieses Bild ist bei einer Fahrpause in Slowenien entstanden. Die Radtour nach Istanbul war von großer Hitze begleitet, Pausen am Wasser waren deshalb fast ein Muss.

Foto: Tim Kaufmann
 An der Grenze zwischen Bosnien und Serbien. Der Perucacsee ist idyllisch, doch dort soll es im Bosnien-Krieg ein Massaker gegeben haben.

An der Grenze zwischen Bosnien und Serbien. Der Perucacsee ist idyllisch, doch dort soll es im Bosnien-Krieg ein Massaker gegeben haben.

Foto: Tim Kaufmann
 In Moravica in Serbien gab es Plattenbauten zu bestaunen.

In Moravica in Serbien gab es Plattenbauten zu bestaunen.

Foto: Tim Kaufmann

Kaufmann ist nicht der Rad-Fanatiker, der jedes Jahr tausende von Kilometern abreißt. Und auch einen solchen Rad-Urlaub hat er bislang noch nicht gemacht. Mit Freunden von Berlin an die Ostsee in Polen, eine Radtour durch Frankreich, das waren die weiten Strecken vor der Istanbul-Reise. Genug hat er vom Rad-Reisen damit noch nicht. Das Rad könnte ihn auch noch wesentlich weiter in die Welt bringen: „Ich hätte super Lust, über Armenien, Georgien, Aserbaidschan nach Zentralasien zu fahren.“ Die 3500 Kilometer Tour de France wären im Vergleich dazu jedenfalls beinahe ein Katzensprung.

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