Schiffweilers Hauptstraße Düstere Prognosen für die Lebensader

Schiffweiler · Die Schiffweiler Hauptstraße hat in der Ortsmitte zwei Gesichter. Lebendige Ecken mit Fachgeschäften und verhangene Schaufenster wechseln sich ab.

Wenn die Sonne scheint, ist fast alles schön. An diesem Vormittag ist unter einem klaren blauen Himmel auch in der Schiffweiler Hauptstraße auf den ersten Blick nicht viel auszusetzen. Auf den zentralen Metern zwischen Rathaus und dem alten Saalbau-Gemäuer gibt es nette Eckchen und noch ein halbwegs lebendiges Geschäftsleben. Lebensmitteldiscounter, Metzgerei, Bäckerei, Fahrschulen, Friseure, Banken, Versicherungsagenturen, Tabakladen und Bekleidung, ein paar Restaurants, Kneipen und Abholservices - für viele Bedürfnisse gibt es noch den ein oder anderen Ansprechpartner im Ort. Bis vor wenigen Jahren konnte sich Schiffweiler sogar rühmen, einen Buchladen mitten im Zentrum zu haben. Wo Bücher im Schaufenster standen, geht es jetzt um Telefon und Kabelanschluss.

Zwischen Leopold- und Mühlbachstraße, also auf der Zeile mit den Verwaltungsgebäuden, wachsen ein paar Bäume rechts und links der Straße und geben dem Ganzen einen heimeligen Anstrich. Allerdings heißt die Straße hier Rathausstraße. Erst weiter unten trägt die Durchgangsachse dann auch den Namen Hauptstraße. Und dort konzentriert sich das Geschäftsleben. Vom noch recht jungen Dorfplatz mit wieder aufgebautem Brunnen verliert die Straße in Richtung Landsweiler nach und nach an Charme. Besonders im Umfeld des Saalbaus mit verhängten Schaufenstern hat sie die Anmutung einer vergessenen Meile.

Gegenüber des kleinen Platzes im Ortszentrum ist der Tabakladen von Ute Scholtes. Ein kleiner schmaler Schlauch, rechts des Eingangs Schulmaterialien, hinten die Zeitschriften in langer Reihe. In Scholtes Rücken die Zigarettenpäckchen mit all ihren Warnhinweisen. „Ich bin zufrieden“, sagt Scholtes, auf ihr Geschäft angesprochen. Das einzige Problem seien die Parkplätze. Klar, bei ihr springen die Leute gerne mal kurz rein. Und dafür möchten sie aus dem Auto raus und mit wenigen Schritten durch die Tabakladen-Tür durch. Wer die paar Meter zu Fuß vom Netto-Parkplatz scheut, muss aufpassen, dass das Ordnungsamt nicht vorbeikommt. „Dann sind die Zigaretten schnell teuer“, sagt Scholtes. Hardy Lang, seine Tipp-Scheine in der Hand, zeigt auf den kleinen Platz gegenüber. Dort hätte die Gemeinde Parkplätze hinmachen sollen, meint er. Nachdem dort vor Jahren Häuser abgerissen worden waren, habe der eilige Käufer dort immer einen Platz für ein paar Minuten gefunden. Hardy wohnt auf der anderen Straßenseite. Der Verkehrslärm habe zugenommen, sagt er. Die Chefin des Tabakladens nickt. Besonders am Vormittag sei es schon extrem. Wie sich die Schiffweiler Hauptstraße entwickelt? „Naja“, sagt der Kunde, „attraktiver ist sie nicht geworden“.

Das sieht auch Wilfried Dietz so. Der Vorsitzende des Haus- und Grundbesitzervereins Schiffweiler und ehemalige Ortsvorsteher kann sich, auf das Erscheinungsbild und die Perspektive der Schiffweiler Hauptstraße angesprochen, gar nicht so recht entscheiden. Der Historische Verein, dessen Vorsitzender er auch ist, trage derzeit zusammen, was es an Firmen, Geschäften und Institutionen alles so gab in Schiffweiler nach dem Zweiten Weltkrieg. Er kennt in der Hauptstraße Häuser, in denen über die Jahre bis zu acht Geschäfte waren. Ob kleine Getränkeläden, Damen- und Herrenschneider, Läden mit Milch- und Käseprodukten - die Vielfalt von einst sei verschwunden. „Vor vier fünf Jahren gab es ein Projekt mit der HTW, in dem es um Leerstände und die Frage ging, wie die Ortsmitte aufzuhübschen wäre“, erzählt Dietz. Richtig viel rausgekommen sei dabei nicht. Der „Nah und gut“-Supermarkt, nur ein paar Meter von der Hauptstraße entfernt, schließe Ende April. Man müsse abwarten, wie es an der Stelle weitergehe. Dietz: „Die Hauptstraße ist im Wandel. Zum Guten ist das jedenfalls nicht. Aber das halten wir nicht auf.“ Die Menschen kauften lieber außerhalb in den großen Konsumtempeln, das mache die Dörfer kaputt.

Was Metzger Michael Maaß gut gefiele, wäre Tempo 30 in der Straße. Er ist mit seinem Geschäft genau in der Kurve gegenüber dem Dorfplatz. Der Laden läuft, sagt er, aber die vielen Leerstände in der Straße seien schlecht. Den kleinen Platz mit Brunnen verteidigt der Metzger vor Kritik. Der sei ja auch für Veranstaltungen zu nutzen, Vereine könnten ihn mieten. Mehr Kummer bereitet ihm die Situation Richtung Saalbau. Maaß: „Der Saalbau ist bestimmt 15 Jahre zu. Er ist superschön innendrin.“ Aber so weit runter braucht man die Straße nicht zu gehen, um den eher düsteren Hausfronten zu begegnen. Die Hausnummer 23 etwa zeigt einen dicken Riss in der Fassade, das alte Schild „Raumausstattung Lehne“ ist völlig verblasst. Hinter den Schaufenstern ein Sammelsurium an Dingen, nur teilweise von Vorhängen verborgen. Die Gaststätte Saalbau noch ein Stück weiter begrüßt mit einer alten Fliesenoptik, daneben der Grilltreff - rein optisch sicher nicht die ersten Adressen. Da hilft auch das tolle Wetter nicht. Die Adler-Apotheke steht leer, ebenso auf der anderen Straßenseite das Erdgeschoss. Folien sind dort hinter der Schaufensterfront -  dort wird gearbeitet, von einer Pizzeria ist die Rede. Auf auf der Ecke zur Gasstraße begrüßen den Betrachter hinter den Scheiben im Parterre verblichene grüne Plastikaufsteller - schön ist anders.

Der Gewerbeverein Schiffweiler-Stennweiler hatte Anfang der 2000er Jahre noch Optimismus versprüht und sich um Veranstaltungen bemüht, wie im SZ-Archiv nachzulesen steht. Heute ist er unter den Vereinen, die die Gemeinde auf ihrer Internet-Seite auflistet, gar nicht mehr zu finden. Der ehemalige Vorsitzende Jürgen Brunke berichtet: „Der Verein hat sich vor rund zehn Jahren aufgelöst. Es bestand kein Interesse mehr seitens der Mitglieder, zu den Veranstaltungen kamen wenige.“ Als er 1992 sein Geschäft in Schiffweiler eröffnet habe, habe der Ort noch ganz anders ausgesehen. Brunke: „Da war mindestens doppelt so viel Gewerbe wie heute.“ Was seiner Meinung nach eine Rolle spielt: Den Kommunen fehle das Geld, um die kleinen Orte attraktiv zu erhalten. Derzeit werde ja auch in Schiffweiler Glasfaser für schnelles Internet verlegt. Die Straße würden danach „beigeteert“. Richtig in Stand gehalten würden sie dabei nicht. Seine Prognose ist nicht erfreulich: „In zehn bis 15 Jahren wird es keinen Einzelhandel mehr geben in Orten wie Schiffweiler.“ Er selbst, mittlerweile 60 Jahre alt, wolle seinen Kindern das eigene Brillengeschäft in Heiligenwald nicht zum Weiterbetrieb andienen. Das könne man niemandem antun. Internet und Filialisten beherrschten zunehmend das Geschäft. Der Einzelhandel verschwinde. Dabei macht Brunke durchaus Unterschiede aus: „Es gibt noch Orte, wo es anders ist.“ Ein Beispiel sei Illingen. Dort geschehe viel.

 Ein Blick in den oberen Teil der Hauptstraße in Richtung Ottweiler und Stennweiler. Das Zentrum ist alles in allem noch recht belebt.

Ein Blick in den oberen Teil der Hauptstraße in Richtung Ottweiler und Stennweiler. Das Zentrum ist alles in allem noch recht belebt.

Foto: Jörg Jacobi

Die Schiffweiler Hauptstraße - im wärmenden Sonnenlicht dieser ersten schon fast sommerlichen Frühlingstage macht sie den Eindruck, auf der Kippe zu stehen. Immerhin, das gute Wetter lässt sie noch ganz gut wegkommen.

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