Blasenschwäche Neunkircher Arzt hilft mit Hightech für die Blase

Neunkirchen · Patienten mit Harninkontinenz werden im Diakonie Klinikum Neunkirchen mit einem sogenannten Smart-Programmer behandelt.

() Beim Lachen geht plötzlich mal was in die Hose, oder der Harndrang wird blitzartig so dringend, dass man es nicht mehr bis zur Toilette schafft: Darüber mögen die meisten Betroffenen nicht reden. Blasenschwäche, eine überaktive Blase oder Blasenentleerungsstörungen sind Tabu-Themen, wie es in einer Pressemitteilung der Stiftung Kreuznacher Diakonie heißt. Dabei sind viele Menschen davon betroffen, und die Therapie-Möglichkeiten bereits weit fortgeschritten. Im Diakonie Klinikum Neunkirchen arbeitet man in diesem Bereich mit der neuesten Technologie.

Georg Maurer (Name geändert) ist für seinen Nachsorge-Termin am Diakonie Klinikum Neunkirchen (DKN) gut vorbereitet. „Haben Sie Ihr Gerät dabei?“, fragt der Chefarzt der Urologie, Dr. Sun-Tscheol Kwon. Maurer legt ein Smartphone-ähnliches Handgerät, den sogenannten „Smart-Programmer“, und einen kleinen rechteckigen Sensor auf den Tisch. Kwon hatte ihm zehn Tage zuvor zwei Beckenboden-Schrittmacher an der Blase implantiert. Die Schrittmacher bringen die Nerven, die die Funktion der Blase steuern, durch sanfte elektrische Impulse ins Gleichgewicht. Die Methode heißt sakrale Neuromodulation. Mit dem Sensor, den Maurer sich ans Becken hält, kann er abrufen, in welchem Modus der Schrittmacher seine Blase steuert. Fühlt es sich für ihn nicht gut an, kann er oder der Arzt den Schrittmacher über eine App auf dem Handgerät anpassen. Sind die Elektroden an der Blase gut eingestellt, arbeitet der Schrittmacher selbstständig weiter und man spürt ihn nicht. Der „Smart-Programmer“ kommt laut DKN deutschlandweit bisher nur im Neunkircher Klinikum zum Einsatz. Auch Maurer war die Methode bisher unbekannt.

Seit 2015 leidet der Patient an chronischem Beckenschmerz und einer überaktiven Blase. „Meine Freizeitgestaltung war massiv eingeschränkt, weil ich immer darauf achten musste, dass ich an Orten bin, wo eine Toilette in der Nähe ist. Irgendwann bin ich gar nicht mehr vor die Tür gegangen“, beschreibt der 57-Jährige seinen Leidensweg. Das hatte auch Auswirkungen auf seine körperliche Fitness – Sport war mittlerweile undenkbar geworden – und besonders auf seine Psyche: „Die Sache hat mich wahnsinnig nervös gemacht. Meine Laune war ungenießbar; nicht mal Autofahren konnte ich.“

Insgesamt drei Jahre lang lief er von Arzt zu Arzt. „Geht schon wieder weg“ oder „Das ist normal im Alter“ waren Aussagen, die ihn zur Weißglut brachten. Nachdem alle Therapieformen – von Antibiotika bis Botox – gescheitert waren, führte ihn seine Suche nach Linderung ans DKN. Dort erfuhr er von den Schrittmachern. Chefarzt Kwon setzt die kleinen Elektroden im Titan-Mantel mit geübter Hand ein, wenn konservative Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Der Eingriff verlangt zwar Geschick und Erfahrung, ist aber minimalinvasiv, also mit kleinstmöglichem Schnitt machbar.

Nach der ersten Beratung gaben Blasenspiegelung und Urodynamik (Blasendruckmessung) Aufschluss über den gesundheitlichen Zustand Maurers und bestätigten die Diagnose: überaktive Blase. Mit dieser Indikation übernehmen die Krankenkassen die Kosten für den Eingriff, die bei rund 20 000 Euro liegen. Danach ging es in die Testphase, während der die Elektroden provisorisch für vier bis sechs Wochen eingesetzt werden, um die ideale Einstellung zu finden. Anschließend übernahm Kwon die Werte für die tatsächlichen Schrittmacher. Nach drei Tagen stationärem Aufenthalt konnte Georg Maurer die Klinik verlassen.

„Die meisten Patienten, die zu uns kommen, quälen sich schon sehr lange mit den Beschwerden, empfinden Schmerzen, Druck und Verlust ihrer Lebensfreude“, berichtet Chefarzt Kwon. „Sie trauen sich nicht darüber zu reden. Dabei ist Harninkontinenz ein ernstzunehmendes Problem. Man stirbt zwar nicht daran, aber sie kontrolliert den Alltag. Das kann man ändern“, versichert der Mediziner. Für Maurer war Verschweigen keine Option: „Das ist doch das täglich Brot der Ärzte“, meint er und macht seinen Leidensgenossen Mut. „Ob Mann oder Frau, die Lebensqualität kehrt endlich wieder zurück. Ich kann wieder ins Fußballstadion, bin wieder gut gelaunt und glücklich. Ich kann nur jedem raten: Gebt nicht auf, redet darüber und lasst euch helfen.“

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