Der Quakbrunnen Der Pfingstquak in digitaler Raffinesse

Ottweiler · In ganz neuen Bildern kann man nun den Ottweiler Quakbrunnen kennenlernen. In seiner Form ist er deutschlandweit einmalig.

 Der Quakbrunnen auf einer Ottweiler Postkarte.

Der Quakbrunnen auf einer Ottweiler Postkarte.

Foto: Ralf Hoffmann

Für Besucher und Bewohner hält die Stadt Ottweiler ein großes Angebot urbaner Bildmotive bereit. Viele Postkarten zeigen seit ihrem Aufkommen am Ende des 19. Jahrhunderts interessante Gebäude oder verwinkelte Ecken; man sieht immer wieder Touristen mit Kamera oder Smartphone in der Altstadt auf Motivsuche. Maler und Zeichner widmeten ihre Kunstfertigkeit nicht nur Kirchturm und Fachwerkhäusern; ganze Bildserien, wie die von Erich Flegel im Druck herausgegebenen Zeichnungen von 1924 oder die von Werner Eich aus dem Jahr 1979, zeigen den Reichtum der Motive. Für den Kunst- und Kulturfreund ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich der gleiche Gegenstand von den verschiedenen Künstlern wahrgenommen und wiedergegeben wurde, wie beispielsweise der Maler Ernst Germer in einem Bild mit Blick von der Tensch zur evangelischen Kirche in expressionistischem Stil gerade Linien krümmt oder Licht und Schatten ins Extreme steigert. Auch die Bilder von Schlosshof und Quakbrunnen zeigen solche künstlerischen Wahrnehmungs- und Gestaltungsdifferenzen. Von beiden Motiven sind wieder neue visuelle Repräsentationen entstanden, die jedoch ihren Ursprung modernster Technik verdanken und gleichsam als „Nebenprodukt“ eines ganz anderen Aktionsziels aufgetreten sind, wobei man ihnen einen hohen ästhetischen Reiz nicht absprechen kann. Das schreibt jetzt die Stadt Ottweiler.

Für eine Publikation von Hans-Joachim Hoffmann zur Geschichte des Quakbrunnens erklärte sich das Landesamt für Vermessung, Geoinformation und Landentwicklung (LVGL) gerne bereit, seinen damals neuen terrestrischen Laser-Scanner am „Objekt Quakbrunnen“ testweise zum Einsatz zu bringen. Von mehreren Standpunkten aus wurden der Quakbrunnen und seine Umgebung durch den Scanner rasterförmig mit Millionen von Laserpunkten digital „abgetastet“ und hochgenau vermessen. In der späteren Auswertung wurden die verschiedenen „Punktwolken“ am Computer zu einem Datensatz zusammengerechnet, um daraus Vertikal- und Horizontalschnitte sowie maßstäbliche „Abwicklungen“ der Motive am Quakbrunnen ableiten zu können. Wie oben bereits geschildert, liefern die computergestützten Visualisierungen dieser Massendaten quasi nebenbei auch sehr anschauliche, fast „künstlerische“ Darstellungen, die den Betrachter in ihren Bann ziehen.

In erster Linie ist 3D-Laserscanning aber eine weitverbreitete und sich ständig weiter entwickelnde Messtechnik im Schiffs- und Maschinenbau, in den Geowissenschaften allgemein, in der Archäologie, Bauaufnahme und Bauwerksüberwachung, 3D-Stadtmodellierung, und so weiter. Beim LVGL ist der Laserscanner in einigen der genannten Disziplinen im Einsatz.

Die Broschüre von H.J. Hoffmann dokumentiert den Quakbrunnen als Symbol eines alten Volksbrauches in den Dörfern um Ottweiler aus historischer Sicht. Die Figur des „Pfingstquaks“ ist namengebende Figur auf der Spitze des Quakbrunnens in Ottweiler und zeigt einen Jungen unter einem mit Grün und Blumen geschmückten Zweiggeflecht als Anführer der Dorfburschen, die am frühen Pfingstmorgen mit Lärm die Schläfer weckten.

Die Errichtung des Quakbrunnens in Ottweiler steht in engem Zusammenhang mit der Volksabstimmung am 13. Januar 1935, mit der das Saarland unter die Nazi-Diktatur fiel. Der Ottweiler Heimattag am 27. Mai 1934 unterstrich, dass die Verleihung der Ehrenbürgerwürde Ottweilers an den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und den Reichskanzler Adolf Hitler am 19. April 1933 sowie an den Preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring und den Preußischen Staatsrat Alois Spaniol am 13. September 1933 nur ein erster Schritt war, mit dem die nationalsozialistisch orientierte politische Führungsschicht Ottweilers im Vorfeld des Abstimmungskampfes ein Zeichen für die Rückgliederung des Saargebietes an Deutschland setzte. Um ihre prodeutsche Haltung zu dokumentieren, hatten das Zentrum, die Bürgerliche Arbeitsgemeinschaft, die Bürgerliche Vereinigung und die Fraktion des gewerblichen Mittelstandes am 13. August 1933 ihren Übertritt zur NSDAP erklärt. Nun galt es, auch in der Propaganda ein Zeichen zu setzen: Die Stadtverordnetenversammlung beschloss am 24. Januar 1934 grundsätzlich den Abriss des alten und die Errichtung eines neuen Schlossbrunnens. Die Ausschreibung gewann der Saarbrücker Architekt Ludwig Nobis (1883 bis 1951), der mit dem Quakbrunnen ein politisches Denkmal schuf, das der sogenannten „Heimatkunst“ zuzuordnen ist.

Denn die Umsetzung seines Entwurfes griff lokale wie auch nationale Traditionen ebenso auf wie die Überlieferung des im bäuerlichen Umfeld verwurzelten Brauchtums des Pfingstquaks. Damit erfüllte Nobis einerseits eine Anforderung, die Schultze-Naumburg, der Theoretiker der „Heimatkunst,“ an den Bau von Brunnenanlagen stellte, und genügte andererseits dem Anspruch der Stadt Ottweiler in der Ausschreibung: Sie erwartete „eine völlig neue Schöpfung, etwas Originelles, zugleich aber auch in sinnvoller Beziehung zu der Geschichte und Kultur der alten Grafenstadt Ottweiler“ stehend.

 Der zur Verfügung gestellte Vertikalschnitt.

Der zur Verfügung gestellte Vertikalschnitt.

Foto: Ralf Hoffmann
 Wie Kunst sieht sie aus, die computergestützte Visualisierung des Ottweiler Quak-Brunnens.

Wie Kunst sieht sie aus, die computergestützte Visualisierung des Ottweiler Quak-Brunnens.

Foto: Ralf Hoffmann
 Mit dem 3-D-Laserscanning entstehen ganz ungewöhnliche Darstellungen der vermessenen Gebäude.

Mit dem 3-D-Laserscanning entstehen ganz ungewöhnliche Darstellungen der vermessenen Gebäude.

Foto: Ralf Hoffmann

„Eine völlig neue Schöpfung“ entwarf Nobis mit dem Ottweiler Quakbrunnen insofern, als dieser Brunnen bis heute ein Unikat in der Brunnenlandschaft Deutschlands darstellt, so dass man diesen Brunnen wirklich als „eine völlig neue Schöpfung“ bewerten kann. Die Kreisform des Brunnens lässt den Betrachter an die Redewendung „Rad der Geschichte“ denken, mit der seit dem 18. Jahrhundert bildhaft das Fortschreiten historischer Entwicklungen benannt wird; dieses Sprachbild drückt des Weiteren aus, dass historische Entwicklungen unumkehrbar sind. Auch deutet das Symbol „Rad“ auf zyklische Abläufe von Geschehen hin. Diese symbolisiert beim Quakbrunnen der Kreislauf des Wassers, das einerseits ruhig am Brunnenboden dahinfließt, in Bewegung gehalten durch die Wasserspender, andererseits aber auch unruhig aus der Höhe herunterströmt, das heißt geschichtliche Entwicklungen vollziehen sich nicht nur in ruhigen, gleichmäßig verlaufenden Phasen, sondern auch in Umbrüchen. Die Einweihung dieses Brunnendenkmals am Ottweiler Heimattag, einer Veranstaltung der Stadt Ottweiler und der Deutschen Front – Ortsgruppe Ottweiler, wurde reichsweit beworben und fand eine beachtliche Resonanz, wie es abschließend heißt.

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