Mehr als ein Dach über dem Kopf

Ottweiler · Pflegeeltern sind im Landkreis heiß begehrt. Immer wieder startet das Jugendamt Aufrufe. Doch wie ist es in einer solchen Familie? Die SZ war bei Pflegeeltern zu Gast, die 30 Jahre Erfahrung gesammelt haben.

 Ein Pflegekind bei den Hausaufgaben. Auch im Landkreis Neunkirchen werden Eltern für Kinder gesucht, deren leibliche Eltern sich nicht kümmern oder es schlicht nicht können. Archivfoto: Steffen/dpa

Ein Pflegekind bei den Hausaufgaben. Auch im Landkreis Neunkirchen werden Eltern für Kinder gesucht, deren leibliche Eltern sich nicht kümmern oder es schlicht nicht können. Archivfoto: Steffen/dpa

"Es ist immer eine Bereicherung. Oft waren schwierige Fälle dabei, doch von jedem Pflegekind sind uns Sprüche oder Ereignisse in Erinnerung geblieben, über die wir heute noch lachen", sagt Christa Meyer (Name geändert zum Schutz der Pflegekinder). Seit 30 Jahren hat sie mit ihrem Mann Pflegekinder in ihrer Familie aufgenommen. Manche blieben für wenige Monate, andere über Jahre, sogar bis zur Volljährigkeit. Eine Zeit, die sie nun kurz vor dem Rentenalter nicht mehr missen möchte.

Angefangen hat ihr Weg als Mutter für "fremde" Kinder, als sie selbst noch in Teilzeit arbeitete. Das eigene Töchterchen war damals erst ein paar Jahre alt, der Sohn noch nicht geplant, als ein dreijähriges Kind auf der Türschwelle stand. Auch ein Findelkind, gerade ein knappes halbes Jahr alt, galt es bereits zu versorgen. "Damals gab es noch keine Inobhutnahmestelle. Der Junge wurde mit einer Windelkiste abgesetzt und einfach nicht mehr abgeholt", erinnert sie sich. Von der Kurzzeitpflege ging es dann in längere Phasen. "Scheinbar haben wir uns bewährt", sagt Meyer mit einem Lächeln. Der längste Betreuungsfall blieb zwölf Jahre, bis er sich dazu entschloss, es mit 16 noch einmal mit dem leiblichen Vater zu versuchen.

"Die Kinder haben häufig eine doppelte Identität", sagt Meyer und will damit sagen, dass die Jungen und Mädchen zwischen Pflege- und leiblicher Familie hin- und hergerissen sind. Vor allem, wenn bereits eine Bindung zu den Pflegeeltern gewachsen ist. "Bei kleinen Kindern geht das sehr schnell, sie erobern direkt das Herz. Bei älteren muss man erst den Charakter kennenlernen, um einen Zugang zu finden." Doch auch hier haben sie und ihr Mann gute Erfahrungen gesammelt. "Die Kinder kommen ja immer aus schwierigen Verhältnissen. Wenn man dann sieht, dass sie ihren Weg gehen und auf eigenen Füßen stehen, mit Beruf, Hochzeit und einer Familie, dann denkt man: Das hat etwas gebracht", sagt sie und spricht damit wohl das ureigene Empfinden der meisten Eltern an. Hierfür müsse man allerdings "offen, ehrlich, konsequent und geradlinig" zu den Kindern sein. "Es braucht einen festen Rahmen, es ist ja genau das, was den Jungen und Mädchen fehlt." Auch wenn man dann mal die schlechte Laune der Schützlinge ertragen muss. Und diese bräuchten nicht nur ein Dach über den Kopf, sondern ein Zuhause. Und sie hat Vorteile für sich und ihren Mann entdeckt: "Man ist gefordert, bleibt immer am Puls der Zeit." Auch wenn es manchmal schwierig sei. Dann stünden jedoch die Mitarbeiter des Jugendamtes parat, um mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Bei der Frage nach den Nachteilen muss sie lange überlegen, bevor sie sagt: "Wenn man den Umgang mit Kindern liebt, ist es auf jeden Fall eine Bereicherung."

Vor Kurzem verließ ein Kind die Meyers. Bereits in ein paar Tagen steht die nächste Jugendliche vor der Tür. "Die Kinder dürfen ab einem gewissen Alter selbst entscheiden, ob sie in unserer Familie leben wollen", erklärt Meyer. Und mit Blick auf ihr und das Alter ihres Mannes sagt sie: "Vielleicht ist das dann unser letztes Pflegekind." Das dann nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern ein Zuhause hat.

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