Kunst im öffentlichen Raum Einst im Dienste politischer Propaganda

Ottweiler · Kunst muss sichtbar sein. Das Paradoxe an der „Kunst im öffentlichen Raum“ ist, dass sie durchaus sichtbar ist, und sie dennoch unsichtbar bleibt – denn kaum jemand nimmt Notiz von ihr. In einer Serie stellen wir Kunstwerke im öffentlichen Raum im Kreis Neunkirchen vor. Heute: Der Quakbrunnen in Ottweiler.

 Der Quakbrunnen von Ludwig Nobis auf dem Schlossplatz in Ottweiler wurde 1934 eingeweiht.

Der Quakbrunnen von Ludwig Nobis auf dem Schlossplatz in Ottweiler wurde 1934 eingeweiht.

Foto: Engel

Aus vorchristlicher Zeit stammende und teilweise bis in die Gegenwart praktizierte Bräuche, die mit der rituellen Ablösung des Winters durch eine neue Wachstumsperiode zu tun haben, werden häufig im Zusammenhang mit dem christlichen Pfingstfest betrachtet. Der „Pfingstquak“ist so ein Brauch. Die genauen Ursprünge sind, wie bei vielen Bräuchen, nicht mehr exakt herleitbar. Recht gut dokumentiert ist dieser Brauch aus der Pfalz, aber auch aus dem Elsaß. Früher zogen Kinder an Pfingsten mit bunten geschmückten Handwagen, dem „Pfingstquak“ durchs Dorf und sangen Lieder, wofür sie Eier, Speck oder Geld bekamen.

Auf diese Tradition habe sich der namhafte Saarbrücker Architekt Ludwig Nobis bei der Auftragsarbeit des Quakbrunnens in Ottweiler bezogen, berichtet Hans-Joachim Hoffmann in seinem Buch „Der Quakbrunnen in Ottweiler“.

Ludwig Nobis (geboren 1883 in Landau in der Pfalz, verstorben 1951 in Saarbrücken) gilt als einer der das Stadtbild Saarbrückens prägenden Architekten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. So entwarf er zum Beispiel die Alte Hauptpost in Saarbrücken, die heute das Kultusministerium beherbergt. Und auch das Gebäude der Sparkasse in der Landeshauptstadt. Sein Tätigkeitsfeld umfasste neben der Planung öffentlicher Bauten auch repräsentative Villen und Denkmale, schreibt Hoffmann weiter.

Die Einweihung des mächtigen Brunnens in Ottweiler, der weniger ein Brunnen als ein Bauwerk zu sein scheint, fand im Rahmen des Heimatfestes am 27. Mai 1934 statt.

Zu einer Zeit also, als die Nationalsozialisten sich daran machten, das Leben der Menschen in all seinen Facetten bis hin zur Verdrehung der Traditionen für ihre Zwecke zu missbrauchen. Hoffmann stellte in seinem leider vergriffenen Buch fest, „dass sich die genannte Einweihung zu „einer grandiosen Treuekundgebung des Saargebietes zum deutschen Vaterlande gestaltete.“ Damit deutete sich die Intention des Heimatfestes bereits an, schreibt Hoffmann: „Es war eine Propagandaveranstaltung der Deutschen Front, Ortsgruppe Ottweiler mit der Stadt Ottweiler, um für die Rückgliederung der Saar an Deutschland zu werben“.

Diese Absicht schlug sich auch in der künstlerischen Gestaltung des Brunnens nieder, wobei insbesondere dem Brauch des Pfingstquak besondere Bedeutung zukommt. Dieser drücke sich in seiner Gestaltung doch das völkische Element der NS-Ideologie aus. Es sei den Bauherren darum gegangen, das Brauchtum des Pfingstquaks als Propaganda zu missbrauchen, so Hoffmann.

Die Errichtung des Quakbrunnens in Ottweiler stehe in engem Zusammenhang mit der Volksabstimmung am 13. Januar 1935, schrieb die Saarbrücker Zeitung vor einem Jahr und bezog sich auf die Recherche Hoffmanns. Der Ottweiler Heimattag am 27. Mai 1934 habe gezeigt, dass die Verleihung der Ottweiler Ehrenbürgerwürde an Reichspräsident Paul von Hindenburg, an Reichskanzler Adolf Hitler am 19. April 1933 sowie an den Preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring und den Preußischen Staatsrat Alois Spaniol am 13. September 1933, nur ein erster Schritt gewesen sei, mit dem die nationalsozialistisch orientierte politische Führungsschicht Ottweilers im Vorfeld des Abstimmungskampfes ein Zeichen für die Rückgliederung des Saargebietes an Deutschland setzte.

Gegenüber der Stelle, wo sich seit 87 Jahren der Nobis-Brunnen befindet, plätscherte schon vorher ein Brunnen. Der Stadtrat entschied Anfang 1934, einen neuen Brunnen in Auftrag zu geben. Es entstand „eine völlig neue Schöpfung, etwas Originelles..., das in sinnvoller Beziehung zu der Geschichte und Kultur der alten Grafenstadt Ottweiler steht“. So zitiert Hoffmann den Heimatkunst-Theoretiker Paul Schultze-Naumburg (1869 bis 1949), einen Künstler und Architekten mit großer Nähe zu den Nazis.

Tatsächlich ist Ludwig Nobis ein Kunstwerk gelungen, das jenseits historischer Konnotation heutige Betrachter auf Entdeckungsreise schickt.

Hans-Joachim Hoffmann, dessen wunderbares und außerordentliches Buch akribisch die künstlerisch-politische Geschichte des Brunnens auf dem Schlossplatz in Ottweiler beschreibt, ist bedauerlicherweise nicht mehr erhältlich. Es würde sich aber lohnen, dieses Werk wieder aufzulegen.

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