Unter der Lupe Hübsche Diva mit kleinen Dellen
Ottweiler · In Ottweiler sind die Altstadt und die Wilhelm-Heinrich-Straße das Herz der Stadt. Die Hauptstraße liegt im Stadtteil Mainzweiler.
Für Durchreisende erschließt sich die durchaus vielseitige Geschäftsweilt von Ottweiler fast überhaupt nicht. Auf der sehr viel befahrenen B 41 rauscht der Verkehr nämlich mitten durch die Stadt, die mit den ländlichen Ortsteilen Mainzweiler, Lautenbach, Steinbach und Fürth rund 15 000 Einwohner hat. Die malerische Altstadt mit ihren Plätzen und Gassen bleibt eher versteckt. Wer den Sitz von Landrat Sören Meng und eines Teiles der Kreisverwaltung – etliche Dienststellen sind in Neunkirchen ansässig – aufsucht, findet sich im historischen Witwenpalais in der Wilhelm-Heinrich-Straße wieder.
Hier hat die SZ ihren Besuch in Ottweiler gestartet. Der erste Eindruck dieser ehemaligen Haupt-Einkaufsstraße ist sehr gemischt. Neben den alt eingesessenen Anbietern mit überregionalem Renommé wie beispielsweise Rena Brautmoden oder Conditorei Thilmany herrscht hinter etlichen Schaufenstern Leere, teilweise verbrämt durch dort ausgestellte Kunst. Die Wilhelm-Heinrich-Straße ist ein Ottweiler Sorgenkind, wie auch Armin Bettinger, seit einem knappen Jahr Vorsitzender des Ottweiler Gerwerbevereins, einräumt. „Wenn Geschäftsinhaber in Rente gehen, ist es oft schwer, Nachfolger zu finden“, sieht Bettinger einen Grund für aufgegebene Geschäfte.
Wobei die Lage für findige Neugründer durchaus vielversprechend ist, wie eine Cup-Cake-Manufaktur oder die Bangoe-Lounge als Shisha-, Cocktail- und Sportsbar beweisen. Am urigen Brauhaus vorbei geht es dann durch die Enggass in die Altstadt. Hier gibt es keinen Dauer-Leerstand, auch wenn nicht jedes Schaufenster einen Gestaltungspreis verdient hat. Neu dort ein Fachgeschäft für Baby-Bedarf, entstanden aus einem Online-Shop. Ein Frequenzbringer in diesem Bereich von Ottweiler ist sicher auch das Modehaus Neufang-Rennwald, das nicht nur den Bräutigam und junge Menschen beim Abschluss-Ball einkleidet, sondern im kompletten Mode-Bereich dabei ist. Erst kürzlich wurde erweitert. Hermann und Sigrid Neufang-Brunnecke haben ihr Geschäft an die nächste Generation mit Marita Brunnecke weiter gegeben. „Die Leute kommen wegen unserer guten Beratung und des Services auch von weither zu uns“, freuen sich die Brunneckes.
Gegenüber findet Margarethe Singer mit ihrer Mischung aus Mode und Fotografie (auch in der Goethestraße) ihre Nische. Gespannt ist Armin Bettinger auf die Wiedereröffnung der Buchhandlung, die zurzeit von Karlheinz Köhler vorbereitet wird. Die 1892 von seiner Urgroßmutter eröffnete „Henn‘sche Buchhandlung“ will Köhler in seiner Heimatstadt wiederbeleben. Dann öffnet sich der Rathausplatz, wo Friseur Herz einen chicen Laden im Altstadt-Ambiente hat. Ins Auge sticht der große Leerstand der Metzgerei Altenhofer. Auch ein Fall von Nachwuchs-Mangel. Dafür drumherum mehrere originelle Läden wie Natura et Historia oder Wein Küss.
Trotz des miesen Wetters an diesem Tag sind erstaunlich viele Leute in der Fußgängerzone unterwegs, die bei Sonnenschein ein echter Anziehungspunkt ist. Am Schlossplatz sind dann wieder Autos unterwegs. Hier hat sich unter anderem erfolgreich Onkel Tom`s Hütte etabliert, eine muntere Melange aus Café, Kneipe und Feinkost-Lädchen. Wen dort ein größerer Hunger plagt, der kann sich vom Imbiss nebendran beliefern lassen. Ein syrisches Lebensmittelgeschäft rundet das originelle Ensemble ab.
In der Goethestraße ist nicht mehr besonders viel los. Aus dem ambitionierten Lokal Wein Keller im Gebäude der ehemaligen Bierbrauerei Reinshagen wurden Wohnräume, das hübsche Hotel Goethe ist ein reiner Übernachtungsbetrieb ohne Gastronomie. An der mangelt es in Ottweiler aber eigentlich nicht. Stammkneipen wie der Nassauer, das Fässje oder die Sonne dazu internationale Lokale und Imbisse zwischen Asien, Italien und der Türkei lassen die Leute nicht darben. Das Schlosstheater ist das Veranstaltungszentrum in der Altstadt, neu etabliert hat sich GIO 4, das Gesundheitszentrum im Bereich der alten Post.
„Was fehlt, ist ein richtiger Lebensmittel-Markt“, gibt uns eine ältere Dame auf den Weg. Seit das Edeka geschlossen habe, gebe es nur noch die Vollsortimenter und Discounter an den Rändern der Stadt. Ein Manko, das auch Armin Bettinger sieht. Hier sei die Situation „unbefriedigend“, doch die Platznot im Zentrum lasse keine entsprechende Ansiedlung zu. Ottweiler habe es schwer, sich in seiner Lage zwischen St. Wendel und Neunkirchen als Einkaufsort zu behaupten. Den Mangel an Lebensmitteln machen die beiden Markttage mittwochs und samstags zwar nicht wett, sie werten mit feinen Angeboten die Innenstadt aber durchaus auf.
„Wir müssen gemeinsam mit der Stadtverwaltung immer wieder für Veranstaltungen und Aktionen sorgen, damit die Menschen den Weg zu uns finden“, bringt es Bettinger auf den Punkt. Denn Ottweiler mit seinen architektonischen Attraktionen und der Fülle an Museen ist in der Tat eine Visite wert. Und es gibt viel zu entdecken.
Bereits erschienen: Illingen, SZ vom 21. Januar 2018; Merchweiler, SZ vom 20. Februar 2018.