Gedenkfeier in Ottweiler Ökumenische Feier: Erinnern an das „Feuer des Hasses“

Ottweiler · „Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“ Dieses Zitat des Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer stellte Beigeordneter Johannes Schmitt ins Zentrum seiner Ansprache.

 Gedenkfeier im Fornarohof: In Ottweiler wurde an die Opfer der Reichspogromnacht erinnert.

Gedenkfeier im Fornarohof: In Ottweiler wurde an die Opfer der Reichspogromnacht erinnert.

Foto: Anja Kernig

In guter Tradition hatte die Stadtverwaltung zusammen mit den Kirchengemeinden Ottweilers – vertreten durch Pfarrerin Christina Wochnick und Pater Roberto Alda – zum Gedenken anlässlich des 9. Novembers, dem Tag der Reichspogromnacht 1938, in den Fornarohof eingeladen. Etwa 50 junge und ältere Menschen fanden sich in dem zentral in der Altstadt gelegenen Innenhof ein, dem das Flackern der Kerzen ein ganz besonderes Flair verlieh.

„Wir haben uns versammelt, um an das Leid zu erinnern, das der jüdischen Bevölkerung angetan wurde, und an den nationalsozialistischen Rassenwahn“, sagte Schmitt. „Das Pogrom war ein einziger Alptraum für die jüdischen Deutschen, auch bei uns in Ottweiler“, betonte der Beigeordnete. „Die Synagoge wurde ausgeraubt, auf dem Schlossplatz brannte ein Feuer des Hasses, Geschäfte und Wohnungen jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger wurden geplündert und viele von ihnen in Konzentrationslager verschleppt. Dieser Terror traf Menschen, die sich nichts hatten zuschulden kommen lassen; er traf Menschen, die in Ottweiler zu Hause waren; hier wie alle anderen ihrem Tagewerk nachgehen wollten und sich vielfach rege am politischen oder kulturellen Leben beteiligt hatten. Sie alle wurden allein deshalb verfolgt, weil sie Juden waren.“

84 Jahre nach der Pogromnacht und 82 Jahre nach der Wagner-Bürckel-Aktion gedachte man insbesondere der 16 Ottweiler Frauen und Männer, die damals über Saarbrücken, Forbach, Chalon-sur-Saône nach Gurs verschleppt wurden – gemeinsam mit 6000 jüdischen Bürgern aus dem Südwesten. Für die meisten von ihnen war es eine Fahrt in den Tod.

„Wir wissen auch, dass der Antisemitismus nicht mit dem Dritten Reich im Bodensatz der Geschichte verschwunden ist“, mahnte Schmitt. „Ganz im Gegenteil scheint er in den letzten Jahren sogar wieder zugenommen zu haben.“ Antisemitismus reiche heute von diffuser Ablehnung bis zu offenem Hass.

„Der Terror bedroht uns weiter, ob er im Namen von Staaten oder Religionen ausgeht“ Diesem Terror muss begegnet werden. So sieht er es als nie endende Aufgabe an, „Fakten zu vermitteln und gegen Vorurteile anzugehen, die die Menschen immer noch oder schon wieder hegen“. Immer wieder gilt es aufs Neue zu klären, wo Antisemitismus, wo Ausgrenzung und Diskriminierung beginnen, und was ein Einzelner und was die Gesellschaft dagegen tun können. „Wir alle tragen Verantwortung, dass es keine schweigenden Mehrheiten gibt. Wir alle tragen Verantwortung, dass die Menschenrechte in unserem Land für alle gelten. Jeder Terrorangriff auf einzelne Bürger bedroht unsere Gesellschaft.“

Nicht schweigen und nicht wegsehen, lautet Schmitts Auftrag an die Teilnehmer, „sondern die Würde und die Freiheit Einzelner verteidigen“. Was auch Mannheimer zeitlebens tat. Der Schoah entkommen, setzte sich der tschechische Kaufmann, Maler und Schriftsteller bis zu seinem Tod 2016 in München aktiv für eine Kultur des Erinnerns und des Gedenkens ein.

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