Ein Mann in Strumpfhosen

Ottweiler · Noch wenige Wochen, dann übernehmen die Narren endgültig das Zepter. Bei Rathaus-Stürmen entheben sie für die närrischen Tage die Oberen ihrer Ämter, rufen die närrische Monarchie aus. Im Normalfall regieren Prinz und Prinzessin ein närrisches Volk. Es gab auch schon mal zwei Prinzessinnen, Schwestern, die sich den Thron teilten. Ein Prinz allein aber – das ist ungewöhnlich. Der älteste Karnevalsverein im Lande, die Ottweiler So war noch nix 1847, hat diese Session einen Prinzen an der Spitze. SZ-Redakteurin Elke Jacobi sprach mit Prinz Hâgen I. über seine Intention, seinen vollen Terminkalender und, und, und.

 Gute Beine und Sinn für Humor, das braucht so ein Prinz. Matthias Zimmermann, alias Hâgen I., zeigt es auch beim Foto-Shooting. Foto: Bonenberger

Gute Beine und Sinn für Humor, das braucht so ein Prinz. Matthias Zimmermann, alias Hâgen I., zeigt es auch beim Foto-Shooting. Foto: Bonenberger

Foto: Bonenberger

Es ist ja dieses Mal eine kurze Session. Wie schafft man das?

Hâgen I.: Ich freue mich riesig auf die Session. Schließlich ist man normalerweise nur einmal im Leben Prinz Karneval . Am 18. Februar ist bereits Schluss. Während der sechs Wochen zwischen Neujahr und Aschermittwoch liegen rund 30 Termine. Dafür nehme ich mir sogar Urlaub. Sonst klappt das nicht. Sitzungen befreundeter Vereine, Einladungen zu Neujahrsempfängen. Vorbereitungen. Wir bringen alljährlich eine eigene Gazette, die Großmaulzeitung heraus, die wir von Haus zu Haus verkaufen. Dafür haben wir eine Redaktion, die regelmäßig zusammenkommt. Auch da bin ich involviert. Dann auch das Training bei Schautanz und Männerballett. Reden vorbereiten. Alle Termine unter einen Hut kriegen. Stress, aber ein selbstgewählter, ein herrlicher. Dazu muss man einfach Fastnachter mit ganzem Herzen sein.

Was macht einen "Fastnachter mit ganzem Herzen" aus?

Hâgen I.: Ein Karnevalist muss über sich selbst am meisten lachen können. Sich alles andere als wichtig nehmen. Sonst geht die ganze Chose mächtig in die Hose. In die Strumpfhose. Nur so kann man an Veranstaltungen wie dem Tannenbaum-Weitwurf teilnehmen. Weit flog mein Geschoss jedenfalls nicht. Was erwartet man auch von einem Prinzen , der in Strumpfhosen teilnimmt?

Das versteht nicht jeder . . .

Hâgen I.: Ich freu' mich auf Fastnacht wie Bolle. Wenn es ums Feiern geht und die Etikette auch mal im Kleiderschrank bleiben darf, ohne sich aber daneben zu benehmen wie ein klischeehafter Malle-Urlauber. Ich kann allerdings auch die Kritiker verstehen, die so gar nichts mit dem ganzen Zinnober anfangen können. Wenn sich Funktionäre gegenseitig auf die Schultern klopfen und sich sagen, wie toll sie sind. Wenn Menschen, die das ganze Jahr über Trübsal blasen, plötzlich ohne Schamgrenze außer Rand und Band sind. Ich sag' einfach mal von mir, dass ich zwölf Monate im Jahr gerne mit tollen Leuten feiere.

Es heißt ja immer, die Vereine im Allgemeinen haben Nachwuchssorgen. Wie sieht das bei der So war noch nix aus?

Hâgen I.: Bei uns im Verein zeigt sich da ein Wandel. Seit der vergangenen Session haben sich schlagartig Akteure, Funktionäre und Publikum verjüngt. Und das Team um mich herum - grandios! Da bin ich mit 44 bereits einer der Älteren. Es feiert mit und unterstützt mich. Hat meine Termine voll im Blick. Bei meiner Schusseligkeit auch von Vorteil. Allerdings ist es auch schwierig, gegen alle alten Zöpfe anzugehen.

Welche alten Zöpfe beispielsweise?

Hâgen I.: Einige können gar nicht kapieren, wieso ich dem närrischen Ordenskult so rein gar nichts abgewinnen kann, ihm schon fast dramatisch kritisch gegenüberstehe. Schon mal die sonoren Herren gesehen, wie die an ihren Sakkos dekoriert sind wie 'ne Weihnachtstanne? Viele haben vergessen, dass Karnevalisten dieses Ordenszeremonie-Gedöns des Militärs auf die Schippe nehmen wollten. Und nun sind wir unsere eigene Persiflage. Aber das soll mir die Freude am Feiern nicht verleiden. Wer die metallenen Brustschläger braucht, bekommt sie. Mehr als genug.

Nochmal zur angesprochenen Verjüngung. Merkt der Besucher der Kappensitzungen was davon?

Hâgen I.: Durch die Verjüngung wandelt sich das ganze Prozedere. Die Menschen wollen nach wie vor feiern. Aber die klassischen Prunk- und Kappensitzungen tendieren zunehmend hin zu Showprogrammen. Tanz und Musik stehen stärker im Vordergrund. Dabei ziehe ich den Hut insbesondere vor Garden und Schautänzern. Denn der Anteil exzellenter Akrobatik ist immens gestiegen. Das klassische Männerballett, das ohne nennenswertes Können nur behaarte, wippende Bierbäuche über dem Tutu dem Publikum entgegenstreckt, stirbt aus. Die Sitzungsbesucher wollen professionell unterhalten werden. Das kennen sie aus dem Fernsehen. Und das bringen wir Laien auch zustande, wenn wir uns bemühen und den Karneval am Leben erhalten wollen.

Pegida-Bewegung, die grauenvollen Anschläge in Paris - kann man da Fastnacht feiern?

Hâgen I.: Fastnacht darf nicht nur eine reine Gaudirunde sein. Muss sich auch kritisch und politisch äußern. Besonders in diesen Zeiten. Denn gerade wir sollen doch für Toleranz werben. Wollen uns keinen Maulkorb anlegen lassen. Ein Beispiel geben, sich nicht in seiner Meinungsvielfalt einschränken zu lassen. Das können wir. Aus der Bütt heraus, bei Umzügen mit entsprechenden Motivwagen.

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Zur PersonMatthias Zimmermann (44), ist gebürtiger Hagener (Westfalen) - daher rührt der Spitzname; in Wadern aufgewachsen. Dort bereits Fastnachtserfahrungen als Kind bei der Karnevalsgesellschaft (KG) 1897 Mir gen us net. Anfang der 1990er-Jahre Wechsel zum Weiskircher Karnevalsverein (KV) Grün-Weiß-Rot 1971.Im zivilen Leben arbeitet er als Redakteur der Saarbrücker Zeitung zurzeit für die Lokalredaktion in St. Wendel. Nach Umwegen über Saarbrücken und Finsterwalde (Brandenburg) seit 2007 in Ottweiler beheimatet. Dort seit vier Jahren beim KV So war noch nix 1847 Mitglied. Er tanzt beim Schautanz der Prinzengarde sowie Männerballett. Letzteres holte gleich im ersten Jahr seiner Neugründung im Frühjahr beim Männerballett-Festival in Landsweiler-Reden den ersten Platz in der Kategorie Choreografie. Wenn er kein Fastnachter mit Faible für den Kölschen Karneval ist, dann widmet er sich seinem Hobby Marathonlauf. bea

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