Drei Außerirdische erforschen die weibliche Gedankenwelt

Ottweiler · Die Gedankenwelt von Frauen zwischen elf und 98 Jahren haben drei Damen vom Berliner Theater Hoffland erforscht. In der Rolle als Außerirdische haben sie sich bei einer Aufführung in Ottweiler damit auseinandergesetzt.

Was käme wohl dabei heraus, wenn man völlig unvoreingenommen und mit wissenschaftlicher Distanz die Gedankenwelt der Frau erforschen würde? Und wer könnte das überhaupt - völlig unvoreingenommen? Wohl nur Außerirdische . Deshalb schlüpfen Melina von Gagen, Anne Hoffmann und Dagmar Poppy vom Berliner Theater Hoffland unter Regie von Judith Kuhnert in die Rollen dreier Wesen aus dem All, um sich dieser Aufgabe zu nähern. "Innenwelten oder der Pudel in dir" heißt das von der Gruppe in Eigenproduktion entwickelte Stück. Unkonventionelles, kreatives Theater, mit dessen Aufführung im Schlosstheater das Festival Spielstark, veranstaltet vom Saarbrücker Theater Überzwerg und der Stadt Ottweiler , endete.

Mit Mundschutz und Handschuhen stürzen sich die Außerirdischen auf ihr Untersuchungsmaterial. Puppen, Kassetten und andere Alltagsgegenstände, vor allem aber eines: Tagebücher! Echte Tagebücher von echten Frauen zwischen elf und 98 Jahren. Die Analyse zeigt schnell: "Das Denken der Frau" gibt es nicht. Während beispielsweise Nora, 26 Jahre, in ihrem Tagebuch vor Liebe zu ihrem Baby übersprudelt, hat Sylvia, ebenfalls 26, noch nie zwei finsterere Wochen durchgestanden, als die, in denen sie befürchtet hatte, schwanger zu sein. Nichts erschreckt sie mehr als "die Vorstellung von 20 miesen Jahren!".

Mit Sorgfalt schlagen die Außerirdischen Buch für Buch auf, tauchen in Momentaufnahmen verschiedenster Leben ein. Demonstrativ saugt eine jede Vorleserin den Geruch der angestaubten Seiten ein und dadurch offenbar das ganze Fühlen, das ganze Wesen der Schreiberin, die fortan aus ihr spricht: Mal schüchtern, mal selbstbewusst und auch mal mit amüsantem Dialekt.

Großes Thema: Wer bin ich und wer habe ich zu sein? Ein Werbespot aus den Fünfzigern flimmert über eine Leinwand und verkündet, die Frau habe zwei Lebensfragen: "Was soll ich kochen?" und "Was soll ich anziehen?". Lachen im Publikum, selbstverständlich. Und doch: nur Schnee von gestern? Essstörungen klingen in den Tagebucheinträgen ebenso an wie Frust über einen weiblichen Attraktivitätszwang. Keine Spur davon bei Maria, die sich lieber auf männliche Schönheit konzentriert, so auf die von Francesco, dem "verdammt gut aussehenden Weltenbummler", der goldene Jahre wiederaufleben lässt und den der Himmel schickt. Die Außerirdischen staunen, erschrecken manchmal oder sind irritiert. Vor allem aber wollen sie mehr wissen: "Wie viele Francesci kann ich mir bestellen?" und "Wo ist die Bestellstation?". Zu eingespielten Schlagern werden sie scheinbar unfreiwillig zu irrwitzigen Tanzeinlagen getrieben, in denen sie Gefühle der Schreiberinnen nacherleben.

Kein Tagebucheintrag, mehr ein Lebensrückblick, ist es, was die 94-jährige Edith auf der Leinwand wiedergibt: "Wenn ich so darüber nachdenke, hat mir eines in meinem Wesen gefehlt: genügend Fröhlichkeit." Und so klingt beim Abgang in einer Plauderei der ihrer Verkleidung entledigten Schauspielerinnen an: "Wir sollten unsere Probleme weniger ernst nehmen!"

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort