Zugausfälle der etwas anderen Art

Neunkirchen · Ausfälle sind bei Zügen keine Seltenheit. Doch es gibt auch Totalausfälle ganz anderer Art, die man als Passagier vielleicht nur einmal im Leben miterlebt. Oder mehrmals, je nachdem, mit welchen Äußerlichkeiten einen Gott oder Allah oder wer auch immer ausgestattet hat.

So wie am Donnerstagmorgen im Zug: Plötzlich baut sich ein eigenartiger Mann mittleren Alters mit einem Meter Abstand vor mir auf und weist mich auf ein mir nicht bekanntes Verbot hin: "Ich weiß nicht, ob Sie das wissen, aber Sie dürfen hier nicht telefonieren." Ich blicke mich im Abteil um. Links, rechts, vorne, hinten: Kaum ein Platz ist besetzt, nur zwei Frauen warten in unmittelbarer Nähe auf die in diesem Fall besonders erlösende Zugansage "Neunkirchen Hauptbahnhof". Kann er sich nicht einfach woanders hinsetzen, wenn er sich durch mein Telefonat gestört fühlt? Das schießt mir noch durch den Kopf, ehe ich etwas gereizt entgegne: "Das braucht Sie doch nichts anzugehen." Und dann fällt, wie auf Knopfdruck, die Maske. Ein Ausfall folgt dem nächsten und schließlich der entsetzliche Höhepunkt: Er erhebt die Hand zum Hitler-Gruß und faucht mir "Ausländer raus!" ins Gesicht. Dann murmelt er noch ein paar fremdenfeindliche Parolen vor sich hin und verschwindet mit drohender Gebärde.

Was nach einer Entgleisung á la Pegida klingt, geschieht an einem ganz gewöhnlichen Tag in unseren Zügen, hier im Saarland, mitten in Neunkirchen, wo diese Person auch ausgestiegen ist. Und wie reagiere ich als junge Migrantin auf solche Attacken? Wie sollten wir als Gesellschaft damit umgehen? Mit Aufklärung - ich habe immerhin noch einen kurzen Hinweis auf die Strafbarkeit des Hitler-Grußes aus mir herausbekommen - und mit mehr Bildungschancen. Und zwar für alle und möglichst früh. Denn zu meinen, man könne solche Menschen einfach auf irgendein Abstellgleis schieben, wo sie keinen Schaden anrichten, ist ein Irrtum.

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