Wer setzt Fernzüge aufs Neunkircher Gleis?

Neunkirchen · Ohne Umsteigen kommt keiner von Neunkirchen nach Mannheim: Die Stadt als Knotenpunkt für einen großen Einzugsraum fühlt sich vom Fernverkehr abgehängt. Dieser Missstand wurde auch im Stadtrat angeprangert.

 Der Neunkircher Hauptbahnhof ist ein Keilbahnhof: Auf ihn laufen fünf Schienenverkehrs-Linien zu. Foto: Dietz/Verkehrsverein Neunkirchen

Der Neunkircher Hauptbahnhof ist ein Keilbahnhof: Auf ihn laufen fünf Schienenverkehrs-Linien zu. Foto: Dietz/Verkehrsverein Neunkirchen

Foto: Dietz/Verkehrsverein Neunkirchen

Bahn-Nostalgie klingt schön: In den 50er und 60er Jahren gab es von Neunkirchen aus D-Züge und Eil-Züge nach Koblenz, Paris, Mannheim , Stuttgart und München. Am Hauptbahnhof fanden sich jeden Tag rund 25 000 Reisende ein. Die heutige Schienen-Realität sieht anders aus: Noch zirka 5500 Bahnfahrer bevölkern täglich den Bahnhof; er ist zwar Haltepunkt für 185 Nahverkehrszüge, aber kein einziger Fernverkehrszug läuft hier ein.

Fakten, die Otto Dietz zusammengestellt hat, der zweite Vorsitzende des Neunkircher Verkehrsvereins. Der Rechtsanwalt trug in der jüngsten Stadtratssitzung erneut detailliert vor, dass Neunkirchen mit seinem zentralen Bahnhof fürs nördliche und östliche Saarland und als zweitgrößte Stadt des Landes als Haltepunkt des Fernverkehrs abgekoppelt ist. Ein Anliegen des Verkehrsvereins sei es, bei Landesregierung und Deutscher Bahn auf Änderung dieses Zustands zu dringen.

Dietz rannte im Stadtrat offene Türen ein. "Wir müssen hier mit großem Nachdruck dranbleiben", forderte etwa SPD-Fraktionschef Willi Schwender. Der Oberbürgermeister müsse dem Land klar machen, dass der Stadtrat voll hinter dem Anliegen steht. Es müsse das Signal nach außen gehen: "Wir lassen uns nicht auf den Arm nehmen als zweitgrößte Stadt des Landes." CDU-Fraktionschef Karl Albert regte an, die Entscheidungsträger des Landes einzuladen: "Die müssen dann Butter bei die Fisch geben." OB Jürgen Fried gab zu Protokoll, er werde Verkehrsministerin Anke Rehlinger einladen, daneben die Bürgermeister der betroffenen umliegenden Gemeinden anschreiben und um Unterstützung der Initiative bitten.

Der Neunkircher Keilbahnhof sei Knotenpunkt für fünf Strecken (Pfalz-Bahn, Rhein-Nahebahn, Fischbachtal-Bahn, Sulzbachtal-Bahn, Illtal-Bahn), listete Dietz auf, mithin Mittelpunkt eines Einzugsgebietes von 289 000 Saarländern. Für die Nutzer von 22 Bahnstationen in diesem Bereich gelte: Sie müssen mindestens einmal, in der Mehrzahl aber zwei Mal umsteigen, um zum zentralen Bahnhof Mannheim zu fahren.

Der Bahnexperte des Verkehrsvereins zeigte Alternativen auf, die dies ändern könnten. Zum einen solle zumindest ein Teil der Regionalexpress-Züge, die von Saarbrücken über St. Ingbert nach Homburg fahren, den Bahnhof Homburg über die Schiene Neunkirchen /Bexbach ansteuern. Diese Alternativstrecke sei gerade mal vier Kilometer länger und erhöhe die Fahrzeit um nicht mehr als drei Minuten. Vorteil: Die Neunkircher und Bexbacher hätten eine Direktverbindung nach Mannheim , bei allen anderen erwähnten Stationen im Einzugsgebiet sei nur noch einmaliges Umsteigen in Neunkirchen erforderlich. Weil die Bahn bei dieser Lösung eine Reihe von Regionalbahn-Takten wegfallen lassen könne, spare sie sogar - so Dietz' Rechnung - gut eine Million Euro ein. Derzeit genieße St. Ingbert den Luxus von täglich 37 Direktanbindungen nach Mannheim .

Zweiter Vorschlag: Neunkirchen wird Endstation der S 1 Bahn Rhein Neckar. Diese S-Bahn fährt bisher von Osterburken über Heidelberg, Mannheim , Neustadt, Kaiserslautern bis Homburg und steht dort 50 Minuten, bevor sie zurückfährt. In dieser Zeit könne sie problemlos Neunkirchen ansteuern und hätte bei einer benötigten Fahrzeit von 26 Minuten noch einen Puffer von 24 Minuten. Weil auch hier die entsprechenden Regionalbahnen wegfallen könnten, sei dies mit keinerlei Mehrkosten verbunden.

Mit der S 1 Bahn verband Otto Dietz zudem einen satten Seitenhieb auf die Landeshauptstädte Saarbrücken und Mainz. Die dortigen Regierungen ließen nämlich ernsthaft untersuchen, ob die S-Bahn von Homburg nach Zweibrücken weitergeführt werden kann. Dazu müsse eine Strecke reaktiviert werden, deren Rentabilität mehr als fragwürdig sei. Das Saarland stellte bereits, ebenso wie Rheinland-Pfalz, 350 000 Euro für die Vorentwurfsplanung bereit, im Fall der Realisierung der Strecke sei mit Millionenkosten (nach dem Territorialprinzip entfielen aufs Saarland 27,5 Millionen Euro) für das Land zu rechnen. Das alles für eine Strecke, die knapp 7700 Einwohner im Saarland bedienen würde. "Nur die Planung der Verbesserung der Bahn-Infrastruktur des Großraumes Neunkirchen für 289 000 Menschen kommt niemand in den Sinn", so Otto Dietz' bitteres Fazit.

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